BT-Drucksache 16/2744

Bund-Länder-Staatsvertrag - Qualitätsmanagement Lebensmittelqualität

Vom 26. September 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/2744
16. Wahlperiode 26. 09. 2006

Antrag
der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann, Dr. Gesine Lötzsch, Dr. Dietmar Bartsch,
Heidrun Bluhm, Eva Bulling-Schröter, Roland Claus, Lutz Heilmann, Hans-Kurt Hill,
Katrin Kunert, Michael Leutert, Dorothee Menzner, Dr. Ilja Seifert und der Fraktion
DIE LINKE.

Bund-Länder-Staatsvertrag – Qualitätsmanagement Lebensmittelqualität

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die seit dem Jahreswechsel bekannt gewordenen Vorkommnisse im Lebensmit-
telhandel und in der Fleischbranche haben bestätigt, dass es in der staatlichen
Lebensmittelkontrolle im Sinne der Lebensmittelsicherheit und des Verbrau-
chervertrauens einer besseren Absicherung hoher Qualitätsstandards bedarf.
Zwar sind die Kompetenzen bei der Gewährleistung der Lebensmittelsicherheit
vor allem in den Ländern angesiedelt. Das kann und darf aber auf Dauer einem
bundesweiten Qualitätsmanagement nicht entgegenstehen. Entscheidend ist,
dass die Lebensmittelqualität und -sicherheit für die Verbraucherinnen und
Verbraucher verbessert werden. Hierfür ist der Abschluss eines Staatsvertrags
zwischen Bund und Ländern erforderlich, der die Kooperation zwischen Bund
und Ländern klar regelt und auch einklagbare Rechte für die Bürgerinnen und
Bürger begründet. Damit kann ein verbindliches Qualitätsmanagement im Ver-
hältnis Bund – Länder geschaffen werden. Das „13-Punkte-Programm“ der Ver-
braucherschutzministerkonferenz vom 7. September 2006 beinhaltet solch eine
Verbindlichkeit nicht. Es liegen lediglich politisch-organisatorische Absichts-
erklärungen und unverbindliche Selbstverpflichtungen vor. Einklagbare Rechte
und Pflichten von Bürgerinnen und Bürgern für ihre Lebensmittelsicherheit sind
nicht vorgesehen. Positive Erfahrungen mit Staatsverträgen zeigen die Rund-
funkstaatsverträge und Rundfunkgebührenstaatsverträge der Länder bzw. der
Hauptstadt-Staatsvertrag. Hier werden im Aufgabenbereich der Länder von den
Ländern bzw. von Ländern und dem Bund Kompetenzen gemeinsam wahrge-
nommen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf:

Die Bundesregierung soll mit den Bundesländern in Verhandlung treten, um
einen Staatsvertrag zum Aufbau eines bundesweiten Qualitätsmanagements im
Bereich der Lebensmittelsicherheit zu erarbeiten, der unter anderem folgende

Bestandteile enthält:

1. Vereinbarungen über gleichwertige Qualitätsstandards in den Ländern wie
z. B.:

● Anzahl, Qualifikation und Weiterbildung der Kontrolleure;

● geeignete Ansiedlung der Dienststellen der Kontrolleure, um sachfremder
Einflussnahme besser vorzubeugen;

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● Rotation der Kontrolleure, um aufgabenwidrigen Bindungen vorzubeu-
gen;

● Verbesserung des Datenabgleichs zu erzielten Kontrollergebnissen – Aus-
bau des FIS-VL zu einer Datenbank, in der risikorelevante Informationen
zeitnah und zentral verfügbar sind; Einführung einer Meldepflicht von
lebensmittelsicherheitsrelevanten Vorfällen an diese Datenbank adäquat
zur Meldepflicht von Infektionskrankheiten bei Mensch und Tier an das
TSN (TierSeuchenNachrichtensystem);

● risikoorientiert sensitive und einheitliche Analyseverfahren und Unter-
suchungskriterien.

2. Festschreibung der Auditierung der Kontrollmaßnahmen;

3. Ausbau des Frühwarnsystems in kritischer Auswertung einer umfangreichen
Schwachstellenanalyse der Vorfälle der vergangenen Jahre;

4. Gründung einer Task Force zur Unterstützung einer schnellen Aufklärung
von Vorfällen und zur ständigen Evaluierung der Effektivität des Kontroll-
systems;

5. Einrichtung eines Nationalen Referenzlabors zur Überwachung der Freiheit
von Lebensmitteln von unerlaubten Genveränderungen. Dazu gehört die Vor-
haltung von Referenzmaterial und diagnostischen Tests;

6. Begründung von Rechten der Bürgerinnen und Bürger auf Haftung der
Gebietskörperschaft für Schäden, die aus Organisationsverschulden bei der
Lebensmittelkontrolle mit verursacht wurden;

7. Umfassende Publizitätspflichten über den Aufbau und die Evaluierung
des Qualitätssicherungs- und -fortentwicklungssystems im Rahmen eines
„Benchmarking“-Systems, welches die Leistungsfähigkeit der behördlichen
Lebensmittelüberwachung auch für die Öffentlichkeit vergleichbar macht;

8. Individualisierte und umfassende Veröffentlichungspflichten und Auskunfts-
ansprüche der Öffentlichkeit über die Ergebnisse von Kontrollen.

Berlin, den 18. September 2006

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

Begründung

Mit einer Vertragsstruktur, die freiwillig und aufkündbar Kontrollkompetenzen
einräumt, ist ein effektives fachliches und rechtliches Qualitätsmanagement
über den bisherigen Ansatz des Grundgesetzes hinaus möglich. So können die
Aufgabenerfüllung der Landes- und Kommunalbehörden in der Lebensmittel-
sicherheit noch besser dem bundesweiten Vergleichs- und Qualitätsmanagement
zugeführt werden. Dabei hat ein Staatsvertrag, an dem die Länder freiwillig und
aufkündbar teilnehmen, viele Vorteile. Die Ratifizierung in den Landesparla-
menten ermöglicht eine verbesserte politische Kontrolle. Als Vertrag zu Gunsten
oder mit Schutzwirkung der Verbraucherinnen und Verbraucher kann er auch für
die Bürgerinnen und Bürger einklagbare Rechte begründen. Der Bund kann ein-
gebunden werden, ohne dass die Verfassung verletzt wird und das Grundgesetz
zu ändern ist. Für eine effektive Gewährleistung der Qualitätsstandards sind
Kontrollen wichtig, die durch Vertragsstrafen flankiert werden. Das erforder-

liche Kontrollverhältnis wird gegenwärtig unterschätzt, wenn lediglich auf die

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Kompetenzen der Länder abgestellt wird. Im Bund-Länder-Staatsvertrag könn-
ten an die Spitze des Qualitätsmanagements der Bund und ein im Rotationsver-
fahren wechselndes Bundesland gestellt werden. Die Kompetenzverteilung im
Grundgesetz verbietet nicht, dass die Länder miteinander und mit dem Bund
Verträge schließen. Das Grundgesetz steht der Einführung effektiver Qualitäts-
sicherungssysteme nicht etwa entgegen, sondern fordert geradezu die Gewähr-
leistung der Lebensmittelsicherheit.

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