BT-Drucksache 16/2072

Bessere Evaluierung der Anti-Terror-Gesetze

Vom 29. Juni 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/2072
16. Wahlperiode 29. 06. 2006

Antrag
der Abgeordneten Wolfgang Wieland, Volker Beck (Köln), Silke Stokar von
Neuforn, Jerzy Montag, Irmingard Schewe-Gerigk, Josef Philip Winkler und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Bessere Evaluierung der Anti-Terror-Gesetze

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. einen aktualisierten und methodisch überarbeiteten Evaluierungsbericht zum
Terrorismusbekämpfungsgesetz vom 9. Januar 2002 in den Deutschen
Bundestag neu einzubringen. Die Erkenntnisse der vergangenen eineinhalb
Jahre sind unabdingbar für ein seriöses Gesetzgebungsverfahren. Der aktua-
lisierte, methodisch überarbeitete Evaluierungsbericht soll darüber hinaus
einzelne Fälle – in anonymisierter Form – vertieft auswerten. Die Evaluie-
rung ist darüber hinaus durch unabhängige Fachleute wissenschaftlich zu
begleiten;

2. im Rahmen des Evaluierungsberichts Informationen über bisher nicht ausge-
wertete Bereiche vorzulegen. So fehlen bisher Informationen über die Streu-
breite der IMSI-Catcher-Einsätze. Es fehlen auch Informationen über „Dritt-
betroffene“, beispielsweise von Abhör- und Überprüfungsmaßnahmen, die
ihrerseits nicht selbst Ziel dieser Maßnahmen waren. Für die verfassungs-
rechtliche Bewertung dieser Maßnahmen ist es erforderlich, gerade die Wir-
kung der Maßnahmen auf Unbeteiligte und unverdächtigte Personen im
Blick zu behalten. Das Erfordernis einer solchen Prüfung des Eingriffs in die
Grundrechte Dritter ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsge-
richts geboten (BVerfG 1 BvR 2378/98 vom 3. März 2004);

3. den neuen Evaluierungsbericht zum Terrorismusbekämpfungsgesetz so
rechtzeitig einzubringen, dass dessen parlamentarische Behandlung vor der
Einbringung neuer Anti-Terror-Gesetze erfolgen kann. Bei der parlamentari-
schen Beratung des Berichts muss im Rahmen einer Fachanhörung im feder-
führenden Innenausschuss auch unabhängiger Sachverstand für eine ver-
tiefte Bewertung des Berichts herangezogen werden;

4. mögliche Neuregelungen und erweiterte Befugnisse der Sicherheitsbehör-
den im Bereich der Gesetzgebung gegen den Terrorismus sorgfältig auf ihre
Erforderlichkeit zu überprüfen und das Ergebnis der Überprüfung dem

Parlament rechtzeitig bekannt zu machen.

Berlin, den 29. Juni 2006

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

Drucksache 16/2072 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
Begründung

Der Deutsche Bundestag bedauert, dass die von der großen Koalition getragene
Bundesregierung seit ihrem Amtsantritt keinerlei Anstrengungen unternommen
hat, die noch von der rot-grünen Bundesregierung vorgelegte Evaluierung der
Anti-Terror-Gesetze zu aktualisieren. Der alte Evaluierungsbericht (Innenaus-
schussdrucksache 15(4) 218) befindet sich noch immer auf dem Stand von
Ende 2004 und weist daher eine zeitliche Lücke von mehr als eineinhalb Jahren
auf.

Nur auf der Grundlage einer aktualisierten und umfassenden Evaluierung kann
die Geeignetheit, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit dieser Gesetze
überprüft und der Diskussionsprozess um das Für und Wider einer Verlänge-
rung dieser Gesetze angestoßen werden. Um als Grundlage für die weiteren
parlamentarischen Beratungen über die Verlängerung der zum Jahresende aus-
laufenden Regelungen der Anti-Terror-Gesetze vom 9. Januar 2002 dienen zu
können, muss die Evaluierung der Bedeutung der zu überprüfenden gesetz-
lichen Regelungen gerecht werden. Sie muss daher im Hinblick auf die öffent-
liche Sicherheit und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gegen-
über dem bereits vorgelegten Bericht aus dem Jahre 2005 erweitert und vertieft
werden, bevor über eine Fortdauer bestehender Regelungen oder die Einfüh-
rung erweiterter Befugnisse sachgerecht entschieden werden kann.

Der noch von der früheren Bundesregierung vorgelegte Evaluierungsbericht zu
den Anti-Terror-Gesetzen rechtfertigt es nicht, die im Gesetz von 2002 wohl er-
wogene zeitliche Befristung der Gesetze aufzuheben. Genauso wenig lässt sich
mit dem Bericht die Forderung begründen, die in den Gesetzen vom 9. Januar
2002 festgelegten Verfahrenswege bei der Anordnung der zusätzlichen Ein-
griffsbefugnisse für Polizei und die drei Geheimdienste zu verkürzen. Nur
durch dieses aufwändige Verfahren konnte die Zahl der Anwendungen der
erweiterten gesetzlichen Rechte, insbesondere durch die Nachrichtendienste, in
einem überschaubaren Rahmen gehalten werden. Eine Aufhebung der Fristen
und die Vereinfachung der Anordnung würde zu einer erheblichen Ausweitung
der geheimdienstlichen Eingriffe führen.

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