BT-Drucksache 16/3749

IT-Gipfel der Bundesregierung am 18. Dezember und Programm Informationsgesellschaft Deutschland 2010 (iD2010)

Vom 5. Dezember 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/3749
16. Wahlperiode 05. 12. 2006

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Grietje Bettin, Ekin Deligöz, Kai Gehring,
Katrin Göring-Eckardt, Britta Haßelmann, Priska Hinz (Herborn),
Bärbel Höhn, Krista Sager, Silke Stokar von Neuforn, Josef Philip Winkler
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

IT-Gipfel der Bundesregierung am 18. Dezember und Programm
Informationsgesellschaft Deutschland 2010 (iD2010)

Am 18. Dezember 2006 findet der IT-Gipfel der Bundesregierung im Hasso-
Plattner Institut in Potsdam statt. Der Gipfel soll laut Bundesregierung Arbeits-
und Diskussionsforum für Wirtschaft, Wissenschaft und Politik sein. Die Quali-
tät des IT-Standorts Deutschland soll im internationalen Wettbewerb verbessert
werden. Die Bundesregierung will mit einer einheitlichen Strategie den weite-
ren Ausbau der Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands bei den Informations- und
Kommunikationstechnologien forcieren. Dies hat sie auch in ihrem im Novem-
ber 2006 vorgelegten Programm „iD2010 Informationsgesellschaft Deutsch-
land 2010“, in dem die verschiedenen programmatischen Maßnahmen der Bun-
desregierung in den Bereichen IKT und Neue Medien zusammengefasst
werden, deutlich gemacht.

Die Bundesregierung war durch das Bundeswirtschaftsministerium am UN-
Weltgipfel Informationsgesellschaft 2003 (WSIS) in Genf und 2005 in Tunis
beteiligt. Sie hat die Schlusserklärungen beider Gipfel mit erarbeitet und ver-
abschiedet. In Genf und Tunis wurde insbesondere die Absicht erklärt, eine
menschenorientierte, inklusive Informationsgesellschaft aufzubauen, die Men-
schenrechte sichert, die Teilhabe aller ermöglicht und sich nicht auf die
Förderung von Informations- und Kommunikationstechnologien als Wirt-
schafts- und Wachstumsfaktoren beschränkt. Vielmehr sollen Informations-
und Kommunikationstechnologien als Werkzeuge eingesetzt werden, eine In-
formationsgesellschaft aufzubauen, in der alle Zugang zu Informationen und
Wissen haben und damit ihre Möglichkeiten voll ausschöpfen und zur nachhal-
tigen Entwicklung beitragen können. Ein weiteres Ergebnis der beiden Gipfel
war die Erklärung, den privaten Sektor und die Zivilgesellschaft in den Aufbau
einer solchen Informationsgesellschaft systematisch mit einzubeziehen und da-
mit den erfolgreichen Multistakeholderansatz der beiden Gipfel fortzusetzen.
Im Prozess zur Vorbereitung des UN-Weltgipfels Informationsgesellschaft und
zum UN-Internet Governance Forum (IGF) im November 2006 in Athen hat

sich die Bundesregierung für das Multistakeholdermodell eingesetzt und im
Zusammenhang mit dem IGF begrüßt, dass den Vertreterinnen und Vertretern
von Wirtschaft und Zivilgesellschaft eine direkte und vollständig gleichberech-
tigte Mitwirkung ermöglicht wird (s. a. Bundestagsdrucksache 16/3231).

Drucksache 16/3749 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Presseberichten und Informationen aus dem Bundesministerium für Wirtschaft
und Technologie (BMWi) kann entnommen werden, dass beim anstehenden
nationalen IT-Gipfel fast ausschließlich Wirtschaftsunternehmen teilnehmen.
Weder Parlament noch zivilgesellschaftliche Gruppen sind in die Vorbereitun-
gen zum Gipfel eingebunden oder zum Gipfel selbst eingeladen worden. Der in
Genf und Tunis mit befürwortete Multistakeholderansatz findet auf dem IT-
Gipfel keine Berücksichtigung.

Die Bundesregierung verweist im Programm iD2010 darauf, dass die Infor-
mations- und Kommunikationstechnologien einen Schwerpunkt der neuen,
integrierten Innovationspolitik der Bundesregierung bilden. Eine erfolgreiche
IKT-Politik verbinde Aspekte der Innovations- und Wettbewerbspolitik mit
Elementen der Verwaltungsmodernisierung und gesellschaftlichen Teilhabe zu
einer einheitlichen Strategie.

Der in Genf und Tunis mit befürwortete Multistakeholderansatz findet auch im
Programm iD2010 keine Berücksichtigung.

Auf eine mündliche Frage der Abgeordneten Grietje Bettin vom 8. November
2006, wie der gesellschaftliche Aspekt der Informationsgesellschaft im Pro-
gramm iD2010 berücksichtigt würde, antwortete Bundeswirtschaftsminister
Michael Glos, man wolle in allererster Linie die immer stärker nach vorne
drängende neue Technologie in einen vernünftigen Rechtsrahmen stellen, die
Vernetzung fördern und damit vor allen Dingen neue Nutzerkreise und Arbeits-
plätze in der IuK-Technologie erschließen (Plenarprotokoll 16/62, S. 6056 A).

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wer wird am IT-Gipfel der Bundesregierung am 18. Dezember 2006 teilneh-
men, und unter welchem Aspekt wurden die Teilnehmerinnen und Teilneh-
mer eingeladen?

2. Welche Ministerien und welche Akteure und Organisationen außerhalb der
Bundesregierung waren an den Vorbereitungen zum IT-Gipfel beteiligt?

3. Ist der Bundesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit in die
Vorbereitungen zum IT-Gipfel einbezogen worden?

4. Mit welcher Begründung wird die Zivilgesellschaft beim nationalen IT-Gip-
fel nicht einbezogen, obwohl die Bundesregierung die WSIS-Erklärungen
mit verabschiedet hat, die Einbeziehung der Zivilgesellschaft bei Fragen der
Förderung der Informationsgesellschaft als wichtig erachtet und den Ein-
beziehungsprozess im Rahmen von WSIS und des Internet Governance
Forums (IGF) als positiv bewertet hat?

5. Inwieweit wurden Vertreterinnen und Vertreter von KMU in die Vorberei-
tungen des IT-Gipfels einbezogen und zum Gipfel selber eingeladen vor
dem Hintergrund, dass die Bundesregierung ihr Programm iD2010 als Teil
der nationalen Umsetzung der Lissabon-Strategie der EU benennt und es ein
Schwerpunkt der Strategie ist, kleine und mittlere Unternehmen (KMU) zu
fördern, wie es auch der deutsche Umsetzungsbericht zur Lissabon-Strategie
vom Herbst 2006 bekräftigt?

6. Welche Ergebnisse erhofft sich die Bundesregierung vom IT-Gipfel?

7. Wie, und an welcher Stelle sollen die Ergebnisse des IT-Gipfels in die wei-
tere Entwicklung der nationalen Strategie zur Informationsgesellschaft
Deutschland einfließen?

8. Kann die Bundesregierung erklären, wie und an welcher Stelle sie die
Gipfelerklärungen aus Genf und Tunis sowie die Ergebnisse aus Athen natio-

nal umsetzen möchte?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/3749

9. Ist von der Bundesregierung in nächster Zukunft ein weiteres Programm
zur Informationsgesellschaft zu erwarten, das die auf den Weltgipfeln
(WSIS) vereinbarten Ziele und Programme auf nationaler Ebene umsetzt
und insbesondere auf die gesellschaftlichen und menschlichen Aspekte der
Informationsgesellschaft eingeht?

Wie soll dabei der Multistakeholder-Ansatz umgesetzt werden?

10. Was versteht die Bundesregierung unter dem Begriff „menschen-zen-
trierte, inklusive und Entwicklungs-orientierte Informationsgesellschaft“,
der in der Prinzipiendeklaration des Weltinformationsgipfels in Genf 2003
festgehalten ist?

11. Wird sich die Bundesregierung vor dem Hintergrund, dass sie im Pro-
gramm iD2010 die Zusammenarbeit auf europäischer und globaler Ebene
für die meisten Fragen der IKT-Politik als elementar anerkennt und damit
den Beschlüssen des WSIS-Gipfels folgt, in die auf dem Internet Gover-
nance Forum in Athen gegründeten „Dynamic Coalitions“ einbringen, so
wie dies Frankreich und Großbritannien bereits tun?

12. Wird sich die Bundesregierung vor dem Hintergrund, dass sie im Pro-
gramm iD2010 ankündigt, offene Standards in Wirtschaft und Verwaltung
weiter fördern zu wollen, auch in die auf dem Internet Governance Forum
in Athen entstandene „Dynamic Coalition“ zu Open Standards einbringen?

13. Plant die Bundesregierung, die im Programm iD2010 angekündigte um-
fassende Geodateninfrastruktur für Deutschland für jedermann frei zu-
gänglich zur Verfügung zu stellen, oder muss für den Zugang mit Kosten
gerechnet werden?

14. Welche Pläne hat die Bundesregierung für die Einrichtung und den Betrieb
der im Programm iD2010 genannten elektronischen Bürgerportale?

15. Ist zukünftig ein stärkeres Engagement der Bundesregierung bei den Mög-
lichkeiten der E-Partizipation und der E-Democracy zu erwarten, vor dem
Hintergrund, dass sich das E-Government-Programm der Bundesregierung
bislang vor allem als eine Möglichkeit darstellt, Behördeninformationen
online abrufbar zu machen, da die Bundesregierung im Programm iD2010
unter dem Stichwort „Integration von Bürger und Staat in die Informa-
tionsgesellschaft beschleunigen“ u. a. E-Government weiter fördern möchte
und sich auch eine der Arbeitsgruppen des IT-Gipfels mit dem Thema
E-Government befassen wird?

16. Auf welche Weise finden Aspekte des Datenschutzes und des Rechts auf
anonymen Zugangs zum Internet und dort angebotenen Diensten Berück-
sichtigung in Bezug auf die Ankündigung der Bundesregierung E-Identity-
Konzepte vorlegen und den elektronischen Personalausweis zur Online-
Authentifizierung einführen zu wollen?

Werden dies Themen sein, mit denen sich die Arbeitsgruppe „verbraucher-
freundliche Anwendungen“ auf dem IT-Gipfel befasst?

Wird sich die Bundesregierung an der beim IGF entstandenen Dynamic
Coalition on Privacy beteiligen, die unter anderem das Thema „digitales
Identitätsmanagement“ bearbeiten wird?

17. Mit welchen konkreten Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung die
digitale Integration von Jugendlichen zu fördern, wofür sie sich in ihrem
Programm iD2010, das auch Gegenstand einer Arbeitsgruppe des IT-Gip-
fels sein soll, ausspricht?

Drucksache 16/3749 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
Sind außer „Schulen ans Netz“ und „Jugend ans Netz“ weitere Projekte ge-
plant, die Jugendlichen einen kompetenten Umgang mit Medien vermitteln
helfen?

Gibt es Überlegungen, Lehrerinnen und Lehrer besser in der Medienkom-
petenzvermittlung auszubilden?

18. Wie soll das von der Bundesregierung angekündigte Ziel, Jugendliche
außerdem vor „schädlichen Medieninhalten“ zu schützen, erreicht werden?

19. In welcher Weise wird sich die Bundesregierung international gegen Spam
einsetzen, vor dem Hintergrund, dass die Bundesregierung im aktuellen
Telemediengesetz die Versendung von Spam, dessen Absender oder Be-
treff verschleiert ist, als Bußgeldtatbestand eingeführt hat, und da Spam
zumeist aus dem Ausland kommt, internationale Maßnahmen dringend ge-
boten sind?

Ist eine Teilnahme der Bundesregierung an der auf dem IGF in Athen als
„Dynamic Coalition“ gegründeten Stop-Spam Alliance geplant?

20. Werden RFID-Technologien und insbesondere der Aspekt des Datenschut-
zes und der selbst bestimmten Nutzung im Zusammenhang mit diesen
Technologien Thema eine der Arbeitsgruppen des IT-Gipfels sein, die sich
mit verbraucherfreundlichen Anwendungen befassen soll, vor dem Hinter-
grund, dass sich die Bundesregierung im Programm iD2010 für den ver-
stärkten Einsatz von RFID-Technologien ausspricht?

Wenn nein, auf welche Weise wird sich die Bundesregierung dem Aspekt
des Daten- und Verbraucherschutzes im Zusammenhang mit RFID zuwen-
den?

Berlin, den 5. Dezember 2006

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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