BT-Drucksache 16/4230

Illegale, undokumentierte und unkontrollierte Fischerei

Vom 1. Februar 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/4230
16. Wahlperiode 01. 02. 2007

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Christel Happach-Kasan, Hans-Michael Goldmann,
Dr. Edmund Peter Geisen, Christian Ahrendt, Jens Ackermann, Dr. Karl Addicks,
Daniel Bahr (Münster), Uwe Barth, Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst, Ernst
Burgbacher, Patrick Döring, Mechthild Dyckmans, Jörg van Essen, Otto Fricke,
Horst Friedrich (Bayreuth), Miriam Gruß, Joachim Günther (Plauen), Heinz-Peter
Haustein, Elke Hoff, Birgit Homburger, Dr. Michael Kauch, Hellmut Königshaus,
Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin, Heinz Lanfermann, Harald
Leibrecht, Michael Link (Heilbronn), Horst Meierhofer, Patrick Meinhardt, Jan
Mücke, Dirk Niebel, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr, Cornelia Pieper,
Gisela Piltz, Jörg Rohde, Marina Schuster, Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Max
Stadler, Dr. Rainer Stinner, Carl-Ludwig Thiele, Florian Toncar, Christoph Waitz,
Dr. Volker Wissing, Dr. Guido Westerwelle und der Fraktion der FDP

Illegale, undokumentierte und unkontrollierte Fischerei

Fisch ist weltweit ein wichtiges Grundnahrungsmittel. Etwa 90 Mio. Tonnen
Fisch einschließlich Muscheln und Krustentiere werden weltweit pro Jahr ge-
fischt. Das ist viermal soviel wie vor 50 Jahren. Eine Folge dieser Steigerung des
fischereilichen Ertrags ist die Überfischung der Meere. Drei Viertel der
fischereilich genutzten marinen Fischarten sind nach Angaben der FAO über-
fischt oder bis an die Grenze der Regenerationsfähigkeit ausgebeutet. Allerdings
werden von den mehr als 24 000 Fischarten nur etwa 200 Arten fischereilich ge-
nutzt, 20 Arten erbringen 40 Prozent des Ertrags. Überfischung hat zum Beispiel
dazu geführt, dass der Bestand des nordwestatlantischen Kabeljaus in den letz-
ten Jahrzehnten zusammengebrochen ist. Einhergehend mit der Überfischung
der Konsumfischarten ist der Preis für Fisch überproportional gestiegen: In
Westeuropa in den letzten 10 Jahren um 250 Prozent, der Preis für Fleisch stieg
im selben Zeitraum um 12 Prozent. Dadurch ergeben sich ein erheblicher
fischereilicher Druck auf die Bestände und ein Anreiz, sie illegal auszubeuten.

Zusätzlich zum legalen, weitgehend kontrollierten Fischfang ist der illegale,
unkontrollierte Fischfang zu zählen. Nach einer WWF-Studie erbringt allein der
illegale Fischfang in der Hochsee 1 Mrd. Euro. Bei einigen Fischbeständen sei
etwa ein Drittel des Fischfangs illegal. Nach Aussagen z. B. von Dr. Gerd
Hubold, Leiter der Bundesforschungsanstalt für Fischerei, nimmt der illegale

Fischfang weiter zu. Alle Anstrengungen durch Bewirtschaftungspläne für die
verschiedenen Fischbestände und die Zuweisung von Fischereiquoten, eine
nachhaltige Bewirtschaftung der Fischbestände zu organisieren und den Wieder-
aufbau überfischter Bestände zu erzielen, werden in besonderem Maße durch
den illegalen Fischfang unterlaufen.

Der illegale Fischfang (IUU/Illegal Unreported and Unregulated fishing) hat in
den vergangenen Jahren weltweit in den verschiedensten Bestandsregionen ein

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besorgniserregendes Ausmaß angenommen. Ein Beispiel für Überfischung
durch illegalen Fischfang ist der Schwarze Seehecht, der in vielen Fanggebieten
des Südpolarmeeres bereits stark gefährdet ist. Nach Angaben der Kommission
zur Erhaltung der lebenden Meeresschätze der Antarktis (CCAMLR) lag die
illegale Fangmenge für den Schwarzen Seehecht in den letzten Jahren zwölf mal
höher als die genehmigte Fangmenge. Weitere Fischarten, die durch illegalen
Fischfang bedroht sind, sind der Südliche Rote Thun, eine Fischart, die am Rand
des Südpolarmeeres gefangen wird, sowie der Blauflossenthunfisch des Mittel-
meeres.

Sowohl der westliche als auch der östliche Dorschbestand in der Ostsee weisen
eine verringerte Reproduktion auf. Managementmaßnahmen wie Quotenredu-
zierung, Beschränkung der Fangtage und saisonale Schließungen sollen den
Erhalt der Ressource sicherstellen. Die festgelegten Dorschfangquoten für
2007 entsprechen nicht den wissenschaftlichen Empfehlungen des Internatio-
nal Council for the Exploration of the Sea (ICES). Die illegale Fischerei unter-
wandert die derzeit unternommenen Managementbemühungen, und eine Ein-
haltung der Maßnahmen war in der Vergangenheit nur schwer durchsetzbar.
Die illegale Nutzung eines Fischbestandes (Überfischung der Quoten) wie bei-
spielsweise des Dorschs in der östlichen Ostsee führt zu immer weiter reduzier-
ten Quoten für die legale Fischerei. Nach dem aktuellen ICES-Bericht 2006
sind die legalen Anlandungen des Dorsches in der östlichen Ostsee von ca.
66 000 t im Jahr 2000 kontinuierlich auf ca. 40 000 t in 2005 abgesunken. In
diesem Zeitraum betrugen nach ICES-Angaben die geschätzten Dorsch-
Schwarzanlandungen jährlich etwa 25 Prozent der legalen Anlandungen. Den
deutschen Fischern stehen nach der Absenkung der Dorschquote in 2007 in der
westlichen Ostsee um 6 Prozent und in der östlichen Ostsee um 10 Prozent eine
Quote von 9 425 t zur Verfügung. In der dänischen Zeitung „Fiskeri Tidende“
vom 3. August 2006 wird berichtet, dass die polnische Dorschquote im Jahr
2004 für die Ostsee 16 000 t betragen habe, im selben Jahr jedoch Dorschpro-
dukte in einer Menge von 52 000 t exportiert wurden, somit eine deutliche
Überfischung vorgelegen habe. Sowohl der EU-Kommission wie auch den pol-
nischen Behörden sei die Überfischung bekannt.

Verstöße gegen die Gemeinsame Fischerei Politik der EU werden seit Jahren zu-
nehmend schwächer geahndet. Die Höhe der verhängten Bußgelder in 2004 lag
im Durchschnitt um 50 Prozent niedriger als noch in 2003. Nach Aussage der
Europäischen Kommission ist die Höhe der bei illegalem Fischfang verhängten
Bußgelder in einigen Mitgliedsländern so gering, dass sie von den Fischern oft-
mals von vornherein als Betriebskosten einkalkuliert werden. Die ausgesproche-
nen Strafen bei Verstößen variieren im Vergleich der EU-Mitgliedsländer recht
stark. Allein für 2004 wurden nach Angabe der Kommission durch die Mit-
gliedsländer 9 660 schwere Verstöße gegen die Gemeinsame Fischereipolitik
dokumentiert. Illegale Fischerei ist für ihre Betreiber sehr profitabel und es ist
unwahrscheinlich, dass ihr in naher Zukunft Einhalt geboten werden kann ohne
eine Verbesserung der bestehenden Kontrollmechanismen durchzuführen.

Die Fischereikommission für den Nordostatlantik (NEAFC), Mitglieder sind
die EU, Dänemark (für die Färöer und Grönland), Island, Norwegen und die
Russische Konföderation, hat ab Mai 2007 eine Hafenkontrollregelung be-
schlossen, um die illegale Fischerei zu erschweren. Ausländische Fischerei-
fahrzeuge dürfen zukünftig gefrorene Fischereierzeugnisse nur dann in Häfen
von NEAFC-Mitgliedern anlanden, wenn der Flaggenstaat dem Hafenstaat
hierfür die Erlaubnis erteilt hat. Auch die vom Hafenstaat durchzuführenden
Inspektionen im Fischereibereich sollen künftig intensiver durchgeführt wer-
den als bisher.
Verschiedene Einzelstaaten wie z. B. Norwegen führen Schwarze Listen, auf de-
nen Fischereifahrzeuge gelistet werden, die wiederholt durch Verstöße und ille-

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gale Fischerei aufgefallen sind. Diese Schwarzen Listen werden publiziert und
helfen hierdurch, die illegalen Aktivitäten oder den Absatz illegal gefangenen
Fischs zu unterbinden.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Bedeutung misst die Bundesregierung der Bekämpfung der illega-
len, nicht gemeldeten und unregulierten Fischerei (IUU) weltweit bei und
welche internationalen Initiativen zur Eindämmung der illegalen Fischerei
hat die Bundesregierung unterstützt und welche eigenen Initiativen hat sie
ergriffen?

2. Welchen Erfolg hat der internationale Aktionsplan zur Verhinderung der
illegalen Fischerei gehabt, den die FAO in 2001 im Rahmen des Verhaltens-
kodex für verantwortungsvolle Fischerei angenommen hat?

3. Wie bewertet die Bundesregierung die Möglichkeit, den illegalen Fischfang
in den Gewässern der EU in den kommenden Jahren wirksam zu bekämpfen
und worauf gründet sie ihre Einschätzung?

4. Welchen Erfolg hat der 2002 von der EU-Kommission verabschiedete „Ak-
tionsplan zur Bekämpfung der illegalen, nicht gemeldeten und unreglemen-
tierten Fischerei“ bei der Bekämpfung der illegalen Fischerei bisher gehabt,
und wie bewertet die Bundesregierung die einzelnen Maßnahmen?

5. Welche Maßnahmen wurden konsequent durchgeführt und welche haben
Erfolge erzielt, und wie bewertet die Bundesregierung gegebenenfalls die
Erfolge?

6. Wie bewertet die Bundesregierung die Tatsache, dass auf EU-Ebene Maß-
nahmen gegen die illegale Fischerei beschlossen werden, Verstöße gegen
die gemeinsame Fischereipolitik jedoch weiter zunehmen und zunehmend
geringer geahndet werden?

7. Wird die Bundesregierung auf eine Harmonisierung der Bußgeldkataloge
im Bereich des illegalen Fischfangs in der EU hinwirken, um die gemein-
same EU-Fischerei-Politik voranzutreiben?

8. Wie beurteilt die Bundesregierung die Erfolgsaussichten der von der
NEAFC verabschiedeten Hafenkontrollregelung, mit der ab Mai 2007 der
illegale Fischfang im Nordostatlantik eingeschränkt werden soll, und wel-
che Maßnahmen werden zur Umsetzung der Hafenkontrollregelung in den
deutschen Häfen getroffen?

9. Wie beurteilt die Bundesregierung das Instrument des Entzugs von Fische-
reilizenzen bei nachgewiesener illegaler Fischereitätigkeit auf deutscher
und auf EU-Ebene und in welcher Weise ist dies rechtlich durchsetzbar?

10. Wie steht die Bundesregierung zu Schwarzen Listen auf denen Fischerei-
fahrzeuge gelistet werden, die wiederholt durch Verstöße und illegale
Fischerei aufgefallen sind, und welche Bestrebungen gibt es, Informationen
über deutsche oder europäische Fischereifahrzeuge mit illegalen Aktivitäten
zu veröffentlichen?

11. Welche Bestrebungen verfolgt die Bundesregierung bezüglich eines Rück-
verfolgbarkeitssystems für Fisch (z. B. Dorsch und Barentssee-Kabeljau),
um Industrie und Verbraucher über die legale Herkunft von Fischprodukten
zu informieren?

12. Wie bewertet die Bundesregierung das Instrument der Zertifizierung von
Fisch zur Information über die Nachhaltigkeit des Fischfangs?

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13. Welche weiteren Fisch-Zertifikate außer dem vom WWF und Wirtschafts-
verbänden gegründeten Siegel des Marine Stewardship Council (MSC) sind
auf dem Markt, und welche Organisationen sind Zertifikatgeber?

14. In welcher Weise ist in der EU sichergestellt, dass die Teile der Fischindus-
trie (beispielsweise Fischereifahrzeuge, Häfen, Kühlhäuser, Verarbeitungs-
anlagen), die in illegale Fischereiaktivitäten direkt involviert sind oder da-
von profitieren, nicht mit öffentlichen Geldern gefördert werden?

15. Welche Kenntnisse zur Entwicklung des illegalen Fischfangs in der Ostsee
in den letzten 5 Jahren hinsichtlich Menge und Fischart liegen der Bundes-
regierung vor und welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung daraus?

16. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass der Dorsch als Fischart
der Ostsee in seinem Bestand nicht bedroht ist, eine weitere Verkleinerung
seines Bestandes die Wirtschaftlichkeit der Dorschfischerei in der Ostsee
und damit die Existenz der Dorschfischer gefährdet, und wenn nein, warum
nicht?

17. Wie bewertet die Bundesregierung die Tatsache, dass die letzte Minderung
der Dorschquote verglichen mit den Fangergebnissen der illegalen Fischerei
in den Vorjahren mehr als kompensiert wird, legal arbeitende Fischer somit
auf Grund des illegalen Fischfangs erhebliche wirtschaftliche Einbußen hin-
nehmen müssen?

18. In welcher Weise wird die Bundesregierung in der Ostsee auf die Eindäm-
mung der illegalen Fischerei hinwirken, um die nachhaltige Bewirtschaf-
tung der Bestände sicherzustellen und weitere wirtschaftliche Einbußen für
deutsche Fischer abzuwenden?

19. Wie bewertet die Bundesregierung die wirtschaftlichen Auswirkungen der
illegalen Dorschfischerei in der Ostsee für die deutschen Fischer?

20. Wie will die Bundesregierung sicherstellen, dass die ergriffenen Manage-
mentmaßnahmen zum Erhalt der Dorschbestände in der Ostsee eingehalten
werden und zu einem erneuten Aufbau der Bestände führen?

Berlin, den 31. Januar 2007

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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