BT-Drucksache 16/3862

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung -16/508, 16/3813- Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes vor Fluglärm in der Umgebung von Flugplätzen

Vom 13. Dezember 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/3862
16. Wahlperiode 13. 12. 2006

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Michael Kauch, Jan Mücke, Horst Friedrich (Bayreuth),
Angelika Brunkhorst, Horst Meierhofer, Christian Ahrendt, Daniel Bahr (Münster),
Uwe Barth, Rainer Brüderle, Ernst Burgbacher, Patrick Döring, Mechthild
Dyckmans, Jörg van Essen, Ulrike Flach, Otto Fricke, Dr. Edmund Peter Geisen,
Hans-Michael Goldmann, Miriam Gruß, Joachim Günther (Plauen), Heinz-Peter
Haustein, Elke Hoff, Birgit Homburger, Dr. Werner Hoyer, Hellmut Königshaus,
Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin, Heinz Lanfermann, Sibylle
Laurischk, Harald Leibrecht, Ina Lenke, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger,
Patrick Meinhardt, Burkhardt Müller-Sönksen, Detlef Parr, Cornelia Pieper, Jörg
Rohde, Frank Schäffler, Marina Schuster, Dr. Max Stadler, Carl-Ludwig Thiele,
Florian Toncar, Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker Wissing, Hartfrid Wolff (Rems-
Murr), Martin Zeil, Dr. Guido Westerwelle und der Fraktion der FDP

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 16/508, 16/3813 –

Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes vor Fluglärm in der
Umgebung von Flugplätzen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Das derzeit noch geltende Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm (FluglärmG) aus
dem Jahr 1971 ist unzureichend. Seine Grenzwerte entsprechen nicht mehr den
heutigen Erkenntnissen der Lärmwirkungsforschung. Es bietet weder einen aus-
reichenden Gesundheitsschutz für die Flughafenanwohner noch eine angemes-
sene Steuerung der Siedlungsentwicklung im Flughafenumland. Auch für die
Betreiber deutscher Flughäfen ist die aktuelle Gesetzeslage unbefriedigend, da
die notwendige Rechtssicherheit nicht mehr gegeben ist. Auflagen in Betriebs-
genehmigungen und Richterrecht schließen derzeit die gesetzlichen Lücken je-
weils im Einzelfall. Eine Novellierung des FluglärmG ist damit überfällig.
Bereits in den letzten beiden Wahlperioden hatte die damalige Bundesregierung
wiederholt angekündigt, ein neues Fluglärmgesetz auf den Weg zu bringen. Erst
jetzt hat die Bundesregierung endlich einen Gesetzentwurf vorgelegt, der die
Anwohnerinnen und Anwohner von Flugplätzen wirksamer schützen und den
Flughafenbetreibern die benötigte Rechtssicherheit zurückgeben soll. In der Ge-
samtwürdigung des Gesetzentwurfs ist festzuhalten, dass die nun gefundenen

Drucksache 16/3862 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Regelungen durch neue, niedrigere Schutzzonen-Grenzwerte eine Verbesserung
der aktuellen, unzureichenden Rechtslage darstellen. Die Grenzwerte für die Er-
stattung von Schallschutz, die sich auf die zivilen Flugplätze beziehen, stellen
einen angemessenen Ausgleich zwischen den Interessenlagen der betroffenen
Anwohner, der Nutzer des Flugverkehrs, der Luftfahrtgesellschaften und den
Flughafenbetreibern dar. Die internationale Wettbewerbssituation der deutschen
Flughäfen ist im ausreichenden Maße berücksichtigt worden.

Mit der Einführung von Nachtschutzzonen konnte eine Verbesserung des Schut-
zes der Nachtruhe erreicht werden. Dabei werden künftig insbesondere nächt-
liche Einzelschallereignisse verstärkt berücksichtigt. Der Anwendungsbereich
wird über die geltende Regelung hinaus maßvoll auf Verkehrslandeplätze ausge-
weitet. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass mit der nun erfolgten Er-
gänzung in § 4 Abs. 1 Nr. 1, wonach der Lärmschutzbereich nur für Verkehrs-
flughäfen mit Fluglinien- oder Pauschalverkehr festzusetzen ist, der Anwen-
dungsbereich ohne Not eingegrenzt wurde. Die Vorschriften zur Erstattung von
Aufwendungen für bauliche Schallschutzmaßnahmen wurden im Laufe des
Gesetzgebungsverfahrens deutlich kürzer und unbürokratischer formuliert.
Begrüßenswert ist zudem, dass mit dem geänderten Gesetzentwurf auch Pla-
nungs- und Rechtssicherheit bei Planfeststellungsverfahren und bei der luftver-
kehrsrechtlichen Genehmigung geschaffen werden. Die Regelungen des neuen
Fluglärmschutzgesetzes werden im luftverkehrsrechtlichen Zulassungsverfah-
ren berücksichtigt. Die Vorschriften des Luftverkehrsgesetzes werden an die
Ziele des Fluglärmschutzgesetzes angepasst. Auslegungs- und Abgrenzungs-
probleme werden damit vermieden. Bereits festgesetzte strengere Auflagen be-
halten grundsätzlich auch nach der Novellierung ihre Gültigkeit.

Der Schutz von Anwohnerinnen und Anwohnern an Militärflughäfen ist dage-
gen im Gesetzentwurf unzureichend geregelt. Die Grenzwerte genügen den An-
forderungen des Gesundheitsschutzes eindeutig nicht. Mit einer generellen Er-
höhung der Grenzwerte von 3 dB(A) gegenüber zivilen Flugplätzen und damit
Werten von bis zu 68 dB(A) werden die Anwohner zum Teil einer Lärmbelas-
tung ausgesetzt, die in der Lärmwirkungsforschung bereits als Gesundheits-
gefährdung anerkannt ist. Eine Differenzierung zwischen zivil und militärisch
erzeugtem Lärm, die in Folge die Anwohner von militärischen Flugplätzen
schlechter stellt, ist aus Gründen des Gesundheitsschutzes nicht sachgemäß.
Eine solche Ungleichbehandlung ist abzulehnen. An militärischen Flughäfen
müssen die gleichen Lärmschutzregelungen gelten wie an zivilen Flughäfen. Für
die Gesundheit der Anwohner macht es keinen Unterschied, ob der Lärm von
militärischen oder zivilen Flugzeugen verursacht wird. Sachverständige haben
in der Anhörung zum Gesetzentwurf vor dem Deutschen Bundestag am 5. April
2006 bestätigt, es gibt keine wissenschaftlichen Hinweise, die belegen, dass
militärischer Fluglärm weniger belastend wirkt als ziviler Fluglärm. Die Sach-
verständigen haben klar zum Ausdruck gebracht, eine generelle Erhöhung der
Grenzwerte für militärischen Fluglärm um 3 dB(A) sei aus Sicht der Lärm-
wirkungsforschung abzulehnen. Insbesondere seien die Grenzwerte für die
Tag- Schutzzonen 1 aus Gründen des Gesundheitsschutzes nicht akzeptabel. Die
unterschiedliche Behandlung ist auch nicht dadurch zu begründen, dass sich Art
und Umfang zivilen und militärischen Flugbetriebes unterscheiden. Militäri-
scher Fluglärm wird bestimmt durch hohe Spitzenpegel, hohe Anstiegsein-
heiten, gehörkritische Frequenzsetzungen, häufigere Pegelnachschwankungen.
Daraus jedoch die Folgerung zu ziehen, das Schutzniveau an militärischen
Flughäfen geringer anzusetzen, ist unzulässig. Denn militärischer Fluglärm ist
im Vergleich zum zivilen Fluglärm dadurch gekennzeichnet, dass weniger
Lärmereignisse innerhalb eines Betrachtungszeitraumes auftreten, diese jedoch
schneller anschwellen und vor allem wesentlich lauter und damit störender sind

als Lärmereignisse ziviler Flugzeuge. Auch das ist ein Ergebnis der Anhörung
vor dem Deutschen Bundestag.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/3862

Die Neuregelung des in § 5 geregelten Bauverbotes ist nur zum Teil befriedi-
gend gelöst. Die Ausnahmeregelungen zum Bauverbot von Wohnungen in der
Tag-Schutzzone 1 und in der Nacht-Schutzzone wurden zwar im Laufe des Ge-
setzgebungsverfahrens in einigen Punkten zurückgenommen. Allerdings fehlt
der Regelung weiterhin eine klarstellende Formulierung, die die Belange von
schutzbedürftigen Einrichtungen angemessen berücksichtigt. § 5 Abs. 1 erlaubt
nun ausdrücklich Ausnahmen zum Errichtungsverbot von schutzbedürftigen
Einrichtungen in einem Lärmschutzbereich, wenn dies zur Versorgung der Be-
völkerung mit öffentlichen Einrichtungen oder sonst im öffentlichen Interesse
dringend geboten ist. Diese Zulassung von Ausnahmen ist notwendig und daher
grundsätzlich zu begrüßen. Da diese Entscheidung allerdings in das Ermessen
der Behörde gestellt wird, ist zumindest nicht auszuschließen, dass dies im Ein-
zelfall zu Unbilligkeiten und Unsicherheiten auf Seiten der Betreiber solcher
Einrichtungen führen kann. So erfordert beispielsweise die Erfüllung sozial-
rechtlicher Vorschriften im Bereich von Altenheimen innerhalb der nächsten
Jahre in einer Vielzahl von Fällen eine bauliche Erweiterung. Eine „Kann-Rege-
lung“ wird diesem Umstand nur bedingt gerecht. Aus Gesichtspunkten des
Bestandsschutzes und der Rechtssicherheit wäre an dieser Stelle eine verbind-
lichere Regelung wünschenswert gewesen – auch im Interesse von Arbeitsplät-
zen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf:

1. Die Ungleichbehandlung von Anwohnerinnen und Anwohnern von militäri-
schen Flugplätzen gegenüber denen von zivilen Flugplätzen im Rahmen ei-
ner weiteren Gesetzesnovelle sind vollständig aufzuheben. Die Grenzwerte
sowohl für bestehende als auch neue oder wesentlich baulich erweiterte zivile
Flugplätze sollen auch für militärische Flugplätze gelten. Die gesetzlichen
Regelungen bei der Erstattung von Aufwendungen für bauliche Schallschutz-
maßnahmen und bei Entschädigungen für Beeinträchtigungen des Außen-
wohnbereichs sollen dahin gehend geändert werden, dass bei der Anwendung
nicht mehr zwischen zivilen und militärischen Flugplätzen unterschieden
wird.

2. Die Vorschriften zum Bauverbot sind im Sinne des Bestandsschutzes beste-
hender schutzbedürftiger Einrichtungen mit der Maßgabe zu ergänzen, dass
eine Ausnahme für bauliche Erweiterungen bestehender Einrichtungen zur
Erfüllung sonstiger öffentlich-rechtlicher Vorschriften zuzulassen ist („Muss-
Bestimmung“ statt „Kann-Bestimmung“).

3. Die Festsetzung von Lärmschutzbereichen sind für alle Verkehrsflughäfen
vorzuschreiben. Die Beschränkung auf solche mit Fluglinien- oder Pauschal-
flugreiseverkehr ist aufzuheben.

4. Die untergesetzlichen Regelungen, insbesondere der „Verordnung über bau-
liche Schallschutzanforderungen nach dem Gesetz zum Schutz gegen Flug-
lärm“ vom 5. April 1974 (BGBl. S. 903), sind an das novellierte Fluglärm-
schutzgesetz unverzüglich anzupassen.

Berlin, den 12. Dezember 2006

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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