BT-Drucksache 16/3699

Steuerpflichtige mit mehr als 500 000 Euro Einkommen gleichmäßig und regelmäßig prüfen

Vom 30. November 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/3699
16. Wahlperiode 30. 11. 2006

Antrag
der Abgeordneten Oskar Lafontaine, Dr. Barbara Höll, Dr. Axel Troost,
Sabine Zimmermann, Ulla Lötzer, Kornelia Möller, Werner Dreibus
und der Fraktion DIE LINKE.

Steuerpflichtige mit mehr als 500 000 Euro Einkommen gleichmäßig und
regelmäßig prüfen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Feststellungen, die der Bundesrechnungshof (BRH) in seinen „Bemerkun-
gen 2006 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes“ hinsichtlich der
Außenprüfungen durch die Finanzbehörden bei Einkommensmillionären getrof-
fen hat, sind zutiefst beunruhigend. Der vom BRH aufgedeckte Missstand, dass
jährlich nur etwa 5 Prozent aller Bezieher von Einkommen mit mehr als
500 000 Euro einer Außenprüfung durch die Finanzämter unterliegen, ist nicht
weiter hinnehmbar. Dies insbesondere in Anbetracht des Umstandes, dass die
Außenprüfungen, die tatsächlich durchgeführt wurden, zu Steuernachzahlungen
von durchschnittlich 135 000 Euro je steuerpflichtigem Einkommensmillionär
und Jahr führten. Bei vorsichtiger Hochrechnung der vom BRH genannten Zah-
len, könnte der Anteil der Einkommensmillionäre am gesamten Aufkommen der
Einkommensteuer um annähernd 1 Mrd. Euro gesteigert werden.

Vor dem Hintergrund der steuer- und sozialpolitischen Ungerechtigkeiten ge-
genüber den einkommensschwächeren Teilen der Bevölkerung und den milliar-
denschweren Steuergeschenken an Großeinkommensbezieher, die die jetzige,
wie die vorhergehende Bundesregierung durchgesetzt haben, ist es das Min-
deste, dass die geltenden Steuergesetze gegenüber den Einkommensmillionären
konsequent durchgesetzt werden.

An den vom BRH aufgezeigten Defiziten im Steuervollzug tragen die Finanzbe-
amtinnen und -beamten die geringste Schuld. Ursächlich hierfür sind vielmehr
der pauschale Stellenabbau in der Finanzverwaltung, die ineffiziente Verwen-
dung und unzureichende Weiterqualifizierung des vorhandenen Personals und
die mangelhafte Zusammenarbeit zwischen Landes- und Bundesfinanzbehör-
den. Besonders schwerwiegend ist das von Landesregierung zu Landesregie-
rung verschiedene und mäßige Interesse an einem wirkungsvollen Vollzug der
Steuergesetze. Hinzu treten Regelungen, die es den Prüfern zusätzlich erschwe-

ren, Außenprüfungen überhaupt erst durchzuführen und die tatsächlichen Steuer-
tatbestände zu ermitteln.

Der Missstand in der Außenprüfung von Einkommensmillionären ist lediglich
die Spitze des Eisberges: Bereits in seinen im August dieses Jahres veröffent-
lichten Empfehlungen zur Verbesserung des Vollzuges der Steuergesetze ge-
langt der BRH zu „der Auffassung, dass der gesetzmäßige und gleichmäßige

Drucksache 16/3699 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
Vollzug der Steuergesetze nicht mehr gewährleistet ist.“ Auch die Bundesregie-
rung hat dieser Feststellung, in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage der Frak-
tion DIE LINKE. (Bundestagsdrucksache 16/2583), nicht widersprochen. Dem
grundgesetzwidrigen (Nicht-)Vollzug der Steuergesetze ist schleunigst entgegen-
zuwirken.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, gesetzgeberische
Maßnahmen mit folgenden Zielen einzuleiten:

1. Die Verordnung zur regelmäßigen Außenprüfung von Einkommensmillionä-
ren (i. S. d. zuvor genannten Feststellung) ist als bundeseinheitliches Gesetz
zu erlassen.

2. Danach muss es zwingend erforderlich sein, dass besagter Personenkreis
einer Prüfungsdichte unterworfen wird, die eine Steuerumgehung unmöglich
macht. Es darf ohne Ausnahme keine prüfungsfreien Zeiträume mehr geben.

3. Das Erfordernis für die Finanzbehörden, Außenprüfungen besonders begrün-
den zu müssen, ist abzuschaffen.

4. Eine Aufbewahrungspflicht von steuererheblichen privaten Belegen wird
eingeführt.

5. Werden bei Betriebsprüfungen Unterlagen eingesehen, die auch für die Be-
steuerung von Gesellschaftern und Geschäftsführern relevant sind, sind diese
von dem gleichen Finanzamt zu bearbeiten. Um darüber hinaus eine einheit-
liche Außenprüfung von länderübergreifend und international tätigen Unter-
nehmen und ihrer Gesellschafter, Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder
zu gewährleisten, wirken an diesen Prüfungen Prüfer des Bundeszentralamts
für Steuern mit.

Des Weiteren wird die Bundesregierung aufgefordert, eine Überprüfung der
Wirksamkeit der Steuerstrafgesetzgebung zu veranlassen. Hierbei muss das Ziel
die Erreichung einer größeren Abschreckungswirkung sein. Das Steuerstraf-
recht darf sich nicht weiter von den in der allgemeinen Kriminalität verhängten
Strafen entfernen.

In Anbetracht der bevorstehenden Aushandlungsprozesse zur Föderalismus-
reform II wird die Bundesregierung aufgefordert, den Vorschlag des Bundes-
ministeriums der Finanzen, die Verwaltungskompetenz bei den Gemeinschafts-
steuern von den Ländern auf den Bund zu übertragen, in das Zentrum ihrer An-
liegen zu stellen. Dabei ist den Ländern eine angemessene Entlastung bei den
Personalausgaben und Pensionslasten im Bereich der Steuerverwaltung anzu-
bieten.

Von einer weiteren pauschalen Stellenkürzung beim Steuervollzug ist abzu-
sehen. Stattdessen sind den Finanzbehörden ausreichende Mittel zur Verfügung
zu stellen, um einen gleichmäßigen und vollständigen Vollzug der Steuergesetze
zu gewährleisten.

Berlin, den 29. November 2006

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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