BT-Drucksache 16/443

Rechtsstaatliche Verfahren und Menschenrechtsschutz für die Inhaftierten in Guantanamo Bay

Vom 24. Januar 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/443
16. Wahlperiode 24. 01. 2006

Antrag
der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Jürgen Trittin, Marieluise Beck (Bremen),
Thilo Hoppe, Ute Koczy, Winfried Nachtwei, Claudia Roth (Augsburg), Rainder
Steenblock und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Rechtsstaatliche Verfahren und Menschenrechtsschutz für die Inhaftierten
in Guantanamo Bay

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

In dem Gefangenenlager des US-Militärstützpunktes Guantanamo Bay auf Kuba
sind nach wie vor über 500 Menschen inhaftiert. Ohne Anklage oder die Aussicht
auf ein rechtsstaatliches Verfahren werden diese Menschen unter unwürdigen
Bedingungen seit z. T. über 4 Jahren festgehalten. Die US-Regierung verwehrt
ihnen als „ungesetzliche Kombattanten“ grundlegende völkerrechtliche Verfah-
ren. Nach den Genfer Konventionen, denen die USA beigetreten sind, müssen
Gefangene bis zur Klärung ihres Status durch ein zuständiges Gericht als Kriegs-
gefangene angesehen werden. Die Inhaftierten, die danach nicht als Kriegs-
gefangene gelten, müssen mit Menschlichkeit behandelt und dürfen nur durch ein
ordentliches Gericht verurteilt werden. Dessen ungeachtet wurde bisher eine
Reihe von Inhaftierten vor ein Militärtribunal gebracht, das entgegen den Vo-
raussetzungen des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte
keine zweite und unparteiische Überprüfungsinstanz hat. Der Versuch der US-
Regierung, die Geltung bestimmter Rechtsprinzipien durch die Errichtung der
Gefangenenlager außerhalb des Hoheitsgebietes der USA zu unterlaufen, ist in
diesem Zusammenhang nicht nur juristisch fragwürdig, sondern als politisches
Signal auch verheerend. Die Völkerrechtswidrigkeit der Verfahren von Guanta-
namo wird im Übrigen nicht nur von der internationalen Gemeinschaft themati-
siert, sondern findet scharfe Kritikerinnen und Kritiker auch in den USA selber
und ist dort Gegenstand verschiedener gerichtlicher Überprüfungsverfahren.

Bereits vor einem Jahr hat sich das Internationale Komitee des Roten Kreuzes
öffentlich über die besorgniserregende Verschlechterung des psychischen Ge-
sundheitszustandes vieler Gefangener in Guantanamo geäußert. Die ungewisse
Dauer der Haft, der fehlende Kontakt zu Angehörigen und die Zustände im Lager
selber tragen zu dieser Verschlechterung bei. Berichte ehemaliger Häftlinge und
Wärter über Folter und Misshandlungen wie die Anwendung von Elektroschocks,

sexuelle Demütigungen, tagelanger Essensentzug, Drohungen mit Erschießung
oder die Simulation von Ertränken lassen befürchten, dass die Gefangenen in den
Lagern massiven Beeinträchtigungen ausgesetzt sind.

Der Kampf gegen den internationalen Terrorismus stellt den Rechtsstaat vor
große Herausforderungen. Die Aufgabe von rechtsstaatlichen Verfahren und die
Nichteinhaltung grundlegender Menschenrechte sind allerdings keine Erfolg ver-
sprechenden Mittel in diesem Kampf. Im Gegenteil – mit der Einschränkung ihrer

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freiheitlichen und rechtsstaatlichen Ordnung begehen demokratische Staaten
einen schweren Fehler. Sie schwächen die Stärke des Rechts und geben ein fatales
Signal an all die Länder, denen der Menschenrechtsschutz von jeher als eine dop-
pelzüngige Strategie des Westens erschien. Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel
hat zu Recht öffentlich darauf hingewiesen, dass Lager wie die in Guantanamo
auf Dauer nicht bestehen dürfen. Der Deutsche Bundestag begrüßt, dass die
Bundeskanzlerin damit die Position des Deutschen Bundestages übernimmt, die
er mit dem Antrag „Für die Einhaltung der grundlegenden Menschenrechte und
Grundfreiheiten in Guantanamo Bay“ bereits am 25. März 2004 eingenommen
hat. Die USA, die gesamte internationale Gemeinschaft und damit auch die
Bundesrepublik Deutschland sind gefordert, in der Terrorismusbekämpfung die
grundlegenden Menschenrechte des Einzelnen zu achten und zu schützen. Dies
sind die Stärken des Rechtsstaats, nicht seine Schwächen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung deshalb auf,

1. die US-Regierung dazu aufzufordern, den rechtlichen Status der Inhaftierten
in Guantanamo gemäß den Bestimmungen der Genfer Konventionen von
einem zuständigen Gericht umgehend klären zu lassen und sie bis zu dieser
Klärung als Kriegsgefangene zu behandeln;

2. gegenüber den USA darauf hinzuwirken, dass jeder Inhaftierte ein faires und
freies Verfahren vor einem zuständigen Gericht erhält;

3. die US-Regierung zu drängen, die Inhaftierten, denen kein terroristischer
Bezug nachzuweisen ist, unverzüglich freizulassen und sie dabei nicht zu
zwingen, in ein Land zurückzukehren, in denen ihnen Folter und Misshand-
lung drohen;

4. gegenüber der US-Regierung zu vertreten, dass die Lager in Guantanamo
geschlossen werden müssen.

Berlin, den 24. Januar 2006

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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