BT-Drucksache 16/1966

G8-Gipfel muss Signal zu nachhaltiger Energieversorgung geben und Gesundheitssysteme in den Entwicklungsländern stärken

Vom 28. Juni 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/1966
16. Wahlperiode 28. 06. 2006

Antrag
der Abgeordneten Jürgen Trittin, Thilo Hoppe, Ute Koczy, Hans-Josef Fell,
Dr. Reinhard Loske, Cornelia Behm, Dr. Uschi Eid, Winfried Hermann,
Peter Hettlich, Bärbel Höhn, Ulrike Höfken, Dr. Anton Hofreiter, Sylvia Kotting-Uhl,
Undine Kurth (Quedlinburg), Kerstin Müller (Köln), Rainder Steenblock,
Winfried Nachtwei, Dr. Harald Terpe und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

G8-Gipfel muss Signal zu nachhaltiger Energieversorgung geben und Gesund-
heitssysteme in den Entwicklungsländern stärken

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Zentrales Thema des diesjährigen G8-Gipfels in Petersburg werden die Ener-
giepolitik und die Energiesicherheit sein. Ebenso wie in der Vergangenheit wird
sich der Gipfel allerdings auch mit globalen Entwicklungsfragen befassen. So
stehen die Bekämpfung von Infektionskrankheiten, der Zugang zu Medikamen-
ten genauso auf der Tagesordnung wie die Verbesserung des Zugangs zu Bil-
dung. Globale Wirtschaftsfragen werden ebenfalls auf dem Gipfel beraten.

G8-Gipfel muss Signal zu nachhaltiger Energieversorgung geben

Eine nachhaltige, sichere und wirtschaftliche Versorgung mit Energie ist essen-
ziell für jede Volkswirtschaft. Wohlstand, Gesundheit und Mobilität sind von
einer sicheren Energieversorgung abhängig. Der Rückgang der Vorräte und der
Verfügbarkeit fossiler Brennstoffe sowie die steigende weltweite Nachfrage
rücken die Frage der Versorgungssicherheit für die internationale Staatenge-
meinschaft immer mehr in den Fokus. Nur eine gerechte Verteilung der Res-
sourcen und vor allem die weltweite Umstellung auf erneuerbare Energien kann
hier ein wachsendes Konfliktpotenzial entschärfen. Gleichzeitig verfestigen
sich die wissenschaftlichen Hinweise, dass die globalen Folgen des vorherr-
schenden Energiesystems weitaus dramatischer sind, als noch vor wenigen Jah-
ren angenommen. Der Klimawandel hat sich beschleunigt, Wetterkatastrophen
mehren sich, die Jahrestemperaturen steigen stetig an. Daher müssen die globa-
len Anstrengungen, unsere Energieversorgung baldmöglichst nachhaltig zu ge-
stalten, um den Klimawandel zu verlangsamen, deutlich gesteigert werden. Die
Temperaturen dürfen nicht über 2 °C gegenüber vorindustriellen Zeiten steigen.
Eine verstärkte Kohlenutzung führt zu einer Zunahme der CO2-Emissionen und
stellt damit eine erhöhte Gefahr für das Weltklima dar. Dies gilt auch für die
Verflüssigung von Kohle als Treibstoffersatz. An der Entwicklung CO2-freier
Kohlekraftwerke wird geforscht, doch angesichts geringer Wirkungsgrade,
hoher Kosten und ungelöster Risiken einer weiteren Endlagerung überwiegt die
Skepsis. Zudem ist diese Technologie noch auf Jahre hinaus von der Marktreife

Drucksache 16/1966 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

entfernt und bietet somit nach heutigem Stand keine überzeugende Perspektive
für die Herausforderungen des Klimaschutzes.

Die Atomkraft bietet keine Lösung unserer Energieprobleme, sondern schafft
nur neue unkalkulierbare Risiken. Die Gefahr eines Supergaus lässt sich nicht
bannen. Die Entsorgungsfrage für den strahlenden Atommüll ist seit über fünf-
zig Jahren ungelöst. Hinzu kommt, dass Uran selbst eine Ressource mit sehr
begrenzter Verfügbarkeit ist.

Die große Menge von waffenfähigem Plutonium gefährdet die weltweite Ab-
rüstung und bildet vor dem Hintergrund terroristischer Attacken ein unverant-
wortbares Risiko. Gleichzeitig erweitert die Ausbreitung der zivilen Nutzung
der Atomenergie auch die Möglichkeiten ihrer militärischen Nutzung, wie man
an den Entwicklungen in Indien und Pakistan oder aktuell im Kontext der
Urananreicherung im Iran sehen kann.

Im forcierten Ausbau der erneuerbaren Energien und der massiven Energieein-
sparung liegt der entscheidende Schlüssel für eine weltweit sichere, wirtschaft-
liche und nachhaltige Energieversorgung. Erneuerbare Energien zeigen schon
heute Wege auf, wie man im Verkehr, bei der Stromproduktion sowie bei der
Bereitstellung von Wärme die Energieversorgung sicherstellen kann.

Der Zugang zu Energie ist aber ebenso entscheidend für die Verbesserung der
Lebensumstände in Entwicklungsländern. Auch wenn heute ungefähr 70 Pro-
zent des Weltenergieverbrauchs auf die Industrieländer fallen, steht zu erwarten,
dass sich mehr als zwei Drittel des zukünftigen Wachstums in Entwicklungs-
und Schwellenländern vollziehen wird. Ein Großteil dieses Wachstums wird
zur Versorgung der Grundbedürfnisse dienen. Mehr als die Hälfte aller Men-
schen in Entwicklungsländern hat keinen Zugang zu moderner Energie und
braucht Holz, Öl oder tierischen Dung zum Überleben. 1,6 Milliarden Men-
schen haben keinen Zugang zu Elektrizität. Heute besteht die Herausforderung
darin, den steigenden Verbrauch mit größerer Effizienz, möglichst ohne Klima-
schädlichkeit, mit der Verringerung der Luft-, Boden- und Wasserverschmut-
zung und mit einem besseren Zugang für die ärmsten Menschen zu verbinden.
Die Bekämpfung der Armut und die Reduzierung des Hungers haben immer
auch mit Zugang zu nachhaltigen Energiequellen zu tun. In der einen oder an-
deren Form trifft für alle acht Entwicklungsziele zu, dass sie ohne Zugang zu
Energie nicht erreichbar sind.

G8 muss die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern verringern

Schon auf dem ersten G7-Gipfeltreffen 1975 in Rambouillet wurde im Kontext
der Erdölkrise über die Verfügbarkeit von Energiequellen diskutiert. So heißt es
in der Abschlusserklärung unter anderem: „Unsere gemeinsamen Interessen er-
fordern es, dass wir weiterhin zusammenarbeiten, um unsere Abhängigkeit von
importierter Energie durch sparsamen Umgang mit Energie und die Entwick-
lung alternativer Energiequellen zu verringern.“; ein Ansatz, der weiterhin
Gültigkeit beanspruchen kann.

Jenseits harter Differenzen haben sich im Vorfeld des diesjährigen Weltwirt-
schaftsgipfels bei St. Petersburg die Finanzminister auf einige allgemeine An-
sätze der Energiepolitik verständigt. Diese beinhalten den Versuch, durch grö-
ßere Effizienz den Verbrauch von Öl und Gas zu reduzieren, größere
Transparenz auf den Ölmärkten herzustellen und durch gesteigerte Investitio-
nen den Öl- und Gassektor auszubauen. Trotz eines Ölpreises bei rund
70 US-Dollar pro Barrel werden die Wachstumserwartungen für die Weltwirt-
schaft positiv bewertet.

US-Präsident George W. Bush hat in seiner diesjährigen Rede zur Lage der

Nation von der „Sucht“ seines Landes nach Öl gesprochen. Diese Sucht gelte es

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/1966

zu überwinden. Was für die USA gilt, stellt ebenso in den anderen G8-Staaten
ein Problem dar. Wir müssen weg vom Öl. Auch die zukünftige Entwicklungs-
perspektive von Schwellen- und Entwicklungsländern wird vom Aufbau eines
nachhaltigen Energiesystems abhängen.

Die Zeit billiger Energierohstoffe ist vorbei. Die G8-Staaten stehen vor der his-
torischen Aufgabe, sichtbare Schritte zur Überwindung einer fossil basierten
Ökonomie aufzuzeigen. Stattdessen suggerieren die Aussagen der G8-Staats-
chefs, dass eine langfristige Sicherheit der Versorgung vorhanden sei. Ange-
sichts der prognostizierten Nachfragezuwächse wird es eine Versorgungssicher-
heit aber bestenfalls mittelfristig geben; basierend auf einem Energiesystem,
das die Kosten durch die Veränderung des Klimas und anderer unmittelbarer
Umweltprobleme weiterhin unterschätzt.

Hinzu kommen schon jetzt erkennbare katastrophale entwicklungspolitische
Folgen durch die Höhe des Ölpreises und den fehlenden Zugang zu angepassten
Energiesystemen. Die Wirksamkeit von Entschuldung, von Programmen der
Entwicklungsfinanzierung, von Handelsgewinnen von Entwicklungsländern
wird in den nicht Öl exportierenden Ländern durch gestiegene Ölrechnungen
zunichte gemacht. Innenpolitische Instabilität und Perspektivlosigkeit können
die Folgen sein. Parallel gewinnen politische Interventionen in Verbindung mit
Vorzugslieferungen von Öl und Gas an Bedeutung. Damit wächst auch das
Potenzial der großen Erdöl- und Gasproduzenten zur Erpressung und zu politi-
schen Tauschgeschäften. So ist der politische Einfluss Venezuelas, des Irans,
Saudi-Arabiens oder auch Russlands geradezu undenkbar, ohne den Öl- und
Gaspreis in Betracht zu ziehen. Politische Energiepreise treten neben hoch-
spekulative Ölmärkte. Beispielsweise die Konzentration der Erdölreserven auf
wenige Länder oder die Tatsache, dass 85 Prozent der Weltbevölkerung in Län-
dern leben, die Erdöl importieren müssen (Nettoimporteure), zeigt die Brüchig-
keit des heutigen Systems. Dabei leiden arme Länder stärker unter den Preiser-
höhungen, da ihre Industrien weniger energieeffizient arbeiten und gleichzeitig
Haushalte und Fahrzeuge Energie wenig sparend einsetzen. Die Weltbank hat
kürzlich festgestellt, dass Entwicklungsländer dreimal stärker von den Preis-
steigerungen betroffen sind als Industrieländer. So übersteigt beispielsweise im
Falle Nicaraguas die erhöhte Ölrechnung die Entwicklungszusagen der Geber
an das Land bei weitem.

Bei Erdöl exportierenden Staaten hat sich zudem gezeigt, dass die Einnahmen
häufig die wirtschaftliche Lage der Bevölkerung nicht verbessert haben. So
ging im Falle Angolas und Nigerias die Erdölproduktion mit einer legendären
Korruption einher. Es bestanden geringe Anreize, jenseits einer klassischen
„Rentenökonomie“ ein nachhaltiges Einnahmesystem aufzubauen und die
Wirtschaft zu diversifizieren. Was also wie ein Segen wirkt, kann sich schon
bald als „Fluch der Ressourcen“ herausstellen. Massive Umwelt- und Naturzer-
störungen, Menschenrechtsverletzungen und die Zerstörung des Lebensraums
indigener Völker zeigen sich gerade im Erdölsektor in vielen Staaten.

Langfristige globale Energiesicherheit wird nur durch den massiven Ausbau
erneuerbarer Energien, der Steigerung der Energieeffizienz und verstärktem
Energiesparen zu erreichen sein. Das gilt gerade auch für viele Entwicklungs-
länder, deren Effizienz- und Einsparpotenziale ungenutzt sind und deren einzige
einheimische Quellen Wind, Wasser, Sonne, Erdwärme und Biomasse sowie
ggf. Meeresenergien sind. Durch ihren dezentralen Charakter bieten die erneuer-
baren Energien für diese Länder einen weiteren wichtigen Vorteil, denn die
meisten Entwicklungsländer verfügen gerade in den ländlichen Regionen über
kein oder nur über schlecht ausgebaute Energienetze. Der Ausbau der erneuer-
baren Energien würde daher die notwendigen Investitionen in die Infrastruktur

verringern. Erneuerbare Energien könnten mit weiterer technologischer Ent-
wicklung noch stärkere Potenziale ausschöpfen sowie weitere deutliche

Drucksache 16/1966 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Kostensenkungen und Effizienzsteigerungen bewirken. Vorraussetzung dafür
sind tragfähige und erfolgreiche Forschungs-, Markteinführungs- und Markt-
durchdringungsaktivitäten auch in den G8-Staaten.

Die G8 müssen ein klares Signal der Zusammenarbeit in diesen Bereichen set-
zen und auf deren Bedeutung im Treffen mit Vertretern der Schwellenländer bei
St. Petersburg hinweisen. Einsparung, Effizienz und Überwindung von fossilen
Techniken und die Betonung einheimisch produzierter alternativer Energien
sind entscheidend für die Verringerung der Armut und der Abhängigkeit von
nicht einheimischen Energieressourcen. Auf der Renewables 2004 wurde der
internationale Dialog zum Ausbau der erneuerbaren Energien intensiviert. Jetzt
gilt es gerade für die G8, diesen Aktionsplan umzusetzen. Er könnte bis 2015
einer halben Milliarde Menschen Zugang zu Elektrizität verschaffen, wie er
jährlich 1,6 Mrd. t Treibhausgase einsparen würde. Hieran gilt es anzuknüpfen.
Eine stärkere Koordination des Technologie- und Know-how-Transfers sowie
gegenseitiges Lernen über politische Instrumente ist unerlässlich. Dafür brau-
chen wir neue internationale Instrumente, unter anderem den Aufbau einer ei-
genen Regierungsorganisation. Die Gründung einer Internationalen Agentur für
Erneuerbare Energien wäre ein richtiger Schritt, um den weltweiten Technolo-
gietransfer für erneuerbare Energien zu beschleunigen und die Steigerung der
Energieeffizienz zu fördern. Darüber hinaus sollten sowohl das Netzwerk
REN21 als auch eine Umorientierung der Arbeit der Internationalen Ener-
gie-Agentur in Richtung erneuerbarer Energien, Energieeinsparung und Ener-
gieeffizienz gefördert werden.

G8-Gipfel muss zur Stärkung von Gesundheitssystemen in Entwicklungs-
ländern beitragen

Millionen Menschen sterben jährlich in Entwicklungsländern an den Folgen in-
fektiöser Krankheiten wie Malaria, Tuberkulose und HIV/Aids. Im Rahmen der
UN-Millenniumsziele hat sich die Staatengemeinschaft verpflichtet, die Zahl
der Menschen, die an diesen Krankheiten leiden, bis 2015 erheblich zu reduzie-
ren. Die G8-Staaten stehen vor der Aufgabe, nun tatsächlich ihren Beitrag zu
einem ganzheitlichen Ansatz zur Verbesserung der Gesundheitssysteme in Ent-
wicklungsländern zu leisten. Die personelle Ausstattung in Entwicklungslän-
dern beispielsweise stellt sich auch infolge der Abwanderung medizinischen
Personals in die Industrieländer als großes Problem dar. Generell muss weit
stärker als bisher über innovative Finanzierungsinstrumente zur Stabilisierung
von Gesundheitssystemen nachgedacht werden. Einen beispielhaften Weg be-
schreiten Frankreich und andere Länder, welche durch die Erhebung einer
Flugticketsteuer und die Zuführung der Erlöse an einen globalen Gesundheits-
fonds die Richtung vorgeben. Deutschland muss sich dieser Initiative anschlie-
ßen.

Die G8-Staaten müssen darüber hinaus aktiv in der Ende Mai von der
UN-Weltgesundheitsversammlung beschlossenen internationalen Arbeits-
gruppe mitwirken. Diese Arbeitsgruppe soll einen Aktionsplan für den „Zu-
gang zu Medikamenten für alle“ ausarbeiten und u. a. erreichen, dass Medika-
mente gegen HIV/Aids, Malaria und Tuberkulose sowie für vernachlässigte
Krankheiten wie vor allem Leishmaniose, Schlaf- und Chagaskrankheit auch
für den Bedarf in Entwicklungsländern entwickelt werden.

Internationale Patentrechte dürfen nicht dazu führen, dass der Zugang zu Medi-
kamenten in Entwicklungsländern erschwert wird oder dass nur Medikamente
für die Nachfrage in Industrieländern entwickelt werden. Das TRIPS-Abkom-
men darf nicht ein weltweites Engagement für öffentliche Gesundheit behin-
dern. Jetzt kommt es auf eine verantwortliche Auslegung und Umsetzung der

WTO-Ministererklärung von Doha über das TRIPS-Abkommen in der Praxis

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/1966

an. Diese muss beispielsweise Rechtssicherheit bei der Produktion von Gene-
rika gewähren.

Es ist auch nicht hinnehmbar, dass die USA in Verhandlungen zu bilateralen
Freihandelsabkommen Druck auf Entwicklungsländer wie z. B. Thailand aus-
üben, auf das Recht zur Nutzung billigerer Generika zur Aids-Behandlung zu
verzichten.

Bislang hat die Pharmaindustrie – auch angesichts mangelnder Absatzerwar-
tungen infolge der geringen Finanzkraft in Entwicklungsländern – keine wirk-
samen und bezahlbaren Impfstoffe entwickelt. Die G8-Staaten reagieren darauf
unter anderem mit der Diskussion eines Pilotprojekts, das unter anderem eine
staatliche Abnahmegarantie für privatwirtschaftlich entwickelte Impfstoffe vor-
sieht. Dieser Ansatz, der die Forschung an Krankheiten wie Malaria und Tuber-
kulose voranbringen soll, ist begrüßenswert. Ein solches Programm kann Mil-
lionen Menschenleben retten. Deutschland muss sich finanziell an diesen
Initiativen beteiligen.

Es ist Aufgabe von Parlament, Regierung und nichtstaatlichen Organisationen,
hierbei auf eine transparente Gestaltung des Pilotprojekts zu drängen, um eine
kostengünstige Umsetzung des Programms sicherzustellen und Mitnahmeef-
fekte der Pharmaunternehmen zu unterbinden. Die Vereinten Nationen sollten
zudem systematisch die beteiligten Pharmaunternehmen auf ihre gesellschaftli-
che Verantwortung hinweisen. Auf dem G7-Finanzministertreffen in Petersburg
im Juni 2006 konnte keine Einigung über die Finanzierung und die Größe des
Programms erzielt werden. Die Position der Bundesregierung, die mit Verweis
auf fehlende Haushaltsmittel eine Beteiligung ablehnt, setzt ein falsches Signal
und isoliert Deutschland im Kreis der G8. Es sendet vor allem aber das Zeichen
an etliche Entwicklungsländer, dass Deutschland jenseits wohlmeinender Er-
klärungen finanziell nicht fähig ist, bei der Bekämpfung globaler Krankheiten
mitzuwirken. Dieses politische Versagen wiegt doppelt schwer, da der Bundes-
regierung auch sonst Ansätze fehlen, die Pharmaindustrie dazu zu bewegen, die
Forschung bei Krankheiten, die für Entwicklungsländer von besonderer Bedeu-
tung sind, voranzutreiben.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

● dass sich die G8-Staaten für einen massiven, ökologisch nachhaltigen Aus-
bau erneuerbarer Energien sowohl in ihren eigenen Ländern als auch in
Schwellen- und Entwicklungsländern einsetzen;

● dass die G8-Staaten sich innerhalb der Weltbank und der regionalen Ent-
wicklungsbanken für den Ausbau von Energieeffizienzprogrammen, eine
konsequente Politik der Energieeinsparung und den Ausbau erneuerbarer
Energien einsetzen;

● sich innerhalb der G8 einer Subventionierung des Baus von Atomkraftwer-
ken durch die Weltbank oder andere internationale Finanzinstitutionen auch
weiter entschieden zu widersetzen;

● dass die G8-Staaten in einen systematischen, institutionalisierten Dialog mit
Schwellenländern über nachhaltige Energiesysteme eintreten;

● dass die G8-Staaten sich nachdrücklich für die Verwirklichung des Aktions-
plans der Konferenzen für erneuerbare Energien in Bonn und Peking und die
Vertiefung des begonnenen internationalen Dialogs einsetzen;

● dass die G8 sich für die Einrichtung einer Internationalen Agentur für Erneu-
erbare Energien engagieren, das Netzwerk REN21 unterstützen und sich für
einen Umbau der Internationalen Energieagentur einsetzen;

Drucksache 16/1966 – 6 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

● dass sich die G8-Staaten verpflichten, den Zugang zu nachhaltigen Energie-
systemen in den ärmsten Entwicklungsländern durch die Aufstockung rele-
vanter Programme zu unterstützen;

● sich im Rahmen der G8-Staaten für eine umfassende Stärkung von Gesund-
heitssystemen in Entwicklungsländern einzusetzen mit dem Ziel eines ver-
besserten Zugangs zu medizinischen Dienstleistungen;

● sich finanziell am Impfprogramm der G8 für die ärmsten Länder der Welt zu
beteiligen und jetzt ein Pilotprojekt aktiv zu unterstützen;

● in der von der UN-Weltgesundheitsversammlung beschlossenen Arbeits-
gruppe mitzuarbeiten, um den Zugang für alle zu Medikamenten zu fördern
und einen entsprechenden Aktionsplan bis 2008 auf den Weg zu bringen;

● sicherzustellen, dass der Zugang zu lebensnotwendigen Medikamenten so-
wie die Produktion von Generika nicht durch die Regeln des Abkommens
zum Schutz geistigen Eigentums (TRIPS) behindert werden;

● sich dafür einzusetzen, dass die G8 Staaten – insbesondere die USA – in
Verhandlungen zu bilateralen Freihandelsabkommen keinen Druck auf Ent-
wicklungsländer ausüben, auf die Rechte zur Nutzung billigerer Generika
zur Aids-Behandlung und anderer Krankheiten zu verzichten;

● innovative Wege in der Entwicklungsfinanzierung umzusetzen und analog
zu Frankreich und anderen Staaten eine Flugticketsteuer einzuführen, um
mehr Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit und hier insbesondere
auch im Gesundheitswesen zur Verfügung zu stellen;

● sich mit der Pharmaindustrie über neue Ansätze bei der Forschung für ver-
nachlässigte Krankheiten mit besonderer Bedeutung für Entwicklungsländer
zu verständigen;

● die öffentliche Forschung mit besonderem Bezug zu den Gesundheitsrisiken
in Entwicklungsländern zu verbessern.

Berlin, den 28. Juni 2006

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.