BT-Drucksache 16/3443

Demokratie für Belarus

Vom 15. November 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/3443
16. Wahlperiode 15. 11. 2006

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Marieluise Beck (Bremen), Dr. Uschi Eid, Thilo Hoppe,
Ute Koczy, Kerstin Müller (Köln), Winfried Nachtwei, Claudia Roth (Augsburg),
Irmingard Schewe-Gerigk, Rainder Steenblock, Jürgen Trittin und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Demokratie für Belarus

Nach den Präsidentschaftswahlen in Belarus am 19. März 2006, die die OSZE
als weder frei noch fair bezeichnet hat, ist die Opposition weiter unter Druck
geraten. Der Oppositionskandidat Alexander Kosulin ist wegen seines Aufrufs
zur Demonstration gegen das gefälschte Wahlergebnis zu fünfeinhalb Jahren
Haft verurteilt worden. Hunderte wurden auf den Demonstrationen nach der
Wahl verhaftet. Am 20. September 2006 erklärte Kosulin im Gefängnis den
Hungerstreik, um die Aufmerksamkeit der Internationalen Gemeinschaft für
die Lage der Opposition in Belarus zu erreichen. Es gibt keine Möglichkeit der
freien Meinungsäußerung, unabhängige Medien wie Zeitungen dürfen nicht
mehr vertrieben werden.

In zwei Anträgen vor und nach der Wahl hat der Deutsche Bundestag in einem
breiten Konsens erklärt, die demokratischen Kräfte in Belarus unterstützen zu
wollen. Neben der Forderung nach einer Ausweitung des Visa-Banns für Mit-
glieder der Regierung und anderer verantwortlicher Personen und dem Einfrie-
ren von Konten, haben sich Mitglieder aller Fraktionen für eine Intensivierung
des Jugend- und Studentenaustauschs ausgesprochen. Zentrales Instrument
hierzu ist eine liberale Handhabung bei der Visa-Vergabe. Dahinter steht die
Überzeugung, dass gerade der jungen Generation in Belarus das Reisen in das
westliche Ausland ermöglicht werden muss, um so die Entwicklung von Demo-
kratie und Rechtsstaatlichkeit in Belarus zu fördern.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Was unternimmt die Bundesregierung, um die Erhöhung der Visa-Gebühren
für den Schengenraum von derzeit 35 Euro auf 60 Euro zum 1. Januar 2007
für Belarus abzuwenden?

2. Warum hat die Bundesregierung am 27. April 2006 in Luxemburg der Anhe-
bung der Visa-Gebühren zugestimmt, obwohl eine solche Gebühr für die
meisten Weißrussen nicht bezahlbar ist, und nicht vielmehr wie Schweden,

Griechenland und Ungarn eine solche Erhöhung abgelehnt?

3. Wie wirkt die Bundesregierung auf die Innenministerkonferenz ein, um für
eine großzügige Anwendung der gesetzlichen Regelungen der Aufenthalts-
erlaubnis für junge Menschen aus Belarus zu sorgen?

Drucksache 16/3443 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

4. Wie viele Studenten wurden seit den Präsidentschaftswahlen am 19. März
2006 von belarussischen Hochschulen aus politischen Gründen relegiert?

a) Wie viele davon haben einen Studienplatz und/oder Stipendium im Aus-
land gefunden?

b) Wie viele davon haben einen Studienplatz und/oder Stipendium in
Deutschland gefunden?

c) Was hat die Bundesregierung unternommen, um den relegierten Studen-
ten einen solchen Studienplatz und/oder Stipendium zu ermöglichen?

5. Wie wertet die Bundesregierung die Urteile gegen Alexander Kosulin und
die Aktivisten der gesellschaftlichen Vereinigung „Partnerschaft“ Nikolaj
Astrejko, Timofej Drantschuk, Erina Bronizkaja und Alexander Schalaiko
aus rechtlicher Sicht?

6. Hat die Bundesregierung Kenntnis von einer einmonatigen Zwangseinwei-
sung der Aktivistin Jana Popowa von der Vitebsker Initiative „Unser Haus“
(Nasch Dom) zur stationären psychiatrischen Untersuchung im Mai 2006
(www.soziale-verteidigung.de;http://www.belarusnews.de/exklusiv.php?id=
1982&eintrag=&archiv= vom 12. September 2006)?

a) Falls ja, wie bewertet die Bundesregierung die Zwangseinweisung der
Aktivistin?

b) Rechnet die Bundesregierung in Zukunft mit einem vermehrten Einsatz
von Zwangseinweisungen zu psychiatrischen Untersuchungen als Mittel
der Bestrafung und Repression gegen Oppositionelle?

7. Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, der Bitte des belarussi-
schen Schriftstellerverbands um moralische und finanzielle Hilfe nachzu-
kommen, der Ende August 2006 sein Verbandshaus räumen musste, nach-
dem er sich weigerte für das 1997 durch Enteignung entzogene Gebäude
Miete zu zahlen und sich daraufhin Mietschulden von ca. 20 000 Euro an-
häuften (taz vom 1. September 2006)?

8. Wie wertet die Bundesregierung das Angebot des Präsidenten Alexander
Lukaschenko für eine Partnerschaft mit der EU und den USA, das er auf
dem jährlichen Treffen der Führungen der Belarussischen Auslandsvertretun-
gen am 1. August 2006 in Minsk gemacht hat (http://www.president.gov.by/
en/press 26559.html#doc vom 2. August 2006; http://www.belarustoday.info/
?pid= 35726 vom 8. August 2006)?

9. Wie groß ist der finanzielle Umfang des „Förderprogramm Belarus“ des
Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
im Jahr 2006, das vorwiegend vom Internationalen Bildungs- und Begeg-
nungswerk als Unterauftragnehmer der Gesellschaft für Technische Zusam-
menarbeit umgesetzt wird?

a) Gab es eine Aufstockung der finanziellen Mittel gegenüber 2005?

b) Auf welche Höhe wird sich die finanzielle Ausstattung des Förderpro-
gramms 2007 belaufen?

c) Wie ist die finanzielle Gewichtung zwischen den Bereichen Wirtschaft,
Bildung, Soziales, Energie und Umwelt?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/3443

d) Sieht die Bundesregierung in der Förderung kultureller Initiativen in
Belarus eine Möglichkeit zur Unterstützung unabhängiger, zivilgesell-
schaftlicher Initiativen, wie sie es als Aufgabe des Förderprogramms
das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent-
wicklung beschreibt?

Falls ja, warum benennt Sie dann nur die vier Schwerpunkte Bildung,
Soziales, Umwelt/Energie und Wirtschaft?

Falls nein, warum nicht?

10. Welche Möglichkeiten hat die Bundesregierung, der Bitte des belarussi-
schen Oppositionsführers Aljaksandr Milinkjewitsch vom 20. Oktober
2006 zu entsprechen und die politisch Verfolgten Smiser Daschkjewitsch
und Pawal Krasuski in geeigneter Form zu unterstützen sowie die belarus-
sische Führung zur Einstellung der Repressionen und zur Freilassung aller
politischen Gefangenen aufzufordern?

11. Wird es im Rahmen der Europäischen Ratspräsidentschaft der Bundes-
republik Deutschland im ersten Halbjahr 2007 von Seiten der Bundesregie-
rung neben Zentralasien als Schwerpunkt der Gemeinsamen Außen- und
Sicherheitspolitik Bemühungen geben, eine konsistente Strategie für eine
Europäische Außenpolitik zur Entwicklung demokratischer Strukturen in
Belarus zu erarbeiten?

Falls ja, worin bestehen diese?

Falls nein, warum nicht?

Berlin, den 15. November 2006

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.