BT-Drucksache 16/3725

Praxistauglichkeit des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes

Vom 29. November 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/3725
16. Wahlperiode 29. 11. 2006

Große Anfrage
der Abgeordneten Mechthild Dyckmans, Jürgen Koppelin, Birgit Homburger, Jörg
Rohde, Christian Ahrendt, Daniel Bahr (Münster), Uwe Barth, Rainer Brüderle,
Angelika Brunkhorst, Ernst Burgbacher, Patrick Döring, Jörg van Essen,
Otto Fricke, Horst Friedrich (Bayreuth), Hans-Michael Goldmann, Miriam Gruß,
Joachim Günther (Plauen), Dr. Christel Happach-Kasan, Heinz-Peter Haustein,
Elke Hoff, Dr. Werner Hoyer, Michael Kauch, Hellmut Königshaus, Dr. Heinrich
L. Kolb, Gudrun Kopp, Heinz Lanfermann, Harald Leibrecht, Ina Lenke, Michael
Link (Heilbronn), Horst Meierhofer, Patrick Meinhardt, Jan Mücke, Burkhard
Müller-Sönksen, Detlef Parr, Cornelia Pieper, Gisela Piltz, Frank Schäffler,
Marina Schuster, Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Max Stadler, Dr. Rainer Stinner,
Carl-Ludwig Thiele, Florian Toncar, Christoph Waitz, Dr. Claudia Winterstein,
Dr. Volker Wissing, Hartfrid Wolff (Rems-Murr), Martin Zeil, Dr. Guido Westerwelle
und der Fraktion der FDP

Praxistauglichkeit des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes

Am 18. August 2006 ist das Gesetz zur Umsetzung Europäischer Richtlinien zur
Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung (Allgemeines Gleich-
behandlungsgesetz, AGG) in Kraft getreten. Mit dem Gesetz werden vier EU-
Antidiskriminierungs-Richtlinien in deutsches Recht umgesetzt: 2000/43/EG
zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse
oder der ethnischen Herkunft, 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000
zur Festlegung des allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der
Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf, 2002/73/EG des Europäischen
Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 zur Änderung der Richtlinie
76/207/EWG des Rates zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehand-
lung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur
Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeits-
bedingungen und 2004/113/EG des Rates vom 13. Dezember 2004 zur Verwirk-
lichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim
Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen. Das Gesetz
enthält sowohl arbeitsrechtliche Bestimmungen zum Schutz der Beschäftigten
sowie Regelungen zum Schutz vor Benachteiligungen im Zivilrechtsverkehr.

Im Gesetzgebungsverfahren wurde von verschiedenen Seiten Kritik gegen das

geplante Gesetz vorgetragen. Es gab intensive Diskussionen darüber, inwieweit
die Umsetzung der Richtlinien durch das Gesetz gelungen ist und an welchen
Stellen das Gesetz über die europarechtlichen Vorgaben hinausgeht. Die Arbeit-
geber befürchteten insbesondere weitgehende finanzielle und bürokratische Be-
lastungen. Zudem wurde befürchtet, dass die in dem Gesetz enthaltenen For-
mulierungen teilweise zur Rechtsunsicherheit führen, da sie Sachverhalte nicht

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abschließend klären und es somit den Gerichten überlassen bleibt, die Regelun-
gen zu konkretisieren.

Nachdem das Gesetz seit über drei Monaten in Kraft ist, gibt es erste Rückmel-
dungen über die Erfahrungen mit dem Gesetz in der Praxis.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Gilt die von Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel in ihrer Regierungserklä-
rung vor dem Deutschen Bundestag am 30. November 2005 gemachte Aus-
sage, „Wir haben uns vorgenommen, die EU-Richtlinien im Grundsatz nur
noch eins zu eins umzusetzen.“, weiterhin als eine Leitlinie für die Arbeit der
Bundesregierung?

Wenn ja, wieso ist die Bundesregierung bei der Umsetzung der EU-Anti-
diskriminierungs-Richtlinien von diesem Grundsatz abgewichen?

2. Teilt die Bundesregierung die Auffassung von Bundeskanzlerin Dr. Angela
Merkel: „Die Antidiskriminierungs-Richtlinie ist ein absoluter Jobkiller“
(Rede auf dem CDU-Landesparteitag in Bochum am 5. März 2005)?

Wenn nein, warum nicht?

3. Teilt die Bundesregierung die Auffassung von Bundesjustizministerin
Brigitte Zypries: „Rechtspolitisch habe ich Zweifel, ob wir über eine regide
Gesetzgebung bei der Gleichstellungspolitik wirklich weiterkommen. Recht
wirkt sicherlich in die Gesellschaft hinein, kann aber einen Bewusstseins-
wandel nur begleitend unterstützen. (…) Wir dürfen uns hiervon nicht zuviel
versprechen, denn die Gefahr ist groß, dass die Praxis sich in das politisch
korrekte Sprechen flüchtet: Der unerwünschte Mietbewerber wird dann eben
ohne Begründung oder mit fadenscheinigen Ausflüchten abgewiesen.“ (Rede
auf dem Zentralverbandstag der Deutschen Haus-, Wohnungs- und Grund-
eigentümer am 20. Juni 2003 in Bonn)?

Wenn nein, warum nicht?

4. Wie lässt sich die Aussage von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries,
„Und es spricht einiges dafür, dass wir im Privatrecht kaum Handlungsbedarf
haben. Wir haben immer wieder dazu aufgefordert, uns die konkreten Fälle
für Diskriminierungen im Privatrecht zu benennen. Viel ist da nicht gekom-
men, und etliche der geltend gemachten Diskriminierungen sind schon nach
dem geltenden Recht verboten. (…) Ließe sich ein umfassendes zivilrechtli-
ches Antidiskriminierungsgesetz überhaupt vernünftig regeln – jedenfalls so,
dass es rechtlich einen fassbaren Mehrwert bringt? Ich meine, nein.“ (Rede
auf der Konferenz „Reform des Diskriminierungsschutzes in Europa – Wo
steht Deutschland“ am 24. Juni 2004 in Bonn), damit vereinbaren, dass die
Bundesregierung beim Schutz vor Benachteiligung im Zivilrechtsverkehr im
AGG über den durch die entsprechende EU-Richtlinie geforderten Schutzbe-
reich für Rasse, ethnische Herkunft und Geschlecht deutlich hinausgegangen
ist und damit ein umfassendes zivilrechtliches Antidiskriminierungsgesetz
vorgelegt hat?

5. Wie beurteilt die Bundesregierung jüngste Berichte aus der Praxis, wonach
Arbeitgeber zunehmend behinderte Menschen nicht mehr zu Vorstellungsge-
sprächen einladen, um möglichen Haftungsansprüchen zu entgehen (WELT
am SONNTAG vom 12. November 2006, DER SPIEGEL vom 13. Novem-
ber 2006)?

6. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass das AGG den Gruppen, die
durch das Gesetz vor Benachteiligungen geschützt werden sollen, schaden
kann, wenn sie z. B. zu Vorstellungsgesprächen nicht eingeladen werden,
weil die Arbeitgeber möglichen Haftungsansprüchen bereits im Vorfeld ent-

gehen wollen?

Wenn nein, warum nicht?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/3725

7. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass sich nach Inkrafttreten des
AGG gezeigt hat, dass die einzelnen Vorschriften in besonderer Weise Mög-
lichkeiten für den Missbrauch des Gesetzes eröffnen?

Wenn nein, warum nicht?

8. Welche gesetzlichen Möglichkeiten bestehen derzeit, um rechtlich gegen
Bewerber vorgehen zu können, die eine Bewerbung bei einem Arbeitgeber
nur zum Schein abgeben, um anschließend eine Entschädigung wegen mög-
licher Benachteiligung geltend machen zu können (sog. AGG-Hopping)?

9. Sieht die Bundesregierung gesetzgeberischen Handlungsbedarf, um wirk-
sam gegen sog. Scheinbewerber vorgehen zu können?

Wenn nein, warum nicht?

10. Hält die Bundesregierung eine Speicherung der Daten von sog. AGG-Hop-
pern, die eine Bewerbung nur zum Schein abgeben, um anschließend eine
Entschädigung wegen möglicher Entschädigung geltend zu machen, z. B. in
einer Internetdatenbank, durch Berufsverbände oder Rechtsanwälte für
zulässig?

Wenn nein, warum nicht?

Wenn ja, unter welchen datenschutzrechtlichen Voraussetzungen ist eine
solche Speicherung zulässig?

11. Zu welchen konkreten Ergebnissen ist die Bundesregierung im Rahmen der
Gesetzesfolgenabschätzung im Hinblick auf die finanziellen Auswirkungen
für die Wirtschaft gemäß § 44 Abs. 4 Nr. 1 der Gemeinsamen Geschäftsord-
nung der Bundesministerien durch das AGG gekommen?

12. Welche konkreten und tatsächlichen Erhebungen liegen der in dem Vor-
spann des Gesetzentwurfs unter „sonstige Kosten“ enthaltenen Aussage
„für Unternehmen, insbesondere kleine und mittlere Unternehmen, können
aus der Anwendung der Vorschriften zusätzliche Kosten nur entstehen,
wenn sie im Geschäftsverkehr unzulässige Unterscheidungen wegen der
vom Gesetz genannten Merkmale vornehmen“, zugrunde?

13. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass durch die in § 12 Abs. 1 und
Abs. 2 AGG dem Arbeitgeber auferlegten Pflichten finanzielle und bürokra-
tische Belastungen auf die Unternehmen zukommen können?

Wenn nein, warum nicht?

14. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die Aufforderung in § 12
Abs. 2 AGG an den Arbeitgeber, Aus- und Fortbildungsveranstaltungen
zum Thema „Antidiskriminierung“ durchzuführen, im Widerspruch zu den
in der Einleitung des Gesetzentwurfs beschriebenen sonstigen Kosten für
Unternehmen steht, wonach für Unternehmen zusätzliche Kosten nur ent-
stehen, wenn sie im Geschäftsverkehr unzulässige Unterscheidungen wegen
der vom Gesetz genannten Merkmale vornehmen?

Wenn nein, warum nicht?

15. Was ist der Unterschied zwischen ethnischer Herkunft im Sinne von § 1
AGG und der Staatsangehörigkeit?

16. Ist die Formulierung „Wir suchen für unser junges dynamisches Team …“
in einer Stellenausschreibung geeignet, eine unzulässige Ungleichbehand-
lung im Sinne von § 7 AGG darzustellen?

Wenn nein, warum nicht?

17. Ist die Festschreibung eines konkreten Lebensalters in Stellenausschrei-

bungen wie z. B. „Sie sind unter 30 Jahre“ oder „Sie sollten bereits über 55

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sein“ geeignet, eine unzulässige Ungleichbehandlung im Sinne von § 7
AGG wegen des Alters darzustellen?

Wenn nein, warum nicht?

18. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die Bewerberanforderungen
„mobil“, „körperlich belastbar“ oder „geistig flexibel“ in einer Stellenaus-
schreibung geeignet sind, eine unzulässige Benachteiligung im Sinne von
§ 7 AGG wegen Behinderung darzustellen?

Wenn nein, warum nicht?

19. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die Anforderung an Arbeits-
platzbewerber, mit ihren Bewerbungsunterlagen ein Lichtbild einzureichen,
geeignet ist, eine unzulässige Benachteiligung aus Gründen der Rasse oder
der ethnischen Herkunft im Sinne von § 7 AGG darzustellen?

Wenn nein, warum nicht?

20. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die Einladung zu einem Vor-
stellungsgespräch an einem religiösen Feiertag geeignet ist, eine unzuläs-
sige Benachteiligung aus Gründen der Religion gemäß § 7 AGG darzu-
stellen?

Wenn nein, warum nicht?

21. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die Errichtung eines kosten-
losen Betriebskindergartens geeignet ist, eine sog. Entgeltdiskriminierung
von homosexuellen Mitarbeitern, die keine eigenen Kinder haben und von
älteren Mitarbeitern, deren Kinder schon erwachsen sind, darzustellen?

Wenn nein, warum nicht?

22. Sind Einstellungsuntersuchungen im Rahmen eines Bewerbungsverfahrens
geeignet, eine unzulässige Ungleichbehandlung gemäß § 7 AGG darzu-
stellen?

Wenn nein, warum nicht?

23. Kann in einem Vorstellungsgespräch die Frage an einen Arbeitsplatzbewer-
ber oder eine Arbeitsplatzbewerberin nach seinem/ihrem Familienstand und
der Anzahl der Kinder geeignet sein, eine unzulässige Benachteiligung im
Sinne von § 7 AGG darzustellen?

Wenn nein, warum nicht?

24. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass es eine Ungleichbehandlung
von Familien darstellt, wenn sie aufgrund ihrer Kinderzahl von Vermietern
als Mieter abgelehnt werden im Hinblick darauf, dass sie nicht in den
Schutzbereich des AGG einbezogen sind?

Wenn nein, warum?

Wenn ja, wie rechtfertigt die Bundesregierung die Ungleichbehandlung von
Familien im Vergleich zu den Gruppen, die sich auf den Schutzbereich des
AGG berufen können vor dem Hintergrund der Schutz- und Förderpflicht
des Staates aus Artikel 6 Abs. 1 GG?

25. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die Herausnahme der betrieb-
lichen Altersversorgung aus dem Geltungsbereich des Gesetzes gemäß § 2
Abs. 2 Satz 2 AGG europarechtskonform ist?

Wenn ja, wie begründet die Bundesregierung die Europarechtskonformität?

26. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass sich Wartezeiten im Rah-
men der betrieblichen Altersversorgung als mittelbare Benachteiligung we-

gen des Alters im Sinne des AGG auswirken können?

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27. Gelten die Benachteiligungsverbote des AGG auch im Rahmen der Versor-
gungszusagen in den betrieblichen Systemen der Altersversorgung?

28. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass es eine unzulässige Benach-
teiligung wegen der sexuellen Identität im Sinne des AGG darstellt, wenn
hinterbliebenen Lebenspartnern im Hinblick auf § 2 Abs. 1 Nr. 4 AGG so-
wie § 2 Abs. 1 Nr. 5 und 6 AGG die Hinterbliebenenrente von berufsständi-
schen Versorgungseinrichtungen verwehrt bleibt?

Wenn nein, warum nicht?

29. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die Bereichsausnahme zum
Kündigungsschutzgesetz gemäß § 2 Abs. 4 AGG im Hinblick auf Artikel 3
der umzusetzenden EU-Richtlinien europarechtskonform ist?

Wenn ja, wie begründet die Bundesregierung die Europarechtskonformität?

30. Bezieht sich die Bereichsausnahme in § 2 Abs. 4 AGG generell auf Kündi-
gungen oder nur auf die Frage der Wirksamkeit einer Kündigung?

31. Bietet das AGG Arbeitnehmern Schutz bei Kündigungen innerhalb der ers-
ten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses bzw. in Kleinbetrieben mit weni-
ger als 10 Arbeitnehmern, wenn die Benachteiligung in einer Kündigung
liegt?

32. Ist es wegen § 2 Abs. 4 AGG unzulässig, das in § 7 AGG geregelte Verbot
der Benachteiligung in Verbindung mit § 134 BGB auf Kündigungen anzu-
wenden?

Wenn nein, warum nicht?

33. Eröffnet das AGG unbeschadet der Regelung in § 2 Abs. 4 AGG Schutz ge-
gen eine sitten- oder treuwidrige Ausübung des Kündigungsrechts auf der
Grundlage der §§ 138, 242 BGB?

Wenn nein, sieht die Bundesregierung hierin einen Verstoß gegen das euro-
parechtliche Verschlechterungsverbot?

34. Warum hat die Bundesregierung für das Vorliegen einer mittelbaren Be-
nachteiligung im Sinne von § 3 Abs. 2 AGG auf das Erfordernis von sub-
jektiven Tatbestandsvoraussetzungen verzichtet?

35. Ist die mittelbare Benachteiligung in § 3 Abs. 2 AGG so zu verstehen, dass
es weder auf die konkrete Schutzbedürftigkeit einer Person noch auf die
Vorhersehbarkeit solcher Effekte beim Arbeitgeber, Vermieter oder anderen
Personen ankommt?

Wenn nein, warum nicht?

36. Wie verhält sich die Regelung in § 3 Abs. 1 AGG, wonach eine unmittelbare
Benachteiligung vorliegt, wenn eine Person wegen eines der in § 1 genann-
ten Gründe eine weniger günstige Behandlung erfährt und damit die
benachteiligende Behandlung tatsächlich erfolgt ist, mit der Gesetzes-
begründung zu § 3 Abs. 1 AGG, die für das Vorliegen einer unmittelbaren
Benachteiligung eine hinreichend konkrete Gefahr für den Eintritt einer
solchen Benachteiligung ausreichen lässt?

37. Wie können gemäß § 5 AGG bereits bestehende Nachteile verhindert wer-
den?

38. Wie lässt sich nach Auffassung der Bundesregierung § 5 AGG mit Artikel 3
Abs. 3 GG vereinbaren, der jede Differenzierung und Bevorzugung auf-
grund der dort genannten Merkmale verbietet?

39. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass das Benachteiligungsverbot in

§ 7 Abs. 1 zweiter Halbsatz AGG von den EU-Antidiskriminierungs-Richt-

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linien zwingend vorgeschrieben ist („… wenn die Person, die die Benach-
teiligung begeht, das Vorliegen eines in § 1 genannten Grundes bei der
Benachteiligung nur annimmt.“)?

Wenn ja, welche konkrete europarechtliche Rechtsgrundlage liegt dafür
vor?

40. Wie lässt sich § 75 Abs. 1 des Betriebsverfassungsgesetzes, wonach u. a.
jede Benachteiligung im Betrieb aus Gründen des Alters zu unterbleiben
hat, mit § 10 AGG, wonach eine unterschiedliche Behandlung wegen des
Alters zulässig ist, vereinbaren?

41. Wie verhält sich § 7 Abs. 2 AGG zur sog. Richtigkeitsvermutung, wonach
tarifvertragliche Regelungen erst ab einer rechtskräftigen gerichtlichen
Feststellung für unwirksam erklärt werden dürfen?

42. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB im
Hinblick auf § 10 AGG europarechtskonform ist?

Wenn ja, wie begründet die Bundesregierung die Europarechtskonformität?

43. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass über § 1 Abs. 3 des Kündi-
gungsschutzgesetzes Arbeitgeber weiterhin generell verpflichtet sind, bei
der Sozialauswahl Betriebszugehörigkeit und Alter zu berücksichtigen?

Wenn ja, ist die Bundesregierung der Auffassung, dass dies ein Verstoß
gegen das AGG darstellt?

Wenn nein, wie lässt sich die Differenzierung nach Betriebszugehörigkeit
und Alter bei der Sozialwahl im Rahmen des Kündigungsschutzgesetzes
nach dem AGG rechtfertigen?

44. Unter welchen Voraussetzungen können unkündbare Arbeitnehmer auf-
grund ihres Alters oder ihrer Betriebszugehörigkeit vor dem Hintergrund
des AGG von der Sozialwahl ausgenommen werden?

45. Hält die Bundesregierung die Zulässigkeit abstrakter Auswahlrichtlinien
gemäß § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes im Hinblick auf das AGG für
zulässig?

Wenn ja, warum?

46. Hält die Bundesregierung die Zulässigkeit sachgrundloser Befristungsmög-
lichkeiten gemäß § 14 Abs. 3 TzBfG im Falle von Arbeitnehmern, die das
52. Lebensjahr bereits vollendet haben, im Hinblick auf das AGG für zu-
lässig?

Wenn ja, warum?

47. Hält die Bundesregierung die Unverfallbarkeitsregelung in § 1 BetrAVG im
Hinblick auf das AGG für zulässig?

Wenn ja, warum?

48. Hält die Bundesregierung altersabhängig gestaffelte steuerliche Freibeträge
für Abfindungen gemäß § 3 Nr. 9 EStG im Hinblick auf das AGG für
zulässig?

Wenn ja, warum?

49. Wann ist ein Zeitraum „angemessen“ im Sinne von § 10 Nr. 3 AGG?

50. Welche konkreten Maßnahmen kommen als „vorbeugende Maßnahmen“ im
Sinne von § 12 Abs. 1 Satz 2 AGG in Betracht?

51. Welchen Umfang hat die Haftung des Arbeitgebers bei Verletzung seiner

Pflichten aus § 12 AGG?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 7 – Drucksache 16/3725

52. Welche konkreten Maßnahmen bzw. vorbeugenden Maßnahmen im Sinne
von § 12 Abs. 1 AGG sind nach Auffassung der Bundesregierung zum
Schutz vor Benachteiligungen geeignet?

53. Haftet der Arbeitgeber auch gemäß § 12 Abs. 3 AGG für das Verhalten Drit-
ter in seinem Betrieb, wenn er seine Mitarbeiter nicht ausreichend gegen Be-
nachteiligungen am Arbeitsplatz geschützt hat?

54. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die EU-Antidiskriminierungs-
Richtlinien eine Haftung des Arbeitgebers auch für das Verhalten von Drit-
ten, wie etwa für Kunden und Mitarbeiter, zwingend vorschreibt?

Wenn ja, welche konkrete europarechtliche Rechtsgrundlage liegt dafür
vor?

55. Welche Auswirkungen haben Verstöße gegen die in § 12 Abs. 3 und 4 AGG
geregelten Pflichten des Arbeitgebers auf die Ansprüche aus § 15 AGG auf
Schadenersatz oder Entschädigung?

56. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass das Leistungsverweigerungs-
recht des Arbeitnehmers gemäß § 14 AGG von den EU-Antidiskriminie-
rungs-Richtlinien zwingend vorgeschrieben ist?

Wenn ja, welche konkrete europarechtliche Rechtsgrundlage liegt dafür
vor?

57. Warum hat die Bundesregierung darauf verzichtet, in § 14 AGG ein Verfah-
ren zu regeln, wonach der Arbeitnehmer zuerst seine Benachteiligung und
damit sein Begehr nach Abhilfe durch den Arbeitgeber geltend machen
muss, bevor er sich vor dem Fernbleiben von der Arbeit auf das Leistungs-
verweigerungsrecht berufen kann?

58. Welche sachlichen Erwägungen lagen der Entscheidung zugrunde, in § 15
Abs. 1 AGG auf eine Höchstbegrenzung des Schadenersatzanspruches zu
verzichten?

59. Das Verhalten welcher Personengruppen kann ursächlich sein für eine Scha-
denersatzpflicht des Arbeitgebers gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 AGG?

60. Bildet § 15 Abs. 2 AGG eine eigenständige Anspruchsgrundlage oder ledig-
lich eine auf § 15 Abs. 1 AGG systematisch aufbauende Rechtsfolgenrege-
lung mit der Folge, dass der in § 15 Abs. 2 AGG vorgesehene Anspruch auf
Entschädigung ebenfalls dem Tatbestandserfordernis des Verschuldens un-
terliegt?

61. Haftet der Arbeitgeber gemäß § 15 Abs. 2 AGG auch für das Verhalten Drit-
ter in seinem Betrieb?

62. Gegenüber wem kann eine Entschädigung in Geld verlangt werden gemäß
§ 15 Abs. 2 Satz 1 AGG?

63. Begründet § 15 Abs. 2 AGG für den Arbeitgeber eine Gefährdungshaftung?

64. Warum hat die Bundesregierung in § 15 AGG darauf verzichtet, eine Haf-
tungsgrundlage für den unmittelbar handelnden Dritten selbst zu normie-
ren?

65. Wie lässt sich § 15 AGG mit der Rechtsprechung des Europäischen
Gerichtshofs vereinbaren, der bei Geschlechterdiskriminierung festgestellt
hat, dass die Schadenersatz- und die Entschädigungspflicht generell
verschuldensunabhängig auszugestalten ist (EUGH vom 22. April 1997 –
Rs. C-180/95)?

66. Findet die Rechtsprechung des EUGH zur verschuldensunabhängigen Haf-

tung (EUGH vom 22. April 1997 – Rs. C-180/95) auch Anwendung auf Fäl-
le einer unbewussten mittelbaren Benachteiligung?

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67. Bestehen bei der Anwendbarkeit von § 15 Abs. 3 AGG Unterschiede im
Hinblick darauf, ob sich mögliche benachteiligende Regelungen in Betriebs-
vereinbarungen oder in Tarifverträgen befinden?

68. Bezieht sich § 15 Abs. 3 AGG nur auf Entschädigungen nach § 15 Abs. 2
AGG oder werden zusätzlich Schadenersatzansprüche nach § 15 Abs. 1
AGG erfasst?

69. Ist Voraussetzung für die Anwendbarkeit von § 15 Abs. 3 AGG, dass der
Arbeitgeber Kenntnis von den benachteiligenden Kollektivregelungen hat?

70. Gilt die Ausschlussfrist für die Geltendmachung von Ansprüchen gemäß
§ 15 Abs. 4 AGG auch für Ansprüche aus Vertragsverletzung und aus un-
erlaubter Handlung?

71. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass mit § 22 AGG eine europa-
rechtskonforme Umsetzung von Artikel 10 der Richtlinie 2000/78/EG und
Artikel 8 der Richtlinie 2000/43/EG erfolgt ist, die von den Opfern die
Glaubhaftmachung von Tatsachen für das Vorliegen einer Diskriminierung
verlangen?

Wenn ja, wie?

72. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass sich der sog. Indizienbeweis
gemäß § 22 AGG rechtsdogmatisch in das zivilrechtliche Beweisrecht ein-
fügt?

Wenn ja, wie?

73. Worin liegt der qualitative Unterschied zwischen dem Beweis von Tat-
sachen und dem Beweis von Indizien?

74. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die in § 24 AGG enthaltene
Einschränkung, wonach die Vorschriften dieses Gesetzes unter Berücksich-
tigung ihrer besonderen Rechtsstellung entsprechend für Beamte gelten,
von der EU-Richtlinie 2000/78/ EG gedeckt ist?

75. Hat § 24 AGG Auswirkungen auf das beamtenrechtliche Auswahlverfahren?

Wenn nein, warum nicht?

76. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die Tatsache, dass verpart-
nerte Beamte anders als ihre verheirateten Kollegen keinen Familien-
zuschlag, keine Hinterbliebenenpension und keine Beihilfe für ihre Partner
erhalten, vor dem Hintergrund, dass sie ebenso wie Ehepaare zum gegensei-
tigen Unterhalt verpflichtet sind, eine mittelbare Diskriminierung wegen
ihrer sexuellen Ausrichtung beim Arbeitsentgelt darstellt?

77. Hält die Bundesregierung das Fehlen von Regelungen zur Förderung von
Behinderten und entsprechenden Anpassungsmaßnahmen im AGG für mit
dem Europarecht vereinbar?

Wenn nein, wie begründet die Bundesregierung die Europarechtskonformi-
tät des Fehlens von Regelungen zur Förderung von Behinderten und ent-
sprechenden Ausgleichsmaßnahmen im AGG?

78. Welche sachlichen Erwägungen waren für die Bundesregierung entschei-
dend, den Anwendungsbereich von § 19 Abs. 5 Satz 3 AGG erst bei einem
Umfang von mehr als 50 Wohnungen zu eröffnen?

79. Liegen der Bundesregierung erste Erkenntnisse darüber vor, wie viele Per-
sonen sich seit Inkrafttreten des AGG an die Antidiskriminierungsstelle des
Bundes gewandt haben?

Wenn ja, inwieweit konnte die Antidiskriminierungsstelle des Bundes die

Personen, die sich an sie gewandt haben, bei der Durchsetzung ihrer Rechte
zum Schutz vor Benachteiligungen unterstützen?

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80. Sind Überschneidungen in der Zuständigkeit zwischen der Antidiskriminie-
rungsstelle des Bundes und den Beauftragten des Deutschen Bundestages
oder der Bundesregierung (z. B. der Beauftragten der Bundesregierung für
die Belange behinderter Menschen) denkbar?

Wenn nein, warum nicht?

81. Ist eine Doppelzuständigkeit von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes
und den Beauftragten des Deutschen Bundestages und der der Bundesregie-
rung denkbar, wenn die beschwerten Personen ihr Einverständnis zur
Weiterleitung ihres Anliegens gemäß § 27 Abs. 2 AGG verweigern?

82. Wie verfährt die Antidiskriminierungsstelle des Bundes mit Eingaben, die
in die Zuständigkeit der Beauftragten des Deutschen Bundestages oder der
Bundesregierung fallen, wenn die beschwerten Personen gemäß § 27 Abs. 2
AGG ihr Einverständnis zur Weiterleitung ihres Anliegens verweigern?

83. Wird die Bundesregierung eine Evaluierung des AGG vornehmen?

Wenn ja, wann?

84. Teilt die Bundesregierung die Forderung der CDU/CSU-Bundestagsfrak-
tion aus der 15. Wahlperiode (Bundestagsdrucksache 15/5019) auf euro-
päischer Ebene mittel- und langfristig eine Revision der gesamten euro-
päischen Antidiskriminierungsgesetzgebung vorzunehmen?

Wenn ja, warum, und wenn nein, warum nicht?

Berlin, den 29. November 2006

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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