BT-Drucksache 16/2732

Grüne Biotechnologie als Zukunftsbranche

Vom 22. September 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/2732
16. Wahlperiode 22. 09. 2006

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Christel Happach-Kasan, Cornelia Pieper, Jens Ackermann,
Dr. Karl Addicks, Christian Ahrendt, Daniel Bahr (Münster), Uwe Barth, Rainer
Brüderle, Angelika Brunkhorst, Ernst Burgbacher, Patrick Döring, Mechthild
Dyckmans, Jörg van Essen, Ulrike Flach, Otto Fricke, Horst Friedrich (Bayreuth),
Dr. Edmund Peter Geisen, Hans-Michael Goldmann, Miriam Gruß, Joachim
Günther (Plauen), Heinz-Peter Haustein, Elke Hoff, Birgit Homburger, Michael
Kauch, Hellmut Königshaus, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp, Heinz
Lanfermann, Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht, Ina Lenke, Michael Link
(Heilbronn), Horst Meierhofer, Patrick Meinhardt, Burkhardt Müller-Sönksen,
Dirk Niebel, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr, Gisela Piltz, Jörg Rohde,
Frank Schäffler, Marina Schuster, Dr. Max Stadler, Dr. Rainer Stinner,
Florian Toncar, Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker Wissing, Dr. Guido Westerwelle
und der Fraktion der FDP

Grüne Biotechnologie als Zukunftsbranche

In ihrer ersten Regierungserklärung vom 30. November 2005 erklärte die Bun-
deskanzlerin Dr. Angela Merkel: „Ich sage das mit großem Ernst: Ich glaube,
noch nie hat ein Koalitionsvertrag in Deutschland so sehr auf Innovation und
Technologiefreundlichkeit in Zukunftsbranchen gesetzt. […] Wir müssen auf die
Freiheit der Entwicklungsmöglichkeiten in der Nano-, Bio- und Informations-
technologie setzen. […] Wir werden noch einmal das Regelwerk für die Grüne
Gentechnologie überarbeiten“ (Plenarprotokoll 16/4 S. 85 C, D). Damit wurde
zumindest rhetorisch anerkannt, dass in einem Land wie Deutschland mit einem
vergleichsweise hohen Lohnniveau nur wissensbasierte Arbeitsplätze mittel-
und langfristig sichere Arbeitsplätze sind, die dauerhaft zur Senkung der
Arbeitslosigkeit beitragen können.

Trotz dieser deutlichen Ankündigung der Bundeskanzlerin in der Regierungser-
klärung sind wesentliche neue Weichenstellungen bisher nicht erfolgt. Eine be-
sondere Bedeutung hat dabei die Novellierung des Gentechnikgesetzes mit der
Schaffung einer Haftungsregelung, die für alle Landwirte Rechtssicherheit
schafft, mit der für Unternehmen, Hochschulen und Institute forschungsfreund-
lichen Umsetzung der Freisetzungsrichtlinie, mit praktikablen Regelungen zur
Koexistenz und dem Abbau überflüssiger Bürokratie. Der mehrfach angekün-

digte Gesetzentwurf liegt nicht vor. Inzwischen hat der Bundesminister für Er-
nährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Horst Seehofer, nach einem
Bericht in „faz.net“ vom 25. Juni 2006 die „kommerzielle Nutzung der Gentech-
nik in der Landwirtschaft grundsätzlich in Zweifel gezogen“. Seine Vorschläge,
Forschungen im Bereich der grünen Gentechnik zu fördern, die Ergebnisse
dieser Forschungen jedoch gezielt nicht anzuwenden, stehen ebenfalls im
Widerspruch zur Regierungserklärung. Sie sind kein Ausdruck von Forschungs-

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freundlichkeit, sondern aus Sicht der Fragesteller pure Geldverschwendung.
Bundesbehörden, wie das Bundesamt für Naturschutz, das wichtige Aufgaben
beim Vollzug des Gentechnikgesetzes hat, betreiben mit ihren Stellungnahmen
eine Politik der Verhinderung der Gentechnik, ohne dass dafür wissenschaftlich
nachvollziehbare Gründe vorliegen. Ein Beispiel dafür ist die ohne wissen-
schaftliche Begründung erhobene Forderung nach einem Abstand von 200 m
zwischen einem Feld mit transgenen Kartoffeln und einem FFH-Gebiet (FFH:
Flora-Fauna-Habitat).

Diese gentechnikfeindlichen Haltungen in der Bundesregierung und bei nachge-
ordneten Behörden verhindern, dass neue Arbeitsplätze entstehen. Schon 1973
wurde am Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung in Köln der erste trans-
gene Organismus gezüchtet, 1983 die erste transgene Pflanze, 1989 der erste
Freisetzungsversuch mit Petunien durchgeführt. Mit der Nutzung gentech-
nischer Methoden gibt es somit jahrzehntelange Erfahrungen. Die Vorgänger-
regierung konnte kein Beispiel für negative Erfahrungen mit der Nutzung der
grünen Gentechnik als Züchtungsmethode nennen. Dieser große Wissensvor-
sprung in Deutschland in der Anwendung gentechnischer Methoden konnte
jedoch nicht für die Entwicklung von Produkten genutzt werden. Eine Ursache
dafür war das Fehlen von Akzeptanz in Teilen der Bevölkerung für die Anwen-
dung dieser eleganten und für die verschiedensten Zuchtziele geeigneten Züch-
tungsmethode, obwohl zum Beispiel die vom Wissenschaftsinstitut in Berlin
Anfang der 90er Jahre durchgeführte Technikfolgenabschätzung aufzeigte, dass
nicht die Züchtungsmethode sondern die Eigenschaften neuer Sorten für deren
Bewertung entscheidend sind. Das von der EU ausgesprochene und inzwischen
von der Welthandelsorganisation als widerrechtlich bewertete Gentechnikmora-
torium hat zusätzlich dazu geführt, dass in Europa ansässige Unternehmen in der
Entwicklung der Nutzung gentechnischer Methoden behindert und deren Wett-
bewerbsfähigkeit gegenüber Unternehmen in Ländern ohne ein solches Morato-
rium beeinträchtigt wurden.

Im Bestreben, auf dem Gebiet der Gentechnik den Anschluss an die internatio-
nale Forschung nicht zu verlieren bzw. zurückzugewinnen und die Vorausset-
zung für wissensbasierte neue Arbeitsplätze zu schaffen, wurden seit Anfang der
90er Jahre mit verschiedenen Programmen Forschungsarbeiten zur grünen
Biotechnologie wie die Erforschung des Genoms von Kulturpflanzen oder die
Auswirkungen des Anbaus transgener Pflanzen gefördert. Die entsprechenden
Forschungsvorhaben wurden und werden durch Hochschulen und außeruniver-
sitäre Forschungseinrichtungen sowie in Verbünden zwischen der Wissenschaft
und der Wirtschaft bearbeitet. In besonderer Weise ist es dem BioRegio-Wettbe-
werb mit seinen Nachfolgeprogrammen gelungen, Forschungen in der Gentech-
nik und Unternehmensgründungen zu initiieren. Während bei der roten Gen-
technik der Aufschwung gelungen ist, gilt dies nicht für die Anwendung der
grünen Gentechnik und den Anbau transgener Pflanzen in Deutschland. Gleich-
wohl sieht die Hightech-Strategie der Bundesregierung in der grünen Biotech-
nologie große Zukunftschancen. Es zeichnet sich ab, dass transgene Pflanzen,
gezüchtet für die Verwertung als nachwachsende Rohstoffe, besondere Vorteile
in der Verwendung als Rohstoffe für die industrielle Verwertung haben und eine
hohe Wertschätzung in der Bevölkerung genießen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Regionen haben sich am BioRegio-Wettbewerb beteiligt, welche
Regionen haben den Wettbewerb gewonnen, und in welcher Höhe haben die
Gewinnerregionen jeweils Fördermittel aus diesem Wettbewerb sowie den
Nachfolgeprogrammen vom Bund erhalten?

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2. Welche Regionen gehören jetzt nach Einschätzung der Bundesregierung zu
den führenden Biotechnologieregionen in Deutschland, und welche Krite-
rien legt sie ihrer Einschätzung zugrunde?

3. Welche Bedeutung haben für den Erfolg dieser Regionen die Teilnahme am
Wettbewerb und gegebenenfalls der Gewinn des Wettbewerbs gehabt?

4. Wie bewertet die Bundesregierung die Ergebnisse dieser clusterorientierten
Technologiepolitik hinsichtlich der Stärkung der Regionen und des Erhalts
und der Schaffung von wissensbasierten Arbeitsplätzen?

5. In welchem Umfang konnte der Wettbewerb den Einsatz von Risikokapital
für Biotechnologie-Unternehmen generieren?

6. Bei welchen der Regionen sind Unternehmen und Forschungsinstitutionen
beteiligt, die im Bereich der grünen Gentechnik arbeiten?

7. Wie bewertet die Bundesregierung insgesamt den Erfolg des Wettbewerbs
BioRegio hinsichtlich der Gründung von Unternehmen in der Biotechnolo-
gie und des Erhalts und der Schaffung von Arbeitsplätzen sowie der Nach-
folgeprogramme BioFuture, BioChance und BioProfile?

8. Welche Vorhaben zur Umsetzung biotechnologischen Wissens in neue Pro-
dukte und nachhaltige Produktionsvorhaben wurden durch die Bundes-
regierung durch die Förderinitiative BioChance seit 1999 gefördert?

9. Wie hoch waren die Mittel, die hierfür von der Bundesregierung eingesetzt
wurden?

10. Welche Konzepte zur innovativen Umsetzung von Forschungs- und Ent-
wicklungsergebnissen in neuen und speziellen Biotechnologiebereichen
wurden durch die Bundesregierung mit der Fördermaßnahme BioProfile mit
welchem Ergebnis gefördert?

11. Wie hoch waren die finanziellen Mittel, die insgesamt der Bund hierfür auf-
gewendet hat?

12. In welcher Weise wurden die Erfahrungen aus dem BioRegio-Wettbewerb
bei der Ausarbeitung der Hightech-Strategie der Bundesregierung berück-
sichtigt?

13. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass die Weiterentwicklung
der grünen Gentechnik Chancen für die Entwicklung innovativer Produkte
und damit Chancen für neue Arbeitsplätze bietet, und wenn nein, warum
nicht?

14. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass das restriktive Gentech-
nikgesetz mit den finanziellen Risiken für die Anbauer von gentechnisch
veränderten Pflanzen sowie Vorbehalte in der Bevölkerung gegenüber der
grünen Gentechnik bisher den durchschlagenden Erfolg dieser neuen Tech-
nologie behindert haben, und wenn nein, welche anderen Ursachen sieht die
Bundesregierung?

15. Welche konkreten Initiativen plant die Bundesregierung, um bestehende
Vorbehalte gegenüber der grünen Gentechnik zu überwinden und die Vor-
teile der Anwendung der Züchtungsmethode für Verbraucherinnen und Ver-
braucher, für Umwelt und Landwirtschaft darzustellen?

16. Wie begründet die Bundesregierung den von ihr eingeschlagenen Kurs, For-
schungsvorhaben der grünen Gentechnik finanziell zu fördern und gleich-
zeitig die kommerzielle Anwendung der Forschungsergebnisse grundsätz-
lich in Zweifel zu ziehen?

Drucksache 16/2732 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
17. Wie bewertet die Bundesregierung die These, dass die Trennung von For-
schung und Anwendung die Skepsis bei Verbraucherinnen und Verbrauchern
gegenüber der grünen Gentechnik verstärken wird und damit kontraproduk-
tiv auf die Schaffung eines innovationsfreundlichen Klimas in Deutschland
wirkt?

18. Wie ist die von Bundesminister Horst Seehofer auf dem ZEITForum der
Wissenschaft im Juni dieses Jahres dargestellte Trennung von Forschung
und Anwendung der grünen Gentechnik mit der Hightech-Strategie der
Bundesregierung vereinbar?

19. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass die Förderung von For-
schung im Sinne der Worte von Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel in der
Haushaltsdebatte „Von der Idee zum Produkt“ damit verbunden werden
sollte, dass die Ergebnisse der in Deutschland geförderten Forschung der
grünen Gentechnik auch in Deutschland zur Wertschöpfung beitragen?

20. Wann wird die Bundesregierung die von Bundeskanzlerin Dr. Angela
Merkel in ihrer ersten Regierungserklärung versprochene umfassende
Novellierung des Gentechnikrechts vorlegen?

21. Welche wesentlichen inhaltlichen Änderungen plant die Bundesregierung
im Rahmen der Novellierung des Gentechnikrechts?

Berlin, den 21. September 2006

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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