BT-Drucksache 16/3065

Auswirkungen des Gesetzes zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit in der Arzneimittelversorgung (Arzneimittelversorgungs-Wirtschaftlichkeitsgesetz - AVWG)

Vom 19. Oktober 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/3065
16. Wahlperiode 19. 10. 2006

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Daniel Bahr (Münster), Heinz Lanfermann, Dr. Konrad Schily,
Dr. Heinrich L. Kolb, Detlef Parr, Dr. Karl Addicks, Christian Ahrendt, Uwe Barth,
Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst, Ernst Burgbacher, Patrick Döring,
Mechthild Dyckmans, Jörg van Essen, Ulrike Flach, Otto Fricke, Horst Friedrich
(Bayreuth), Dr. Edmund Peter Geisen, Miriam Gruß, Joachim Günther (Plauen),
Dr. Christel Happach-Kasan, Heinz-Peter Haustein, Elke Hoff, Birgit Homburger,
Dr. Werner Hoyer, Michael Kauch, Hellmut Königshaus, Gudrun Kopp, Jürgen
Koppelin, Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht, Michael Link (Heilbronn), Horst
Meierhofer, Patrick Meinhardt, Jan Mücke, Hans-Joachim Otto (Frankfurt),
Cornelia Pieper, Gisela Piltz, Jörg Rohde, Frank Schäffler, Marina Schuster,
Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Max Stadler, Dr. Rainer Stinner, Carl-Ludwig Thiele,
Florian Toncar, Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker Wissing, Hartfrid Wolff
(Rems-Murr), Martin Zeil, Dr. Guido Westerwelle und der Fraktion der FDP

Auswirkungen des Gesetzes zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit in der
Arzneimittelversorgung (Arzneimittelversorgungs-Wirtschaftlichkeitsgesetz –
AVWG)

Das AVWG soll die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) dadurch dauer-
haft finanziell entlasten, dass

– ab dem 1. April 2006 die Festbeträge aller Festbetragsgruppen den höchsten
Abgabepreis des unteren Drittels des Intervalls zwischen dem niedrigsten
Preis und dem höchsten Preis einer Standardpackung nicht übersteigen sol-
len, wobei mindestens ein Fünftel aller Verordnungen und mindestens ein
Fünftel aller Packungen zum Festbetrag verfügbar sein muss; zugleich darf
die Summe der Vomhundertsätze der Verordnungen und Packungen, die
nicht zum Festbetrag erhältlich sind, den Wert von 160 nicht überschreiten;

– die Krankenkassen vom pharmazeutischen Unternehmer auf patentfreie
wirkstoffgleiche Arzneimittel seit dem 1. April 2006 ein Abschlag von 10
vom Hundert des Herstellerabgabepreises ohne Mehrwertsteuer erhalten, es
sei denn, der Apothekeneinkaufspreis des Arzneimittels unterschreitet den
Festbetrags-Apothekeneinkaufspreis um mindestens 30 Prozent;
– die Spitzenverbände der Krankenkassen Arzneimittel von der Zuzahlung
freistellen können, deren Apothekeneinkaufspreis um mindestens 30 vom
Hundert unter dem Festbetrags-Apothekeneinkaufspreis liegt, wenn hieraus
Einsparungen zu erwarten sind. In der Antwort der Parlamentarischen
Staatssekretärin Marion Caspers-Merk vom 13. September 2006 auf die
schriftliche Frage 59 des Abgeordneten Heinz Lanfermann auf Bundestags-
drucksache 16/2585 wird die Auffassung vertreten, dass der in § 31 Abs. 3

Drucksache 16/3065 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Satz 4 SGB V bestimmte prozentuale Preisabstand von 30 Prozent zum je-
weiligen Festbetrag nach dem Wortlaut der Bestimmung ein Mindestabstand
sei. Weder der Wortlaut noch Sinn und Zweck des Gesetzes stünden der Vor-
gehensweise entgegen, dass der prozentuale Preisabstand auch höher als 30
Prozent bestimmt werde, damit das Ziel, Einsparungen für die Festbetrags-
gruppe zu erreichen, verwirklicht werden könne. Eine Verletzung von Rech-
ten der Versicherten ergebe sich hierdurch nicht. Die Regelung greife auch
nicht unzulässig in Rechte von pharmazeutischen Unternehmen ein, da ihre
Befugnis zur Entscheidung über die Abgabepreise unberührt bleibe.

Seit dem 1. April 2006 wird der Herstellerabschlag auf patentfreie wirkstoff-
gleiche Arzneimittel erhoben. Die Spitzenverbände der Krankenkassen haben
zum 1. Juli 2006 zum einen die Festbeträge in 295 Festbetragsgruppen ins
untere Preisdrittel abgesenkt. Unter diesen Gruppen befinden sich auch so ge-
nannte Jumbogruppen, in denen patentgeschützte und generikafähige Wirk-
stoffe zusammengefasst sind. Zum anderen haben sie zu diesem Termin für
Arzneimittel in 79 Festbetragsgruppen der Stufe 1 die Freistellung von der Zu-
zahlung beschlossen.

Darüber hinaus ist der Begriff der therapeutischen Verbesserung in § 35 Abs. 1b
SGB V exakter definiert worden mit dem Ziel, solche Arzneimittel von der
Einordnung in eine Festbetragsgruppe auszunehmen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. In welchem Umfang hat der Abschlag nach § 130a Abs. 3b SGB V die GKV
im Zeitraum vom 1. April bis zum 31. Juli/31. August 2006 bereits finanzi-
ell entlastet, und mit welchen weiteren Einsparungen aus diesem Zwangs-
rabatt rechnet die Bundesregierung bis zum 31. Dezember 2006?

2. Welche finanzielle Entlastung der GKV hat die Senkung der Festbeträge ins
untere Preisdrittel in den betreffenden 295 Festbetragsgruppen im Zeitraum
vom 1. Juli bis zum 31. Juli/31. August 2006 bewirkt, und wie hoch veran-
schlagt die Bundesregierung das weitere Einsparpotenzial aus dieser Maß-
nahme bis zum 31. Dezember 2006?

Wie verteilen sich die in dieser Zeitspanne erzielten Einsparungen auf
patentgeschützte und generikafähige Arzneimittel?

3. Welche Einsparungen für die GKV hat die Freistellung von Arzneimitteln
von der Zuzahlung im Zeitraum vom 1. Juli bis zum 31. Juli/31. August 2006
gebracht, und wie hoch quantifiziert die Bundesregierung die weiteren Ent-
lastungen, die sich bis zum 31. Dezember 2006 aus den Freistellungen von
der Zuzahlung ergeben, die zum 1. Juli 2006 wirksam geworden sind?

4. Hält die Bundesregierung an ihrer Auffassung fest, dass es bei der Festset-
zung der Zuzahlungsbefreiungsgrenzen gemäß § 31 Abs. 3 Satz 4 SGB V
eine völlige, durch keinerlei gesetzliche Regelung limitierte Entscheidungs-
freiheit der Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenversicherung gibt, im
Gegensatz zu der Festsetzung der Festbeträge, die gemäß § 35 Abs. 5
SGB V definierte Versorgungsgrenzen beachten müssen?

5. Wenn ja, wie verträgt sich diese Auffassung mit dem Grundsatz, dass Ent-
scheidungen für betroffene Unternehmen planbar sein sollen, wenn die
Zuzahlungsbefreiungsgrenzen weder vorher ermittelt noch nachträglich in-
haltlich nachvollzogen werden können?

6. Hat der Gemeinsame Bundesausschuss mittlerweile die Festbetragsgruppen
daraufhin überprüft, ob eine Neubewertung aufgrund der Neubestimmung
des Begriffs der therapeutischen Verbesserung durch das AVWG in § 35
Abs. 1b SGB V notwendig ist?
Wenn nein, warum nicht?

Wenn ja, mit welchen Konsequenzen?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/3065

7. Gibt es gesetzliche Krankenkassen, die von der Möglichkeit Gebrauch ge-
macht haben, Rabattverträge nach § 130a Abs. 8 in Verbindung mit § 31
Abs. 2 SGB V zu schließen, die ein Überschreiten des Festbetrags bei Aus-
gleich der Mehrkosten ermöglichen?

Wenn ja, wie viele?

8. Wie beurteilt die Bundesregierung die Praktikabilität dieses Instruments?

9. Gibt es Krankenversicherungsbezirke, in denen sich abzeichnet, dass es zu
regionalen Vereinbarungen gemäß § 84 Abs. 4a SGB V zum Ersatz der
Bonus-Malus- Regelung gemäß § 84 Abs. 7a SGB V kommt?

Wenn ja, welche sind dies, und wie soll die Wirtschaftlichkeit nach diesen
Vereinbarungen sichergestellt werden?

10. Wie beurteilt die Bundesregierung die Anwendbarkeit der Bonus-Malus-
Regelung nach § 84 Abs. 7a SGB V?

11. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass es für den Arzt bei der
Bonus-Malus-Regelung keine Exkulpationsmöglickeit für notwendiges
individuelles Verschreibungsverhalten etwa aufgrund von therapeutischen
Zusatznutzen oder unter Complianceaspekten gibt und der Arzt sich damit
im Einzelfall der Konfliktsituation gegenübersieht, durch die Verschrei-
bung neuartiger und damit meist hochpreisiger Medikamente, die er für die
individuelle Behandlung für notwendig hält, einem Malus ausgesetzt zu
sein?

12. Hält die Bundesregierung die vierteljährlichen arztbezogenen Schnell-
informationen nach § 84 Abs. 5 SGB V oder die Abrechnungsdaten aus
den Apothekenrechenzentren nach § 300 Abs. 2 Satz 4 SGB V für ge-
eignet, eine rechtlich belastbare Grundlage für die Sanktionen zu bilden?

Berlin, den 19. Oktober 2006

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.