BT-Drucksache 16/4059

Telekommunikationsmärkte in Entwicklungsländern liberalisieren - Die digitale Spaltung überwinden

Vom 17. Januar 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/4059
16. Wahlperiode 17. 01. 2007

Antrag
der Abgeordneten Dr. Karl Addicks, Hellmut Königshaus, Jens Ackermann,
Christian Ahrendt, Daniel Bahr (Münster), Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst,
Ernst Burgbacher, Patrick Döring, Jörg van Essen, Otto Fricke, Horst Friedrich
(Bayreuth), Dr. Edmund Peter Geisen, Hans-Michael Goldmann, Joachim Günther
(Plauen), Heinz-Peter Haustein, Elke Hoff, Dr. Werner Hoyer, Michael Kauch,
Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp, Heinz Lanfermann, Harald Leibrecht,
Michael Link (Heilbronn), Markus Löning, Horst Meierhofer, Jan Mücke, Burkhardt
Müller-Sönksen, Dirk Niebel, Detlef Parr, Cornelia Pieper, Jörg Rohde, Frank
Schäffler, Marina Schuster, Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Max Stadler, Carl-Ludwig
Thiele, Florian Toncar, Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker Wissing, Hartfrid Wolff
(Rems-Murr), Martin Zeil, Dr. Guido Westerwelle und der Fraktion der FDP

Telekommunikationsmärkte in Entwicklungsländern liberalisieren
– Die digitale Spaltung überwinden

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Moderne Kommunikationstechnologien ermöglichen es in einer globalen Ge-
sellschaft, miteinander zu kommunizieren und an wirtschaftlicher Entwicklung
und Wohlstand teil zu nehmen. Seitdem Internet und andere neue Technologien
sich in den Industrieländern rasant ausgebreitet haben, gibt es eine Diskussion
darüber, wie die Länder der sich entwickelnden Welt an den Vorteilen dieser
Entwicklung teilnehmen können. Denn Information ist ein wichtiges und macht-
volles Instrument ökonomischer und sozialer Entwicklung. Dies wird zuneh-
mend auch als eine wichtige Aufgabe von Entwicklungspolitik gesehen. Die
Vereinten Nationen haben daher bereits in den Jahren 2003 und 2005 auf den
Weltgipfeln über die Informationsgesellschaft (WSIS) in Genf und Tunis die
Überwindung der digitalen Spaltung als ein vorrangiges Ziel, insbesondere in
Entwicklungsländern, herausgestellt. Dabei ist Afrika von der digitalen Spal-
tung besonders stark betroffen, denn nur 3 Prozent der Bevölkerung verfügt über
einen Festnetzanschluss, 6,1 Prozent über einen Mobiltelefonanschluss und we-
niger als 1 Prozent der Online-Inhalte im Internet sind afrikanischen Ursprungs.
Während es in Afrika in den vergangenen Jahrzehnten kaum Entwicklung im
Bereich der Telekommunikation und Informations- und Kommunikationstech-

nologien gab, hat sich aber seit der Jahrtausendwende ein Entwicklungsprozess
in Gang gesetzt. Im Rahmen des „WSIS-Prozesses“ wird jedoch hauptsächlich
an die Förderung von Festnetztelefonie und Internetzugängen gedacht.

Ein entscheidender Aspekt ist die Frage der Finanzierung des Zugangs zum
weltweiten Internet. Bereits im Januar 2005 wurde folglich auf Initiative der
Schweiz und Republik Senegal ein freiwilliger Weltfonds für Digitale Solida-

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rität ins Leben gerufen. Er beruht auf dem freiwilligen Engagement öffentlicher
und privater Einrichtungen und ihrem Beschluss, einen neuen Finanzierungs-
mechanismus für die Entwicklung einzurichten. Die Finanzierung des Fonds
erfolgt durch eine „digitale Solidaritätsabgabe“ in Höhe von 1 Prozent der
Gewinne, von in Entwicklungsländern tätigen Telekommunikationsunterneh-
men erreicht werden. Diese Art der Finanzierung bestraft jedoch ausgerechnet
die Firmen, die in die Telekominfrastruktur der Entwicklungsländer investieren.
Zusätzlich stellt sich die Erhebung dieser freiwilligen „digitalen Solidaritäts-
abgabe“ als problematisch dar, insbesondere die Verwaltung und Weiterleitung
der eingezogenen Beträge dürfte hierbei zu einem unverhältnismäßigen büro-
kratischen Aufwand führen.

Die globale Informationsgesellschaft und der Zugang zu Wissen sind entschei-
dende Entwicklungsfaktoren. Neben dem Internet bietet der Mobilfunk eine
gute Möglichkeit, an der globalen Informationsgesellschaft teilzunehmen und
einen Weg, die digitale Spaltung zu überwinden. Für die Förderung des Mobil-
funks spricht die beispielsweise häufig unzuverlässige Stromversorgung, weit-
verbreiteter Analphabetismus gerade in den ärmeren Regionen der Entwick-
lungsländer und die unverhältnismäßig hohen Kosten für die technische Ausrüs-
tung. Speziell für die Märkte der Dritten Welt werden von einigen Anbietern
zurzeit besonders kostengünstige Geräte entwickelt und auch spezielle Abrech-
nungsmethoden für ärmere Länder angeboten.

Gerade für abgelegene Landgemeinden liegen die Vorteile des Mobilfunks auf
der Hand: die Vermarktung von Agrarprodukten per Telefon ist wesentlich
lukrativer als das Anbieten bereits geernteter Früchte. Kleinbauern können sich
untereinander abstimmen und verhandeln per Telefon mit den Abnehmern über
Menge und Preis ihrer Waren, um nicht mehr kleine Mengen einzeln zum Markt
tragen zu müssen. Aber auch in anderen Wirtschaftsbereichen kann der Mobil-
funk viele Erwebsquellen optimieren. Beispielsweise können Taxifahrer Handy-
nummern angeben, die dann bei Bedarf von den Passagieren angerufen werden
können. Restaurants und Garküchen können so Bestellungen per Handy anneh-
men und auch an die Kunden ausliefern. Die Verbreitung von Mobiltelefonen
und der damit verbundenen Möglichkeit auch ins Internet zu gehen, kann so eine
Infrastruktur schaffen, die, wie Untersuchungen zeigen ein stärkeres Wirt-
schaftswachstum ermöglicht und so ein sinnvolles Instrument zur Armuts-
bekämpfung darstellt.

Das größte Hindernis bei der Verbreitung mobiler Telefone sind nicht man-
gelnde Mittel der Bevölkerung sondern mangelnde Möglichkeiten der Anbieter.
In zu vielen Ländern bestehen noch staatliche oder andere Telekom-Monopole,
die einen Wettbewerb der Anbieter zu Gunsten der Kunden verhindern. Die
Monopole begünstigen Korruption und behindern die Ausbreitung mobiler
Telefone. Der Aufbau von Mobilfunknetzen wird in freien Märkten von den
Anbietern finanziert und erfordert daher keine staatlichen Zuschüsse. Die Auf-
gabe der Entwicklungspolitik liegt vielmehr in der Beratung von Regierungen
beim Abbau von Hindernissen für den Aufbau einer modernen Telekominfra-
struktur.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

– sich in der UN und der EU dafür einzusetzen, dass bei der Überwindung der
digitalen Spaltung auch auf die Entwicklung von Mobilfunknetzen gesetzt
wird;

– jede Form von Finanzierung, die durch Steuern von den Firmen erfolgt, die
in Entwicklungsländern in Telekominfrastruktur investieren, abzulehnen;

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/4059

– in ihrer Außenwirtschaftsförderung die Entwicklung von Mobilfunkmärkten
zu unterstützen, in denen mehrere Firmen zum Vorteil der Kunden im Wett-
bewerb miteinander stehen;

– den Regierungen in Entwicklungsländern aufgrund der deutschen Erfahrung
bei der Deregulierung der Telekom Beratung anzubieten.

Berlin, den 17. Januar 2007

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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