BT-Drucksache 16/3182

Steuergerechtigkeit und Armut in Deutschland

Vom 25. Oktober 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/3182
16. Wahlperiode 25. 10. 2006

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Volker Wissing, Jens Ackermann, Dr. Karl Addicks,
Christian Ahrendt, Daniel Bahr (Münster), Uwe Barth, Angelika Brunkhorst, Ernst
Burgbacher, Patrick Döring, Mechthild Dyckmans, Jörg van Essen, Ulrike Flach,
Otto Fricke, Horst Friedrich (Bayreuth), Dr. Edmund Peter Geisen, Miriam Gruß,
Joachim Günther (Plauen), Dr. Christel Happach-Kasan, Heinz-Peter Haustein,
Elke Hoff, Birgit Homburger, Dr. Werner Hoyer, Michael Kauch, Hellmut
Königshaus, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin, Heinz
Lanfermann, Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht, Ina Lenke, Sabine Leutheusser-
Schnarrenberger, Michael Link (Heilbronn), Markus Löning, Horst Meierhofer,
Patrick Meinhardt, Jan Mücke, Burkhardt Müller-Sönksen, Dirk Niebel, Hans-
Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr, Cornelia Pieper, Jörg Rohde, Frank
Schäffler, Marina Schuster, Dr. Hermann Otto Solms, Carl-Ludwig Thiele,
Christoph Waitz, Dr. Claudia Winterstein, Hartfrid Wolff (Rems-Murr), Martin Zeil,
Dr. Guido Westerwelle und der Fraktion der FDP

Steuergerechtigkeit und Armut in Deutschland

Dem Zweiten Armutsbericht der Bundesregierung zufolge ist das Armutsrisiko
von 1998 bis 2003 von 12,1 auf 13,5 Prozent gestiegen. In dem Bericht führt
die Bundesregierung aus, dass „eine sozial gerechte Einkommens- und Steuer-
politik das Steuer- und Transfersystem so ausgestalten muss, dass es den Weg
zu einem Einkommen aus eigener Kraft begünstigt, welches Armut vermeidet
und gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht“. Die bisherige Politik der Steuer-
erhöhungen trägt dazu bei, dass insbesondere einkommensschwächeren Haus-
halten weitere Kaufkraft entzogen wird und damit auch die Möglichkeiten zur
gesellschaftlichen Teilhabe weiter beschnitten werden.

Auch ohne die Einführung der Reichensteuer tragen laut Zweitem Armuts-
bericht der Bundesregierung „die 10 Prozent der Lohn- und Einkommensteuer-
pflichtigen mit den höchsten Einkommen zu fast 53 Prozent des Gesamtauf-
kommens bei, die unteren 30 Prozent dahingegen zu lediglich 0,7 Prozent.“ Die
Einführung einer Reichensteuer ist damit auch aus Gründen der sozialen Ge-
rechtigkeit nicht erforderlich.

Die bisher von der Bundesregierung an dem Steuersystem vorgenommenen

Änderungen lassen kaum Ansätze von Armutsbekämpfung erkennen. Im Gegen-
teil: insbesondere die große Koalition setzt massiv auf Steuererhöhungen. Dabei
trifft vor allem die Erhöhung der Verbrauchs- und indirekten Steuern einkom-
mensschwache Haushalte, die ihr Einkommen schon heute fast vollkommen zur
Bestreitung des Lebensunterhaltes benötigen. Die zwingende Schlussfolgerung
der Finanz- und Steuerpolitik der Bundesregierung ist, dass weitere Haushalte
unter die Armutsgrenze gedrückt werden.

Drucksache 16/3182 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche politische Konsequenzen hat die Bundesregierung aus dem Zwei-
ten Armutsbericht gezogen?

2. Welche politischen Maßnahmen mit dem Ziel der Armutsbekämpfung hat
die Bundesregierung seit Veröffentlichung des Zweiten Armutsberichtes
beschlossen?

3. Inwieweit tragen die Steuererhöhungen sowie die Erhöhungen der Sozial-
abgaben der letzten Jahre zu einer Verstärkung der Armut in Deutschland
bei, und wie begründet die Bundesregierung ihre diesbezügliche Auf-
fassung?

4. Prüft die Bundesregierung bei der Erhöhung von Verbrauchs- bzw. indirek-
ten Steuern die Auswirkungen auf das verfügbare Einkommen einkom-
mensschwacher Schichten; wenn ja, auf welche Weise und mit welchem
Ergebnis ist dieses bisher erfolgt, und wenn nein, warum nicht?

5. Plant die Bundesregierung im Zusammenhang mit der Erhöhung der Um-
satz- und Versicherungsteuer zum 1. Januar 2007 die Anhebung des steuer-
freien Existenzminimums?

6. Welche Maßnahmen zur Förderung des Vermögensaufbaus einkommens-
schwacher Schichten hat die Bundesregierung seit Beginn der 14. Legis-
laturperiode beschlossen?

7. Werden nach Ansicht der Bundesregierung durch eine Erhöhung der Mehr-
wertsteuer vor allem niedrige oder hohe Einkommensgruppen belastet, und
wie begründet die Bundesregierung ihre diesbezügliche Auffassung?

8. Welche Verbrauchs- bzw. indirekten Steuern wurden seit Beginn der
14. Legislaturperiode in Deutschland erhöht, und welche Belastungen sind
damit jeweils für die Bürgerinnen und Bürger verbunden?

9. Auf welche Weise stellt die Bundesregierung bei der Erhöhung der Mehr-
wertsteuer sicher, dass diese nicht zu einer weiteren Verschlechterung der
finanziellen Situation einkommensschwacher Schichten führt?

10. Wird die Erhöhung der Mehrwertsteuer die finanziellen Möglichkeiten ein-
kommensschwacher Schichten weiter einschränken, und welchen Aus-
gleich hat die Bundesregierung dafür vorgesehen?

11. Wie hoch ist der Anteil (absolut und relativ) der Privathaushalte bzw. der
Unternehmen am gesamten Steueraufkommen in Deutschland, und wie hat
sich der Anteil der Unternehmen bzw. Privathaushalte am Gesamtsteuer-
aufkommen in Deutschland seit Beginn der 14. Legislaturperiode ver-
ändert?

12. Wie hoch ist der Anteil am Aufkommen der Einkommensteuer von Perso-
nen mit einem Einkommen bis 10 000 Euro, 10 000 bis 20 000 Euro,
20 000 bis 30 000 Euro, 40 000 bis 52 151 Euro, > 52 151 Euro, und wie
viele Personen lassen sich den aufgeführten Einkommensgruppen jeweils
zuordnen?

13. Wie hoch ist der Anteil von Nichtselbständigen und Beamten sowie
Selbständigen am Einkommensteueraufkommen, und wie hat sich der je-
weilige Anteil der einzelnen Bevölkerungsgruppen am Einkommensteuer-
aufkommen seit Beginn der 14. Legislaturperiode verändert?

14. Wie ist der Anteil am Steueraufkommen in absoluten und relativen Zahlen,
die auf Handwerksbetriebe, kleine und mittelständische Unternehmen so-
wie große Unternehmen entfallen, und wie haben sich die Steuerbelastun-

gen der verschiedenen Unternehmensgruppen seit Beginn der 14. Legis-
laturperiode verändert?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/3182

15. Auf welche Gesamtsumme beziffert die Bundesregierung die Steuerbelas-
tung einer Familie mit einem durchschnittlichen Einkommen durch direkte
und indirekte Steuern, und wie hat sich diese Belastung durch direkte und
indirekte Steuern seit Beginn der 14. Legislaturperiode verändert?

16. Wie hoch ist der Anteil der Rentnerinnen und Rentner an dem Steuerauf-
kommen in Deutschland?

17. Wie hoch sind nach Ansicht der Bundesregierung die Steuereinnahmen, die
durch Verbrauchs- bzw. indirekte Steuern bei Rentnerhaushalten anfallen?

18. Wie hoch ist die Belastung von Empfängerinnen und Empfänger von Ar-
beitslosengeld II durch Verbrauchs- bzw. indirekte Steuern, und von wel-
chem Belastungsbetrag ist die Bundesregierung bei der Bemessung des
ALG-II-Satzes ausgegangen?

19. Wie hoch sind nach Ansicht der Bundesregierung die Steuereinnahmen, die
durch so genannte Verbrauchs- bzw. indirekte Steuern bei Arbeitslosen-
geld-II-Empfängerinnen und -Empfängern anfallen?

20. Wie hoch sind nach Ansicht der Bundesregierung die Steuereinnahmen, die
durch so genannte Verbrauchs- bzw. indirekte Steuern bei BAföG-Empfän-
gerinnen und -Empfängern anfallen?

21. Über welche Informationen verfügt die Bundesregierung über die Belas-
tung einzelner Bevölkerungsgruppen durch Verbrauchs- bzw. indirekte
Steuern?

22. Wie hoch ist nach Ansicht der Bundesregierung die durchschnittliche Be-
lastung (absolut und relativ) durch Verbrauchs- bzw. indirekte Steuern bei
Familien- bzw. Singlehaushalten mit einem jährlichen Einkommen in Höhe
von bis zu 10 000 Euro, 10 000 bis 20 000 Euro, 20 000 bis 30 000 Euro,
40 000 bis 50 000 Euro, 50 000 bis 100 000 Euro, 100 000 bis 250 000
Euro, > 250 000 Euro?

Berlin, den 25. Oktober 2006

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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