BT-Drucksache 16/3621

Eine Grundrechteagentur der EU wird nicht gebraucht

Vom 29. November 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/3621
16. Wahlperiode 29. 11. 2006

Antrag
der Abgeordneten Markus Löning, Michael Link (Heilbronn), Christian Ahrendt,
Dr. Karl Addicks, Daniel Bahr (Münster), Uwe Barth, Rainer Brüderle,
Angelika Brunkhorst, Ernst Burgbacher, Patrick Döring, Mechthild Dyckmans,
Jörg van Essen, Otto Fricke, Horst Friedrich (Bayreuth), Hans-Michael Goldmann,
Miriam Gruß, Joachim Günther (Plauen), Dr. Christel Happach-Kasan,
Heinz-Peter Haustein, Elke Hoff, Birgit Homburger, Michael Kauch,
Hellmut Königshaus, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp, Heinz Lanfermann,
Harald Leibrecht, Ina Lenke, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger,
Horst Meierhofer, Patrick Meinhardt, Jan Mücke, Burkhardt Müller-Sönksen,
Detlef Parr, Cornelia Pieper, Gisela Piltz, Jörg Rohde, Frank Schäffler,
Marina Schuster, Dr. Max Stadler, Dr. Rainer Stinner, Carl-Ludwig Thiele,
Florian Toncar, Christoph Waitz, Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker Wissing,
Hartfrid Wolff (Rems-Murr), Martin Zeil, Dr. Guido Westerwelle und
der Fraktion der FDP

Eine Grundrechteagentur der EU wird nicht gebraucht

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Charta der Grundrechte der Europäischen Union – als wesentliche Grund-
lage der Arbeit der Grundrechteagentur – hat bisher keinen rechtsverbindlichen
Charakter und würde erst mit der vollständigen Ratifizierung des Vertrags über
eine Verfassung für Europa in Kraft treten.

In allen Ländern der Europäischen Union (EU) gelten umfassende Grundrechte
aufgrund nationaler Traditionen und Verfassungen. Sie werden durch unabhän-
gige Gerichte umfassend geschützt. Darüber hinaus gibt es zahlreiche Nicht-
regierungsorganisationen, die in diesem Gebiet tätig sind.

Auf EU-Ebene steht den Bürgern in vielen Bereichen der Weg zum Euro-
päischen Gerichtshof offen. Darüber hinaus kann sich jeder Bürger an den
Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wenden.

Eine Grundrechteagentur der Europäischen Union wird daneben nicht ge-
braucht.
Der Europarat verfügt über hervorragende Mitarbeiter und jahrzehntelange Er-
fahrung auf allen Gebieten des Menschenrechtsschutzes. Der Europarat kann
der Europäischen Union Beratung und Information, also allgemeine Dienstleis-
tungen zur Verfügung stellen. Er bewältigt diese Aufgaben mit einem sehr viel
geringeren Personalaufwand.

Der gesamte Haushalt des Europarates beläuft sich derzeit auf keine 200 Mio.
Euro, darin ist auch der Haushalt für den Europäischen Gerichtshof für Men-
schenrechte enthalten. Zum Vergleich sei erwähnt, dass dieser Haushalt unge-

Drucksache 16/3621 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
fähr dem Etat der EU-Kommission für Broschüren und Publikationen entspricht.
Im Rechts- und Menschenrechtsausschuss des Europarates mit 81 Mitgliedern
gibt es vier wissenschaftliche Mitarbeiter, die derzeit über 40 Berichterstattun-
gen zu Menschenrechtsangelegenheiten und -verletzungen in 46 Mitgliedstaaten
des Europarates bearbeiten. Dazu gehört auch die Berichterstattung zu CIA-Ge-
fängnissen in Europa. Allein für dieses Thema, zu dem das Europäische Parla-
ment einen Sonderausschuss eingerichtet hat, verfügt das Europäische Parla-
ment über sehr viel mehr Mitarbeiter als die vier Mitarbeiter, die 40 Bericht-
erstattungen derzeit zu bearbeiten haben.

Der Europarat leistet im Bereich des Menschenrechtsschutzes, gerade in den
Nachbarstaaten der EU, hervorragende Arbeit. Die Verbesserung der Finanzie-
rung dieser Arbeit ist allerdings dringend notwendig.

Wenn dem Europarat nur die für die europäische Grundrechteagentur als Aus-
gangsbasis vorgesehenen Mittel von 8 Mio. Euro, die derzeit für die Europäische
Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit ausgegeben
werden, zugewiesen werden würden, könnte mit dieser geringfügigen Aufsto-
ckung der Europarat hervorragende Beratungs- und Informationsaufgaben für
die Europäische Union wahrnehmen. Zwischen Europäischer Union und Euro-
parat ist ja vereinbart worden, dass es zu einer stärkeren Koordinierung und Ko-
operation kommen sollte. Jetzt ist der erste Fall eingetreten, wo der Europarat
seinen Sachverstand der Europäischen Union unter Einsparung von viel Geld
und von zusätzlichem Personal bei der Europäischen Union zur Verfügung stel-
len kann.

Eine Agentur auf EU-Ebene, die trotz aller vorgeblichen Unabhängigkeit letzt-
lich Bestandteil der Exekutive wäre, widerspräche den Grundsätzen von Gewal-
tenteilung und Subsidiarität und damit rechtsstaatlichen Prinzipien.

Bundesregierung und EU-Kommission betonen immer wieder, dass sie bestrebt
seien, Bürokratie abzubauen und nicht neue aufzubauen. Hier besteht die
Chance das Entstehen einer Behörde, für die es weder eine sinnvolle Aufgabe
noch eine eindeutige Rechtsgrundlage gibt, zu verhindern.

Die Errichtung der Agentur durch den Europarat könnte nur einstimmig erfol-
gen.

Nach der Vereinbarung zwischen Bundestag und Bundesregierung sind Be-
schlüsse des Deutschen Bundestages Grundlage des Handelns der Bundesregie-
rung auf europäischer Ebene.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. der Umwandlung der o. g. Beobachtungsstelle in eine europäische Grund-
rechteagentur bis auf weiteres nicht zuzustimmen,

2. jeder Aufstockung von Stellen oder Budget in diesem Zusammenhang zu
widersprechen,

3. sich im Rahmen der Verfassungsdebatte dafür einzusetzen, dass die Grund-
rechtecharta in Kraft treten kann,

4. im Europarat eine Initiative zu ergreifen, die Finanzierung der Menschen-
rechtsarbeit zu verbessern.

Berlin, den 28. November 2006

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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