BT-Drucksache 16/2674

Umlageverfahren U1 zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall auf freiwillige Basis stellen

Vom 21. September 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/2674
16. Wahlperiode 21. 09. 2006

Antrag
der Abgeordneten Daniel Bahr (Münster), Paul K. Friedhoff, Heinz Lanfermann,
Dr. Konrad Schily, Dr. Heinrich L. Kolb, Jens Ackermann, Dr. Karl Addicks,
Christian Ahrendt, Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst, Ernst Burgbacher,
Patrick Döring, Mechthild Dyckmans, Jörg van Essen, Otto Fricke, Horst Friedrich
(Bayreuth), Dr. Edmund Peter Geisen, Hans-Michael Goldmann, Miriam Gruß,
Heinz-Peter Haustein, Birgit Homburger, Michael Kauch, Gudrun Kopp, Jürgen
Koppelin, Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht, Ina Lenke, Michael Link (Heilbronn),
Horst Meierhofer, Patrick Meinhardt, Jan Mücke, Burkhardt Müller-Sönksen, Dirk
Niebel, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr, Cornelia Pieper, Jörg Rohde,
Marina Schuster, Dr. Rainer Stinner, Florian Toncar, Dr. Claudia Winterstein,
Dr. Volker Wissing, Martin Zeil, Dr. Guido Westerwelle und der Fraktion der FDP

Umlageverfahren U1 zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall auf freiwillige Basis
stellen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

das im Gesetz über den Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen für Entgelt-
fortzahlung (AAG) gesetzlich zwingend vorgesehene Ausgleichsverfahren für
die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall bei Betrieben mit bis zu 30 Arbeit-
nehmern und Arbeitnehmerinnen, das U1-Umlageverfahren, abzuschaffen.

Berlin, den 21. September 2006

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

Begründung

Arbeitgeber mit bis zu 30 Beschäftigten müssen sich gemäß AAG an dem so
genannten U1-Umlageverfahren beteiligen. Danach zahlen die Arbeitgeber an

die jeweilige gesetzliche Krankenkasse ihrer Arbeiter und Angestellten einen
bestimmten Umlagebetrag, dafür, dass sie im Krankheitsfall dieser Beschäf-
tigten die Aufwendungen, die aufgrund der Entgeltfortzahlung nach dem Ent-
geltfortzahlungsgesetz entstanden sind, zu im Regelfall 80 Prozent erstattet
bekommen. Die Krankenkassen können die Erstattungshöhe per Satzung ein-
schränken. Allerdings muss der Erstattungssatz gemäß eines Urteils des Bun-
dessozialgerichts (A2: B 1 A 1/06 R) mindestens 50 Prozent betragen.

Drucksache 16/2674 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
Bund, Länder und Gemeinden sowie sonstige Körperschaften, Anstalten und
Stiftungen des öffentlichen Rechts nehmen an dem U1-Umlageverfahren nicht
teil, die Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege nur dann, wenn sie das
ausdrücklich und unwiderruflich wünschen.

Mit dem Umlageverfahren wird ein Risiko, das der Unternehmer zu tragen hat,
auf eine Arbeitgebergemeinschaft übertragen mit allen Konsequenzen wie
fehlende Wirtschaftlichkeitsanreize und die Gefahr des Trittbrettfahrerver-
haltens. Das Umlageverfahren ist zudem bürokratisch, zeitaufwändig und mit
hohen Verwaltungskosten sowohl auf Seiten der Betriebe als auch auf Seiten
der Krankenkassen verbunden. Im Extremfall muss die Umlage für jeden Mit-
arbeiter an eine andere Krankenkasse mit anderen Umlagesätzen abgeführt und
im Krankheitsfall mit jeweils anderen Erstattungssätzen abgerechnet werden.
Die Mitarbeiter müssen, um den Krankheitsfall korrekt nachweisen zu können,
für jeden Krankheitstag eine ärztliche Bescheinigung beibringen. Die Umlage
vermindert den Anreiz, dass die Arbeitgeber gesundheitsfördernde Arbeitsbe-
dingungen schaffen, die zu einem möglichst geringen Krankenstand führen. Sie
macht sogar ein Zusammenspiel von Arbeitgebern und Arbeitnehmern in Zei-
ten eines geringen Auftragsstandes lukrativ. In vielen Fällen wird für die Zeit
der Erkrankung eines Mitarbeiters die anfallende Arbeit durch andere Mitarbei-
ter dieses Betriebes mit erledigt, so dass de facto keine zusätzlichen Ausgaben
anfallen, die Entgeltfortzahlung aber dennoch arbeitsaufwändig mit der die
Umlage einziehenden Krankenkasse abgerechnet wird.

Durch die zum 1. Januar 2006 erfolgte Ausweitung des U1-Umlageverfahrens
auf Betriebe mit bis zu 30 Beschäftigten und auf Angestellte sowie die Aus-
dehnung auf weitere Krankenkassen sind die Probleme, die es auch vorher
schon gab, noch einmal verstärkt worden und in den Fokus der Kritik geraten.
Wesentlich mehr Betriebe als bisher sind nun zwingend in ein Verfahren ein-
gebunden, das sie gar nicht wollen und brauchen. Eine zwingende Kollektiv-
absicherung des Risikos ist nicht notwendig und führt zu vermeidbarem Ver-
waltungsaufwand. Vielmehr sollte es jedem Arbeitgeber freigestellt sein, ob er
das Krankheitsrisiko seiner Mitarbeiter individuell tragen will oder hierfür eine
Versicherung abschließen möchte.

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