BT-Drucksache 16/2689

Bürokratischer Aufwand bei der Altgeräteentsorgung nach dem Elektro- und Elektronikgerätegesetz

Vom 22. September 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/2689
16. Wahlperiode 22. 09. 2006

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Birgit Homburger, Angelika Brunkhorst, Michael Kauch, Horst
Meierhofer, Jens Ackermann, Dr. Karl Addicks, Christian Ahrendt, Daniel Bahr
(Münster), Uwe Barth, Rainer Brüderle, Ernst Burgbacher, Patrick Döring,
Mechthild Dyckmans, Jörg van Essen, Ulrike Flach, Otto Fricke, Paul K. Friedhoff,
Horst Friedrich (Bayreuth), Dr. Edmund Peter Geisen, Hans-Michael Goldmann,
Miriam Gruß, Joachim Günther (Plauen), Dr. Christel Happach-Kasan,
Heinz-Peter Haustein, Elke Hoff, Hellmut Königshaus, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun
Kopp, Jürgen Koppelin, Heinz Lanfermann, Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht,
Michael Link (Heilbronn), Patrick Meinhardt, Jan Mücke, Burkhardt Müller-
Sönksen, Dirk Niebel, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr, Cornelia Pieper,
Gisela Piltz, Jörg Rohde, Frank Schäffler, Marina Schuster, Dr. Rainer Stinner,
Florian Toncar, Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker Wissing, Hartfrid Wolff
(Rems-Murr), Martin Zeil, Dr. Guido Westerwelle und der Fraktion der FDP

Bürokratischer Aufwand bei der Altgeräteentsorgung nach dem Elektro- und
Elektronikgerätegesetz

Nach dem Gesetz über das Inverkehrbringen, die Rücknahme und die umwelt-
verträgliche Entsorgung von Elektro- und Elektronikgeräten (Elektro- und Elek-
tronikgerätegesetz – ElektroG) können Verbraucherinnen und Verbraucher seit
dem 24. März 2006 ihre alten Elektro- und Elektronikgeräte ohne besonderes
Entgelt bei kommunalen Sammelstellen abgeben. Einzelhändler dürfen die von
Kunden zurückgegebenen Geräte ebenfalls bei den Kommunen entgeltfrei abge-
ben. Abgesehen von Produktions-, Registrierungs-, Kennzeichnungs- und Mit-
teilungspflichten der Hersteller müssen diese die betreffenden Altgeräte zurück-
nehmen und entsorgen.

Die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger trifft die Verpflichtung, die privaten
Haushalte über die jeweiligen Gegebenheiten zu informieren, geeignete Sammel-
stellen einzurichten und diese der „Stiftung Elektro-Altgeräte Register – EAR“
anzuzeigen, die Altgeräte unentgeltlich, wenngleich auf dem Gebührenwege
refinanzierbar, anzunehmen und den Herstellern zu melden, wenn die betreffen-
den Behältnisse gefüllt sind. Diese stellen den Kommunen die Behältnisse zur
Aufnahme der Altgeräte an den Sammelstellen zur Verfügung und übernehmen

die Abholung, wenn eine bestimmte Menge in einer Altgerätegruppe erreicht ist.
Bis zum 31. Dezember 2006 sollen durchschnittlich mindestens vier Kilogramm
Altgeräte aus privaten Haushalten pro Einwohner und Jahr getrennt gesammelt
werden.

Seit Inkrafttreten des ElektroG gibt es immer wieder Kritik an den Regelungen
des ElektroG und deren Umsetzung. Der Bundesverband Sekundärrohstoffe und
Entsorgung e. V. (bvse) befürchtet, dass das ElektroG die Spirale der Marktkon-

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zentration beschleunige. Laut bvse wurden schätzungsweise ca. 80 Prozent des
gesamten Auftragsvolumens für Geräte aus Haushaltungen von den Hersteller-
kooperationen an sechs flächendeckend agierende Systemträger vergeben. Der
bvse bezeichnet es als absehbar, dass regionale Monopole und Oligopole entste-
hen würden. Der Zentralverband der Deutschen Elektro- und Informationstech-
nischen Handwerke (ZVEH) berichtet, dass kommunale Entsorgungsstellen ent-
gegen geltendem Recht für die Rücknahme teils weiterhin Gebühren verlangen
und Betriebe durch überzogene Nachweispflichten im Hinblick auf die Herkunft
der Elektroaltgeräte aus privaten Haushalten unverhältnismäßig belastet wür-
den. Der Bundesverband der Deutschen Entsorgungswirtschaft (BDE) hat Hin-
weise darauf, dass Altmetallhändler nicht genehmigte gewerbliche Sammlungen
durchführen und weist darauf hin, dass Wertstoffe beispielsweise aus alten Fern-
sehgeräten entwendet würden. Weiterhin kritisiert der bvse die Abläufe zur Ab-
holkoordination durch die EAR. Laut einer eigenen Mitgliederumfrage des bvse
bewerteten 60 Prozent der Mitglieder den organisatorischen Aufwand zur Ab-
wicklung der Logistik auf der Grundlage des Systems als zu hoch. Einzelne Un-
ternehmen berichteten, dass sich ihr Verwaltungsaufwand um das Dreifache ge-
steigert habe. Das ElektroG sei ein „Regulierungsmonster“ und der entstandene
administrative Aufwand gerade für mittelständische Unternehmen sei nicht
akzeptabel. Für die privaten Entsorgungsunternehmen ergibt sich laut BDE ein
Koordinationsproblem insbesondere aufgrund der Tatsache, dass keineswegs
immer dieselbe Firma, die einen Container aufstellt, mit dessen Abholung be-
auftragt wird. Container fremder Firmen müssten in Eigeninitiative wieder zu-
rückgeführt werden. Zudem verursache das aktuelle System der Elektroaltgerä-
teentsorgung fast 50 Prozent unnötige Leerfahrten. Bei der gemeinsamen
Erfassung von Informations- und Telekommunikationsgeräten und Unterhal-
tungselektronikgeräten mit Bildschirmgeräten konstatiert der bvse „deutliche
ökologische Rückschritte“.

Betroffene Unternehmen beklagen schließlich, dass ihnen vom jeweils beauf-
tragten Entsorgungsunternehmen für die Entsorgung eines zugewiesenen Con-
tainers mit Altgeräten sowohl die Entsorgung von „einfachem“ Elektroschrott,
als auch die Entsorgung von Monitoren und TV-Geräten in Rechnung gestellt
werde, auch wenn die Unternehmen weder Monitore noch TV-Geräte herstellen,
diese auch nicht in Verkehr bringen oder weiterverkaufen und sie sich demge-
mäß auch für diese Geräteklasse nicht haben registrieren lassen. Aufgrund der je
nach Geräteart unterschiedlich hohen Entsorgungskosten stellen die Hersteller
die Frage nach einer Kalkulationsbasis.

Im Mai 2006 hat zum ElektroG ein „Runder Tisch“ der Beteiligten unter Mode-
ration des BMU stattgefunden.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Ist nach Kenntnis der Bundesregierung in Deutschland für die Bürgerinnen
und Bürger mittlerweile flächendeckend die Möglichkeit geschaffen worden,
Elektro-Altgeräte kostenlos abzugeben?

2. Wenn nein, welches sind die Gründe hierfür?

3. Welche Mengen an Altgeräten wurden seit Inkrafttreten des ElektroG gesam-
melt?

4. Wie haben sich die gesammelten Mengen gegenüber der Zeit vor dem
Inkrafttreten des ElektroG verändert?

5. Welche Mengen an Elektrogeräten wurden demgegenüber in den letzten Jah-
ren in Verkehr gebracht?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/2689

6. Wie wird die Möglichkeit der kostenlosen Rückgabe der Elektroaltgeräte
von den Verbraucherinnen und Verbrauchern angenommen, insbesondere
wie hoch sind nach Kenntnis der Bundesregierung die Anteile von Elektro-
schrott, die im Hausmüll verbleiben?

7. Gibt es insoweit nach Kenntnis der Bundesregierung noch Informations-
defizite bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern?

8. Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung Anzeichen für die vom bvse be-
fürchtete Marktkonzentration, und wenn ja, wie bewertet die Bundesregie-
rung dies?

9. Wie hoch sind nach Kenntnis der Bundesregierung die wirtschaftlichen
Schäden infolge der Ausschlachtung von Elektroaltgeräten oder deren kom-
pletten Diebstahl auf dem Weg zur Verwertung bzw. infolge von ungeneh-
migten gewerblichen Altmetallsammlungen?

10. Welche Folgen hat dies nach Kenntnis der Bundesregierung auf das System
der Altgeräteentsorgung nach dem ElektroG, insbesondere im Hinblick auf
dessen finanzielle Grundlage?

11. Trifft es nach Kenntnis der Bundesregierung zu, dass kommunale Entsor-
gungsstellen für die Rücknahme von Elektroaltgeräten teils weiterhin Ge-
bühren verlangen, und wenn ja, wie bewertet die Bundesregierung dies?

12. Trifft es nach Kenntnis der Bundesregierung zu, dass manche kommunalen
Entsorgungsstellen an anliefernde Vertreiber derart hohe Anforderungen an
den Nachweis stellen, ob angelieferte Altgeräte aus privaten Haushaltungen
stammen, dass diese Betriebe nur mit großem bürokratischen Aufwand die
Altgeräte abgeben können, und wenn ja, wie bewertet die Bundesregierung
dies?

13. Wie bewertet die Bundesregierung die Kritik an den Abläufen der Abhol-
koordination durch die EAR, insbesondere im Hinblick auf den organisato-
rischen Aufwand zur Abwicklung der Logistik und den gestiegenen Verwal-
tungsaufwand (Bürokratie)?

14. Trifft es nach Kenntnis der Bundesregierung zu, dass das aktuelle System
der Elektroaltgeräteentsorgung fast 50 Prozent unnötige Leerfahrten verur-
sacht, und wenn ja, welches sind die Gründe hierfür?

15. Wie könnten nach Auffassung der Bundesregierung etwaige Leerfahrten
vermieden werden?

16. Trifft es nach Kenntnis der Bundesregierung zu, dass Hersteller aufgrund
der Regelungen des ElektroG auch die Entsorgung von solchen Gerätearten
finanzieren müssen, für die sie sich nicht haben registrieren lassen, und
wenn ja, wie bewertet die Bundesregierung dies im Hinblick auf die Frage
der Produktverantwortung und der Kalkulationsbasis für die Hersteller?

17. Gibt es Überlegungen, das ElektroG dahingehend zu ändern, dass die Her-
steller tatsächlich nur für die Finanzierung der Entsorgung derjenigen Alt-
gerätearten zu sorgen haben, für die sie sich auch haben registrieren lassen
und die sie selbst in Verkehr gebracht haben?

18. Trifft es nach Kenntnis der Bundesregierung zu, dass die Entsorgungskosten
für Bildschirmgeräte deutlich über denjenigen von sonstigen Altgeräten der
Gruppe 3 (Informations- und Telekommunikationsgeräte, Geräte der Unter-
haltungselektronik) liegen, und wenn ja, findet dieser Umstand nach Auf-
fassung der Bundesregierung in der Berechnung der Verteilung der Abhol-
pflichten und damit der Entsorgungskosten nach dem ElektroG angemessene
Berücksichtigung?
19. Wie begründet die Bundesregierung ihre Auffassung?

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20. Trifft es nach Kenntnis der Bundesregierung zu, dass beispielsweise Bild-
schirmgeräte nicht – wie im ElektroG vorgeschrieben – separat und bruch-
sicher erfasst werden und deshalb bereits zerstört bei den Erstbehandlungs-
anlagen ankommen, und wenn ja, welche Folgen hat das für die Möglichkeit
der Verwertung?

21. Wie bewertet die Bundesregierung vor diesem Hintergrund den Vorschlag
des bvse, die Gerätegruppen Informationstechnologie, Telekommunikation
und Unterhaltungselektronik sowie Bildschirmgeräte getrennt zu erfassen?

22. Wie viele Unternehmen sind von den mit dem ElektroG zusammenhängen-
den Rechtspflichten in Deutschland betroffen?

23. Hat die Bundesregierung Vorstellungen über die Anzahl von Unternehmen
in Deutschland, welche den Regelungen des ElektroG unterfallen, gleich-
wohl den sie betreffenden Rechtspflichten aber noch nicht nachgekommen
sind?

24. Wenn ja, um wie viele Unternehmen handelt es sich nach Kenntnis der Bun-
desregierung?

25. Wenn nein, hält es die Bundesregierung für sinnvoll, über den in Frage 23
genannten Sachverhalt (betroffene Unternehmen, die Rechtspflichten nicht
nachkommen) zumindest näherungsweise Aufklärung zu erhalten?

26. Wenn nein, weshalb nicht und wenn ja, auf konkret welchem Wege gedenkt
die Bundesregierung dies zu erreichen?

27. Wie wird sichergestellt, dass die von einem Elektrogeräte aus einem ande-
ren Mitgliedstaat der EU einführenden Importeur angegebenen Rücknah-
memengen korrekt sind?

28. Wie bewertet die Bundesregierung den Vorschlag seitens vom ElektroG
betroffener Betriebe für eine sog. Klein-Betriebsregelung, wonach das
ElektroG erst ab einer gewissen Zahl von jährlich produzierten Einheiten
oder ab einer bestimmten Gewichtsmenge anwendbar sein soll?

29. In wie vielen Fällen hat die Stiftung Elektro-Altgeräte Register nach Kennt-
nis der Bundesregierung von der Möglichkeit der Gebührenermäßigung
oder dem Absehen von der Erhebung einer Gebühr gemäß § 2 der Kosten-
verordnung zum Elektro- und Elektronikgerätegesetz Gebrauch gemacht?

30. Welche Behörde(n) ist/sind mit dem Vollzug und der Überwachung des
ElektroG betraut?

31. Welche Behörde(n) ist/sind mit der Verfolgung und Ahndung von Ord-
nungswidrigkeiten nach § 23 ElektroG jeweils betraut?

32. Wie viele Personen sind nach Kenntnis der Bundesregierung derzeit aus-
schließlich mit den in Frage 29 genannten Aufgaben betraut?

33. Wurden auf dieser Grundlage bereits Sanktionen verhängt, und wenn ja, um
welche Sanktionen handelt es sich (Ordnungswidrigkeiten, Widerruf der
Registrierung, Verwaltungszwang, Sanktionen gemäß Anhang zu § 1 Abs. 1
der Kostenverordnung zum ElektroG)?

34. Sofern unmittelbar finanzielle Sanktionen (Bußgelder o. Ä.) verhängt wor-
den sind, in wieviel Fällen und wie hoch waren die verhängten Sanktionen?

35. Handelt es sich bei § 5 ElektroG nach Auffassung der Bundesregierung um
eine gesetzliche Vorschrift, welche im Sinne von § 4 Nr. 11 des Gesetzes ge-
gen unlauteren Wettbewerb (UWG) „auch dazu bestimmt ist, im Interesse
der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln“?
36. Wenn nein, weshalb nicht, und wenn ja, wie beurteilt die Bundesregierung
die wettbewerbsrechtlichen Konsequenzen, insbesondere im Hinblick auf

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/2689

die Möglichkeit von Marktteilnehmern Schadensersatz, Beseitigungs- und
Unterlassungsansprüche durch Abmahnung und ggf. einstweilige Verfü-
gungen geltend machen zu können?

37. Wie bewertet die Bundesregierung die vorstehend thematisierten Sachver-
halte und Schwierigkeiten mit Blick auf die so genannte Eco-Design-Richt-
linie (Richtlinie 2005/32/EG des Europäischen Parlaments und des Rates
vom 6. Juli 2005 zur Schaffung eines Rahmens für die Festlegung von
Anforderungen an die umweltgerechte Gestaltung energiebetriebener Pro-
dukte und zur Änderung der Richtlinie 92/42/EWG des Rates sowie der
Richtlinien 96/57/EG und 2000/55/EG des Europäischen Parlaments und
des Rates) und mit Blick auf vergleichbare Regulierungsbestrebungen im
außereuropäischen Ausland (z. B. die kürzlich in China verabschiedete und
zum 1. März 2007 in Kraft tretende „China-RoHS“ – Management Methods
for Controlling Pollution Caused by Electronic Information Products Regu-
lation)?

38. Was sind die Ergebnisse des Runden Tisches vom 18. Mai 2006, den der
BMU moderiert hat, und welche konkreten Maßnahmen hat die Bundes-
regierung bislang ergriffen?

Berlin, den 19. September 2006

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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