BT-Drucksache 16/2659

Begrenzung der Staatsverschuldung durch restriktive Haushaltsregeln

Vom 21. September 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/2659
16. Wahlperiode 21. 09. 2006

Antrag
der Abgeordneten Ulrike Flach, Jürgen Koppelin, Otto Fricke, Dr. Claudia
Winterstein, Jens Ackermann, Dr. Karl Addicks, Christian Ahrendt, Daniel Bahr
(Münster), Uwe Barth, Rainer Brüderle, Ernst Burgbacher, Patrick Döring,
Mechthild Dyckmans, Jörg van Essen, Paul K. Friedhoff, Horst Friedrich
(Bayreuth), Dr. Edmund Peter Geisen, Hans-Michael Goldmann, Miriam Gruß,
Joachim Günther (Plauen), Heinz-Peter Haustein, Birgit Homburger, Dr. Werner
Hoyer, Michael Kauch, Hellmut Königshaus, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp,
Heinz Lanfermann, Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht, Michael Link (Heilbronn),
Horst Meierhofer, Patrick Meinhardt, Jan Mücke, Burkhardt Müller-Sönksen, Dirk
Niebel, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr, Cornelia Pieper, Gisela Piltz,
Jörg Rohde, Frank Schäffler, Marina Schuster, Dr. Rainer Stinner, Florian Toncar,
Dr. Volker Wissing, Hartfrid Wolff (Rems-Murr), Martin Zeil, Dr. Guido Westerwelle
und der Fraktion der FDP

Begrenzung der Staatsverschuldung durch restriktive Haushaltsregeln

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Der Bundesminister für Wirtschaft und Technologie, Michael Glos, hat in der
Debatte zum Haushaltsentwurf 2007 in seiner Rede zum Etat des Bundesminis-
teriums für Wirtschaft und Technologie u. a. Ausführungen zu den staatlichen
Verschuldungsgrenzen gemacht. Danach sei eine nationale Regelung anzu-
streben, die zum einen „härter als die bisherige grundgesetzliche Schranke“ sei
und zum anderen eine Definition beinhalte, die die „Rückführung der Ver-
schuldung auf Null zum Ziel“ habe. Ebenso sprach er sich für eine nationale
Regelung aus, „die zu der europäischen Vorgabe passgenau hinzugefügt“
werde.

Angesichts einer staatlichen Gesamtverschuldung von mehr als 1 500 Mrd.
Euro haben sich die geltenden Haushaltsregeln als untaugliches Instrument zur
Begrenzung der Staatsverschuldung erwiesen. Sie weisen eine Vielzahl von
Mängeln auf, zudem sind sie vielfältig. Mit der Vielfältigkeit tritt das Problem
konkurrierender Defizitregeln offen zu Tage.
Neben den nationalen Regelungen, die Bestandteil der deutschen Finanzver-
fassung sind und vor allem die Nettokreditaufnahme der einzelnen Gebiets-
körperschaften begrenzen sollen, bestehen mit dem Maastricht-Vertrag und
dem Stabilitäts- und Wachstumspakt europäische Vereinbarungen, die in der
Europäischen Währungsunion übermäßige gesamtstaatliche Defizite und hohe
Schuldenquoten verhindern sollen.

Drucksache 16/2659 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
Dabei hat sich in den letzten Jahren im Zuge wiederholter Verstöße gegen das
Grundgesetz (Artikel 115 des Grundgesetzes – GG) und gegen den Stabilitäts-
und Wachstumspakt gezeigt, dass eine erhebliche Diskrepanz zwischen den im
Rahmen des Maastricht-Vertrages und des Stabilitäts- und Wachstumspakts
eingegangenen europäischen Verpflichtungen zur Begrenzung der Staatsver-
schuldung und dem nationalen Haushaltsrecht besteht. Die beiden Normen
orientieren die Kreditaufnahme an unterschiedlichen Maßstäben.

Während für die Maastricht-Kriterien ein generelles Defizitverbot gilt – 3 Pro-
zent Defizit als Obergrenze und die gleichzeitige Pflicht, einen ausgeglichenen
Haushalt anzustreben –, sehen die nationalen Regeln gemäß Artikel 115 GG
eine Abhängigkeit der Kreditaufnahme vom Umfang der öffentlichen Investi-
tionen vor. Der ursprüngliche Sinn dieser verfassungsrechtlichen Schranke war
es, den haushaltswirtschaftlichen Vorgriff auf künftige Einnahmen dadurch zu
begrenzen, dass Kredite nur im Umfang der Ausgaben mit zukunftbegünstigen-
dem Charakter in Anspruch genommen werden. In diesem Zusammenhang
wird von der „Goldenen Defizitregel“ gesprochen. Das europäische System der
Defizitbegrenzung kennt eine derartige Regel nicht.

Ebenso greifen die vom Finanzplanungsrat vorgeschlagenen Maßnahmen
(März 2002) und anschließend vom Gesetzgeber durch Änderung des Haus-
haltsgrundsätzegesetzes aufgenommenen Regelungen zu kurz. Bund, Länder
und Gemeinden haben sich danach prinzipiell zur gemeinsamen Verpflichtung
gegenüber den europäischen Vorgaben bekannt. Ebenso wurde in das Haus-
haltsgrundsätzegesetz das Ziel „ausgeglichene Haushalte“ für Bund und Länder
aufgenommen. Es sind jedoch eher unscharfe und unverbindliche Verpflichtun-
gen, die im Konflikt zu den unveränderten verfassungsrechtlichen Regelungen
gemäß Artikel 115 GG stehen. Die Empfehlungen des Finanzplanungsrates im
Hinblick auf Defizitziele und ausgeglichene Haushalte spielen auch nach der
Änderung des Haushaltsgrundsätzegesetzes im politischen Prozess eher eine
untergeordnete Rolle. Insgesamt sind die Neuregelungen als weitestgehend
wirkungslos zu bezeichnen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, einen Gesetz-
entwurf vorzulegen, der

– eine umfassende Reform des nationalen Haushaltsrechts zum Zweck einer
wirkungsvollen Begrenzung der Staatsverschuldung und

– einen engeren Investitionsbegriff, eine Konkretisierung und Verschärfung
der Ausnahmeregelung des Artikels 115 GG sowie die Einführung sankti-
onsbewehrter Verschuldungsgrenzen

zum Inhalt hat.

Berlin, den 21. September 2006

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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