BT-Drucksache 16/2524

Steuerflucht wirksam bekämpfen

Vom 6. September 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/2524
16. Wahlperiode 06. 09. 2006

Antrag
der Abgeordneten Dr. Gregor Gysi, Dr. Barbara Höll, Dr. Gesine Lötzsch,
Dr. Lothar Bisky, Oskar Lafontaine und der Fraktion DIE LINKE.

Steuerflucht wirksam bekämpfen

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, das Steuerrecht mit
dem Ziel zu reformieren, dass deutsche Staatsangehörige, unabhängig von
ihrem tatsächlichen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt, mit ihrem Welt-
einkommen in der Bundesrepublik Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig
sind. Darüber hinaus sollen Menschen mit dauerhaften Aufenthaltsgenehmigun-
gen für die Bundesrepublik Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig sein.
Dabei sind die im Ausland gezahlten Steuern auf die Steuerlast der Steuerpflich-
tigen anzurechnen, so dass im Inland ausschließlich die entsprechende Differenz
fällig wird.

Berlin, den 5. September 2006

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

Begründung

Anfang der siebziger Jahre sorgte der Umzug des deutschen Kaufhauskönigs
Helmut Horten in die Schweiz für Schlagzeilen. Horten verkaufte von seinem
neuen Wohnsitz aus seine Firmenbeteiligungen, um Steuern zu sparen. Dieses
Problem hat seither nicht an Aktualität verloren. Im Gegenteil – unter der
Überschrift „Ausflaggen heißt Steuern sparen“ empfehlen unzählige Steuer-
beratungen den „mobilen Hochverdienern“ die Aufgabe des Wohnsitzes in der
Bundesrepublik Deutschland. Vor allem besonders gut verdienende Sportlerin-
nen und Sportler, Künstlerinnen und Künstler, Unternehmerinnen und Unter-
nehmer sowie wohlhabende Private verlassen die Bundesrepublik Deutschland,
um sich z. B. in der Schweiz, Liechtenstein oder Monaco niederzulassen. Auf-
grund der besonders niedrigen Besteuerung in derartigen Ländern können diese
Steuerpflichtigen in erheblichem Umfang Steuern sparen. Nicht selten handelt

es sich bei dem angegebenen Wohnsitz in einer Steueroase um einen Schein-
wohnsitz. So sorgte in 2002 der Fall eines erfolgreichen Tennisspielers für
Schlagzeilen, dem die Münchener Finanzbehörden einen Scheinwohnsitz in
Monte Carlo und damit Steuerhinterziehung nachweisen konnten. In 2003 und
2004 berichtete der Bundesrechnungshof über die Praxis von Bordpersonal in-
ländischer Fluggesellschaften, das seinen Wohnsitz in Niedrigsteuerländer wie
die Vereinigten Arabischen Emirate oder die Schweiz verlegten, um den deut-

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schen Fiskus zu umgehen. Teilweise konnte nachgewiesen werden, dass
mehrere Personen ihren Wohnsitz unter der gleichen Adresse angemeldet hatten.
Allein die letztgenannte Steuerflucht kostet die öffentliche Hand jährlich
10 Mio. Euro.

In der Vielzahl dieser Fälle bleiben die derzeit geltenden Regelungen bezüglich
des Wohnsitzwechsels in niedrig besteuernde Gebiete des Außensteuergesetzes
wirkungslos. Grund dafür sind die einschränkenden Bedingungen ihrer Anwen-
dung. Demgegenüber bietet die Anknüpfung der unbeschränkten Steuerpflicht
an die Staatsbürgerschaft dem Drang der Vermögenden und Besserverdienen-
den, ein vorhandenes Steuergefälle auszunutzen, um sich der Finanzierung des
Gemeinwesens in der Bundesrepublik Deutschland zu entziehen, in einem
wesentlich stärkerem Maße Einhalt. Damit bleiben Steuerpflichtige, die ihren
Wohnsitz verlagern, auch nach ihrem Wechsel der inländischen Steuerpflicht
unterworfen. Zur Vermeidung von Doppelbesteuerung wird die im Ausland ent-
richtete Steuer angerechnet, so dass in der Bundesrepublik Deutschland nur die
Differenz der zu zahlenden Steuern fällig wird. Diese vorgeschlagene Regelung
ist in den USA gängige Praxis und kann und sollte daher auch in der Bundes-
republik Deutschland umgesetzt werden.

Die Anknüpfung der unbeschränkten Steuerpflicht an die Staatsbürgerschaft
begründet sich insbesondere daraus, dass auch Personen, die ihren Wohnsitz
verlegen, zuvor öffentlich finanzierte Infrastruktur z. B. im Bereich Bildung und
Ausbildung für sich und teilweise ihre Kinder in Anspruch genommen haben.
Darüber hinaus kommt die Bundesrepublik Deutschland auch gegenüber im
Ausland lebenden Bürgerinnen und Bürgern mit deutscher Staatsbürgerschaft
gerade in Notfällen wie Bürgerkriegen, Inhaftierungen, Entführungen o. Ä. einer
Fürsorgepflicht nach. So können sich beispielsweise Auswanderer und Aus-
wanderinnen in den deutschen Botschaften vorsorglich als so genannte Auslands-
deutsche registrieren lassen. Darüber hinaus treten insbesondere prominente
Auswanderer regelmäßig als Repräsentanten der Bundesrepublik Deutschland
auf – nicht selten finanziert aus öffentlichen Geldern.

Vor diesem Hintergrund kann die Anknüpfung der persönlichen Steuerpflicht an
die Staatsbürgerschaft eine Finanzierung des Gemeinwesens auch durch mobile,
wirtschaftlich erfolgreiche Bürger und Bürgerinnen garantieren. Gleichzeitig
kann dadurch dem berechtigten Ziel der Bundesrepublik Deutschland Rechnung
getragen werden, die Steuerfluchtgefahr im Interesse der Allgemeinheit zu ver-
meiden. Nicht zuletzt der europäische Gerichtshof hat den Mitgliedstaaten der
EU dieses Recht – bei Wahrung des Verhältnismäßigkeitsprinzips – in verschie-
denen Urteilen zugesprochen.

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