BT-Drucksache 16/3344

Mehr Wettbewerb im Schornsteinfegerwesen

Vom 8. November 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/3344
16. Wahlperiode 08. 11. 2006

Antrag
der Abgeordneten Rainer Brüderle, Birgit Homburger, Dr. Karl Addicks, Christian
Ahrendt, Daniel Bahr (Münster), Uwe Barth, Angelika Brunkhorst, Ernst
Burgbacher, Jörg van Essen, Ulrike Flach, Otto Fricke, Dr. Edmund Peter Geisen,
Miriam Gruß, Heinz-Peter Haustein, Elke Hoff, Michael Kauch, Gudrun Kopp, Heinz
Lanfermann, Sibylle Laurischk, Ina Lenke, Markus Löning, Patrick Meinhardt,
Jan Mücke, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Gisela Piltz, Jörg Rohde, Frank
Schäffler, Marina Schuster, Dr. Rainer Stinner, Carl-Ludwig Thiele, Florian Toncar,
Dr. Claudia Winterstein, Hartfrid Wolff (Rems-Murr), Dr. Guido Westerwelle
und der Fraktion der FDP

Mehr Wettbewerb im Schornsteinfegerwesen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Am 12. Oktober 2006 hat die EU-Kommission eine Verschärfung des laufenden
Vertragsverletzungsverfahrens gegen das deutsche Schornsteinfegergesetz an-
gekündigt. Das deutsche Schornsteinfegergesetz verstößt nach Auffassung der
Kommission gegen die Dienstleistungsfreiheit und die Niederlassungsfreiheit
der EU. Unter anderem moniert die Kommission seit langem die Beschränkung
des Zugangs zum Schornsteinfegerberuf und dessen Ausübung auf nur einen
Bezirk pro Bezirksschornsteinfegermeister, das Verbot des Tätigwerdens außer-
halb des Kehrbezirks sowie die Eintragungsverpflichtung in eine Bewerberliste.
Die Bundesregierung hat der EU-Kommission bislang keinen Gesetzentwurf zur
Änderung des Schornsteinfegergesetzes vorgelegt, obwohl sie dies in einem der
EU-Kommission übermittelten Zeitplan für das Jahr 2006 angekündigt hat. Des-
halb hat die Kommission entschieden, den nächsten Verfahrensschritt gegen
Deutschland einzuleiten.

Der Schornsteinfeger nimmt in Deutschland als beliehener Unternehmer neben
den klassischen Aufgaben nach dem Schornsteinfegergesetz bei der Feuer-
stättenschau und der Bauabnahme inzwischen in erster Linie Aufgaben auf dem
Gebiet des Immissionsschutzes und der rationellen Energieverwendung wahr.
Beim Vollzug, insbesondere der Verordnungen nach dem Bundesimmissions-
schutzgesetz, vor allem der so genannten Kleinfeuerungsanlagenverordnung,
bedient sich der Staat des Bezirksschornsteinfegers. Der Bezirksschornstein-

fegermeister hat vom Staat ein Prüf- und Gebietsmonopol verliehen bekommen
(Schornsteinfegergesetz).

Vor allem für das Gebietsmonopol gibt es keine Begründung mehr. Die Ver-
pflichtung des Anlagenbetreibers, die aus umwelt- und feuerschutzrechtlichen
Gründen vorgeschriebenen Arbeiten durch den Schornsteinfeger erledigen zu
lassen, führen häufig dazu, dass es zu gebührenpflichtigen Doppelarbeiten bei

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der Emissionsmessung kommt, weil zum Beispiel Wartungsverträge mit einem
Heizungs- und Sanitärbetrieb bestehen. Gegen das Prüf- und Gebietsmonopol
haben sich in der Vergangenheit verschiedene Initiativen gegründet, die vor
allem im Internet veröffentlichen.

Nach einer Studie im Auftrag des Bundesverbandes des Schornsteinfegerhand-
werks aus dem Jahre 2003 gibt es rund 8 100 Schornsteinfegerbetriebe mit rund
25 000 Mitarbeitern. Die von den Schornsteinfegern durchgeführte Energie-
beratung zieht nach Aussagen der Wissenschaftler ein Investitionsvolumen von
ca. 132 Mio. Euro nach sich. Die klassischen Aufgaben des Schornsteinfegers
gehen immer weiter zurück, während immissionsschutzrechtlich begründete
Messaufgaben zunehmen.

Allein vor diesem Hintergrund ist eine Reform des Schornsteinfegerwesens in
Deutschland dringend notwendig. Insbesondere ist das Gebietsmonopol ord-
nungspolitisch bedenklich. Warum Feuerungsanlagenbetreibern (in der Regel
Hauseigentümer) die Wahlmöglichkeit zwischen verschiedenen Schornstein-
fegern verwehrt bleibt, ist nicht nachvollziehbar. Die Dynamik des Wettbewerbs
ist ausgeschaltet. Wettbewerb bringt aber im Allgemeinen Preissenkungen und
Qualitätsverbesserungen mit sich. Warum das beim Schornsteinfegerwesen an-
ders sein sollte, leuchtet nicht ein. Zumal das Handwerk zu Recht stolz auf die
Qualifikation ihrer Meister und Gesellen ist. Insofern sind immissionsschutz-
rechtliche Verschlechterungen durch die Beendigung des Gebietsmonopols
nicht zu erwarten. Auch die immer wieder vorgebrachte Argumentation, dass
sich der Staat nur über die festen Kehrbezirke die Kontrollbürokratie für die
Überprüfung der durchgeführten Reinigungs- und Messarbeiten spart, ist nicht
schlüssig. Denn der Messnachweis kann grundsätzlich auch an die Entrichtung
der Grundsteuer oder der Haus- und Grundbesitzhaftpflichtversicherung gekop-
pelt werden.

Die Reform des Schornsteinfegerwesens sollte neben der Marktöffnung auch
auf die Verringerung von Bürokratie, die Verringerung finanzieller und sonstiger
Lasten der Hauseigentümer sowie die Vermeidung von Doppelarbeiten bei der
Emissionsmessung abzielen. Darüber hinaus sind die rechtlichen Rahmenbedin-
gungen daraufhin zu überprüfen, dass dem Schornsteinfeger keine zusätzlichen
Hürden bei der Übernahme einfacher Reparatur- oder Beratungstätigkeiten in
den Weg gelegt werden. Ebenso sind Übergangslösungen zu berücksichtigen,
die eine Perspektive für das Schornsteinfegerhandwerk erhalten.

II. Vor diesem Hintergrund fordert der Deutsche Bundestag die Bundes-
regierung auf,

1. dem Deutschen Bundestag noch in diesem Jahr einen Gesetzentwurf vorzu-
legen, der das Vertragsverletzungsverfahren hinfällig macht. Damit ist auch
gewährleistet, dass nationale Handlungsmöglichkeiten ausgeschöpft werden
können und nicht eine Lösung aus Brüssel diktiert wird;

2. das Gebietsmonopol der Bezirksschornsteinfegermeister abzuschaffen;

3. schnellstmöglich ein Wettbewerbssystem zu entwickeln, das unter Beachtung
der feuerschutz- und immissionsschutzrechtlichen Zielsetzungen Doppel-
messungen vermeidet, Bewerberlisten überflüssig macht sowie kosten-
günstige und weitgehend unbürokratische Anlagenkontrollen gewährleistet.
Dabei sollten einerseits eine Verlagerung von Zuständigkeiten auf die
Bundesländer, andererseits die in der Diskussion stehenden Konzessions-
und Versicherungsmodelle erwogen werden;

4. die Schornsteinfeger von sachfremden Pflichten zu befreien und dabei den
§ 17 des Schornsteinfegergesetzes zu streichen, nach dem der Schornstein-

feger seinen Wohnsitz im Kehrbezirk bzw. in dessen Nahbereich haben muss.
Eine solche Vorschrift ist überflüssig, da die Entscheidung, welchen Wohn-

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sitz der Schornsteinfegermeister wählt, unabhängig vom Ort seiner Berufs-
ausübung zu sehen ist;

5. den § 18 des Schornsteinfegergesetzes zu streichen, nach dem der Schorn-
steinfeger Mitglied der Feuerwehr oder der Freiwilligen Feuerwehr sein
muss;

6. eine Regelung vorzulegen, die einerseits den Schornsteinfegern durch die
Möglichkeit, Beratungs- und Reparaturtätigkeiten zu übernehmen, eine
Perspektive gibt, andererseits die Aufgaben im Bereich des Immissionsschut-
zes mit angemessenen Übergangsfristen auch auf zertifizierte Sachver-
ständige und Unternehmen überträgt, d. h. das Prüfmonopol aufbricht. So ist
das Heizungsbauerhandwerk grundsätzlich geeignet, ebenfalls immissions-
schutzrechtliche Aufgaben zu übernehmen. Damit kann ein Innovations- und
Dienstewettbewerb im Prüfwesen zum Wohle der Bürger in Gang gebracht
werden;

7. in § 7b der Handwerksordnung, in der qualifizierten Altgesellenregelung, die
Ausnahme Schornsteinfeger (Nummer 12 der Anlage A zur HWO) zu strei-
chen. Es gibt keine nachvollziehbaren Gründe, warum sich nicht auch
Schornsteinfegergesellen nach sechsjähriger Tätigkeit, davon vier Jahre in
leitender Funktion, grundsätzlich selbständig machen sollen. Das gilt umso
mehr, wenn das Gebietsmonopol abgeschafft wird.

Berlin, den 8. November 2006

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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