BT-Drucksache 16/3048

Energiegetreide als Regelbrennstoff zulassen

Vom 19. Oktober 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/3048
16. Wahlperiode 19. 10. 2006

Antrag
der Abgeordneten Dr. Christel Happach-Kasan, Hans-Michael Goldmann,
Dr. Edmund Peter Geisen, Michael Kauch, Angelika Brunkhorst, Dr. Karl Addicks,
Daniel Bahr (Münster), Uwe Barth, Rainer Brüderle, Ernst Burgbacher, Patrick
Döring, Mechthild Dyckmans, Jörg van Essen, Ulrike Flach, Otto Fricke, Horst
Friedrich (Bayreuth), Miriam Gruß, Heinz-Peter Haustein, Elke Hoff, Dr. Werner
Hoyer, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin, Heinz Lanfermann,
Harald Leibrecht, Ina Lenke, Michael Link (Heilbronn), Markus Löning, Horst
Meierhofer, Patrick Meinhardt, Jan Mücke, Hans-Joachim Otto (Frankfurt),
Detlef Parr, Cornelia Pieper, Gisela Piltz, Jörg Rohde, Frank Schäffler,
Marina Schuster, Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Rainer Stinner, Carl-Ludwig Thiele,
Florian Toncar, Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker Wissing, Martin Zeil,
Dr. Guido Westerwelle und der Fraktion der FDP

Energiegetreide als Regelbrennstoff zulassen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Bereitstellung einer effizienten, nachhaltigen und kostengünstigen Energie-
versorgung hat in einem Industrieland wie Deutschland eine herausragende
Bedeutung. Die landwirtschaftliche Produktion nachwachsender Rohstoffe und
deren energetische Nutzung leisten hierbei derzeit noch einen vergleichsweise
geringen Beitrag. Nur 4,6 Prozent des Primärenergieverbrauchs werden durch
erneuerbare Energien gedeckt, davon etwa die Hälfte aus Biomasse. Das Poten-
tial der energetischen Nutzung von Biomasse ist jedoch bedeutend höher und
wird auf etwa 10 Prozent des Primärenergieverbrauchs geschätzt.

Der Weltmarktpreis für ein Barrel Rohöl liegt derzeit bei rund 60 Euro. Wirt-
schaftsexperten gehen davon aus, dass der Ölpreis noch weiter ansteigen wird.
Unter diesen Rahmenbedingungen gewinnt die energetische Nutzung von Bio-
masse eine besondere Attraktivität. Dies wird weiter begünstigt, weil die ener-
getische Nutzung von Biomasse CO2-neutral ist, denn es besteht ein geschlosse-
ner CO2-Kreislauf. Das bei der Nutzung freiwerdende CO2 ist zuvor von den
Energiepflanzen aufgenommen worden. Derzeit kostet ein Liter Heizöl in
Deutschland für den Privatverbraucher etwa 60 Euro-Cent. Zwei Kilogramm In-

dustriegetreide besitzen den Heizwert eines Liters Heizöl und kosten nur etwa
20 Euro-Cent.

Zurzeit stehen die Verwertung von landwirtschaftlichen Rückständen, Neben-
produkten und Abfällen (oft als Reststoffe bezeichnet) zusammen mit Energie-
mais in Biogasanlagen sowie die Produktion von Kraftstoffen auf der Basis von
Rapsöl im Vordergrund. In beiden Fällen werden nachwachsende Rohstoffe
energetisch verwertet, die traditionell ebenfalls als Futtermittel wie auch als

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Nahrungsmittel genutzt werden. Gleichzeitig wird diskutiert, unter welchen
Rahmenbedingungen die Verbrennung von Getreide eine weitere Möglichkeit
der energetischen Nutzung nachwachsender Rohstoffe darstellt und wie dies
ethisch zu bewerten ist. Das Verbrennen von Getreide, das auch zum Brotbacken
geeignet ist, stößt auf ethische Vorbehalte. Die Bereitstellung von Energie ist in
gleicher Weise lebensnotwendig wie die Erzeugung von Nahrungsmitteln. Ge-
treide zu verbrennen, das auf Grund der Belastung z. B. mit Pilzgiften nicht zur
Ernährung oder Verfütterung geeignet ist, ist inzwischen unbestritten. Dies be-
trifft abhängig von der Witterung etwa eine Million Tonnen pro Jahr.

Die energetische Nutzung bestimmter Getreidefraktionen in Kleinfeuerungs-
anlagen ist technisch möglich. Zwischenergebnisse von laufenden Feldtests mit
Biobrennstoffen wie z. B. Getreide zeigen, dass Kleinfeuerungsanlagen beim
Betrieb mit Biobrennstoffen die aktuellen Anforderungen der 1. Bundes-Immis-
sionsschutzverordnung (BImSchV) in Bezug auf die Abgasemission grundsätz-
lich erfüllen können. Die Auswertung der laufenden Forschungs- und Entwick-
lungsaktivitäten (FuE) zum Einsatz von Biobrennstoffen in Kleinfeuerungsanla-
gen zeigt deutliche Potenziale zur weiteren Reduktion der Abgasemissionen sol-
cher Anlagen durch den Einsatz neuartiger Feuerungstechniken auf. Während
Stroh schon jetzt als Regelbrennstoff zugelassen ist, obwohl seine Verbren-
nungseigenschaften schlechter sind als die von Getreide, ist Getreide zurzeit
nicht als Regelbrennstoff zugelassen.

Ergebnisse des Instituts für Luft- und Kältetechnik in Dresden (ILK) für die Ent-
wicklung eines Elektrofilters bei der Getreideverbrennung zeigen viel verspre-
chende Ergebnisse zur Staubabscheidung, insbesondere im Feinstaubbereich
auf. Zusätzliche Untersuchungen zur Praxistauglichkeit der Abscheidetechniken
und zur Beurteilung der Wirtschaftlichkeit von Energiegetreideverbrennungsfil-
tern befinden sich in der Erprobung.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. Energiegetreide in Deutschland in einem ersten Schritt unter bestimmten Be-
dingungen (z. B. im landwirtschaftlichen Umfeld) zunächst für bestimmte
Getreidefraktionen (z. B. mit Pilzen kontaminiertes Getreide, Bruchgetreide)
als Regelbrennstoff im Rahmen eines sinnvollen Abfallmanagements zuzu-
lassen;

2. die zur thermischen Nutzung von Getreide erforderlichen Modifikationen der
BImSchV herbeizuführen mit dem Ziel, im Rahmen einer „Einlaufkurve“ in
den kommenden Jahren Energiegetreide schrittweise auf das Emissions-
niveau vergleichbarer biogener Festbrennstoffe heranzuführen (d. h. Unter-
stützung der technischen Entwicklung durch die langsame und vorhersehbare
sukzessive Verschärfung der Grenzwerte);

3. die Entwicklung von genehmigungsfähigen und sicher betreibbaren Feue-
rungsanlagen für die Energiegetreideverbrennung durch ein FuE-Programm,
das nur von Forschungseinrichtungen in Zusammenarbeit mit entsprechen-
den Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft (vornehmlich kleiner und
mittlerer Unternehmen) in Anspruch genommen werden kann, voranzutrei-
ben, damit mittelfristig die zugelassenen Energiegetreidefraktionen sicher
und emissionsarm verbrannt werden können;

4. die forcierte Entwicklung von Filtertechniken zur Abscheidung von Fein-
stäuben aus den Abgasen voranzutreiben, damit die thermische Getreidever-
brennung zu keiner Minderung der bestehenden Standards der Luftreinhal-
tung führt und damit auch mittel- bis langfristig eine Akzeptanz der Getrei-
deverbrennung gegeben ist; diese Entwicklung muss eng gekoppelt werden

mit der parallel dazu zu realisierenden Entwicklung von Feinstaubfiltern für

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/3048

Holzfeuerungsanlagen, um vorhandene Synergieeffekte zu nutzen und die
knappen öffentlichen FuE-Mittel möglichst effizient einzusetzen;

5. die Analyse der Möglichkeiten einer weitgehenden Schließung der Nähr-
stoffkreisläufe anzustreben, damit die bei der Verbrennung anfallenden
Aschen im Rahmen einer nachhaltigen Bewirtschaftung erneut der Pflanzen-
produktion zugeführt werden können (d. h. Verbesserung der Möglichkeiten
einer Ascherückführung auf die landwirtschaftlichen Nutzflächen);

6. den gesellschaftlichen Diskurs um ethische, technische, ökonomische, öko-
logische, soziale und weitere Aspekte einer thermischen Getreidenutzung zu
führen mit dem Ziel, die vorhandenen emotionalen Vorbehalte auf eine ratio-
nale und faktenorientierte Basis zu stellen;

7. ein deutsches Biomasse-Forschungs-Zentrums einzurichten, das den Schwer-
punkt auf die Biomasse-Konversion und weniger auf die Biomasse-Pro-
duktion legt und das u. a. die Entwicklung der notwendigen Technik forcieren
und zusätzlich helfen soll, entsprechende Brennstoffstandards zu entwickeln
und im Rahmen der europäischen Normungsaktivitäten im CEN TC 335
„Solid Biofuels“ zu vertreten.

Berlin, den 18. Oktober 2006

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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