BT-Drucksache 16/2590

Verstärktes Engagement von Rechtsextremen in Jugendhilfe, Jugendarbeit und Sozialarbeit

Vom 14. September 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/2590
16. Wahlperiode 14. 09. 2006

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Diana Golze, Klaus Ernst, Dr. Martina Bunge, Jörn Wunderlich,
Ulla Jelpke, Karin Binder, Elke Reinke, Frank Spieth und der Fraktion DIE LINKE.

Verstärktes Engagement von Rechtsextremen in Jugendhilfe, Jugendarbeit und
Sozialarbeit

Seit Anfang der 90er Jahre hat sich in der Bundesrepublik eine differenzierte
rechtsextreme Jugendszene herausgebildet. Rechtes Jugendleben gehört in vie-
len Regionen der Republik zum Alltag. Presseberichte, Fachkräfte der
Jugendhilfe und Wissenschaftler warnen in diesem Zusammenhang seit einiger
Zeit vor einem verstärkten Engagement von rechtsextremen Personen und
Organisationen im Bereich der Jugendhilfe und Jugendarbeit. Die Gefahr einer
rechtsextremen Infiltration des durch Rechtsansprüche und verbindliche Stan-
dards geschützten Bereichs der Kinder- und Jugendhilfe ist insbesondere im
Kontext eines fortgesetzten Abbaus öffentlicher Förderung in diesem Bereich
eine Herausforderung für alle demokratischen Akteure in der Bundesrepublik.
In zahlreichen Regionen versuchen rechtsextreme Kameradschaften und Grup-
pen den Platz zu besetzen, den die wegbrechenden Regelstrukturen freimachen,
und können so mit ihren Angeboten Jugendliche erreichen. Für eine wirksame
Strategie der Zurückdrängung benötigen die Akteure der demokratischen
Jugendarbeit – z. B. in Jugendverbänden, Jugendringen, Einrichtungen der
Jugendarbeit und in den Jugendhilfeausschüssen – die umfassende Unterstüt-
zung von Politik und Verwaltung.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Erkenntnisse hat die Bundesrepublik Deutschland über Stand und
Entwicklung von rechtsextremen, rechtsextrem geprägten oder rechtsextrem
unterwanderten Angeboten im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe in fol-
genden Bereichen (bitte jeweils mit einer regional nach Bundesländern diffe-
renzierten Einschätzung):

a) Freizeitangebote für Kinder und Jugendliche (Jugendarbeit, Jugendtreffs,
Vorträge, Veranstaltungen, Kurse etc.);

b) Beratungs- und Vermittlungsangebote für Kinder und Jugendliche bei Pro-
blemen und in Fragen der persönlichen Entwicklung (z. B. Beratung bei
häuslichen Problemen, Ausbildungsplatzsuche);

c) Suchtpräventionsangebote für Kinder und Jugendliche;

d) Nachhilfeangebote für Kinder und Jugendliche;

e) Kinder- und Jugendreisen;

f) Angebote der soziokulturellen Jugendarbeit;

g) Jugendsozialarbeit;

Drucksache 16/2590 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
h) Sportveranstaltungen und Angebote der Jugendarbeit im Sport;

i) Vertrieb, Bereitstellung und Betreuung von Kinder- und Jugendmedien?

2. In welchem Umfang ist in welchen Bereichen öffentliche Förderung an
rechtsextreme, rechtsextrem geprägte oder rechtsextrem unterwanderte
Angebote der Kinder- und Jugendhilfe geflossen?

3. Welche Informationen hat die Bundesregierung über das Vorhandensein von
Fachkräften der Kinder- und Jugendhilfe sowie über Studierende der Fach-
richtungen Sozialpädagogik, Sozialarbeit und Soziale Arbeit mit einem
rechtsextremen Überzeugungshintergrund?

4. In welchem Umfang haben Mitglieder rechtsextremer Organisationen oder
Parteien Mandate in Jugendhilfeausschüssen oder Landesjugendhilfeaus-
schüssen (bitte mit einer regional nach Bundesländern differenzierten Ein-
schätzung)?

5. Welche speziell auf die Realisierung von Angeboten der Kinder- und
Jugendhilfe ausgerichteten rechtsextremen Organisationen existieren nach
Information der Bundesregierung (bitte mit einer regional nach Bundes-
ländern differenzierten Einschätzung)?

6. Wie bewertet die Bundesregierung die ihr zu den Fragen 1 bis 5 vorliegen-
den Erkenntnisse allgemein?

7. Welche Prognose zur kurz- und mittelfristigen Entwicklung von rechts-
extremen, rechtsextrem geprägten oder rechtsextrem unterwanderten Ange-
boten der Kinder- und Jugendhilfe gibt die Bundesregierung auf der Basis
der gegenwärtigen Erkenntnisse ab?

8. Welche Gegenstrategien hält die Bundesregierung für geeignet zur Bekämp-
fung von rechtsextremen, rechtsextrem geprägten oder rechtsextrem unter-
wanderten Angeboten der Kinder- und Jugendhilfe, und wie definiert die
Bundesregierung ihre eigene Rolle?

9. Sind der Bundesregierung Schulungs- und Sensibilisierungsmaßnahmen für
die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von Kinder- und Jugendhilfeeinrich-
tungen bekannt, die speziell das Problem des Rechtsextremismus in den
Blick nehmen, wenn ja, welche?

10. Welche Rolle kommt in diesem Zusammenhang nach Auffassung der
Bundesregierung den Ländern und Kommunen als öffentlichen Trägern der
Kinder- und Jugendhilfe sowie den freien Trägern der Jugendhilfe und den
Jugendverbänden zu?

11. Wie stellt sich nach Auffassung der Bundesregierung der Zusammenhang
zwischen dem Rückgang an öffentlich geförderten Angeboten der demo-
kratischen Jugendarbeit und der Ausbreitung rechtsextremer Angebote der
Jugendarbeit dar?

12. Welche Aktivitäten zur Bekämpfung des Anwachsens rechtsextremer An-
gebote der Kinder- und Jugendhilfe sind der Bundesregierung bekannt, und
welche diesbezüglichen Aktivitäten hat sie bereits selbst eingeleitet und
gefördert, und plant die Bundesregierung in diesem Zusammenhang ggf.
gesetzgeberische Initiativen?

Berlin, den 12. September 2006

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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