BT-Drucksache 16/1932

Hermes-Bürgschaften für Atomexporte

Vom 22. Juni 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/1932
16. Wahlperiode 22. 06. 2006

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Reinhard Loske, Hans-Josef Fell, Thilo Hoppe,
Ute Koczy, Marieluise Beck (Bremen), Dr. Uschi Eid, Kerstin Müller (Köln),
Winfried Nachtwei, Claudia Roth (Augsburg), Rainder Steenblock,
Jürgen Trittin und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Hermes-Bürgschaften für Atomexporte

Hermes-Exportbürgschaften haben sich in der Vergangenheit als Instrument der
Exportförderung bewährt. Sie eignen sich, um politische und wirtschaftliche
Risiken auf vielen Exportmärkten abzusichern. Durch Hermes-Bürgschaften
werden bestimmte Exportgeschäfte erst ermöglicht und deutsche Exporteure in
die Lage versetzt, im internationalen Wettbewerb mitzuhalten.

Da Hermes-Bürgschaften hauptsächlich zur Absicherung von Risiken in Ent-
wicklungsländern eingesetzt werden, sind die umwelt- und entwicklungspoliti-
schen Auswirkungen der Exportförderung wesentlicher Bestandteil der zu be-
rücksichtigenden Faktoren. Deshalb hat sich die Bundesregierung mit den
Hermes-Leitlinien („Leitlinien Umwelt“ vom 26. April 2001) dazu verpflichtet,
ökologische, soziale und entwicklungspolitische Belange bei der Bürgschafts-
vergabe zu berücksichtigen. Dort ist u. a. festgelegt, dass eine Exportförderung
zum Neubau bzw. zur Umrüstung von Atomanlagen ausgeschlossen ist. Parallel
zu den nationalen Hermes-Leitlinien hat sich die Bundesregierung dazu ver-
pflichtet, die seit 2004 gültigen Gemeinsamen Ansätze der OECD (Common
Approaches for Export Credits) zu berücksichtigen und in nationale Leitlinien
umzusetzen.

In der nationalen Energiepolitik hat sich die Bundesregierung darauf verstän-
digt, am Kurs der Vorgängerregierung festzuhalten und den Atomausstieg wie
vereinbart umzusetzen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. An welchen Maßstäben, Grundsätzen oder Leitbildern orientiert sich die
Bundesregierung in ihrer Außenwirtschaftsförderung?

2. Haben sich die Hermes-Leitlinien vom 26. April 2001 dahingehend bewährt,
dass sie zu einer nachhaltigen Entwicklung in der Außenwirtschaftsförde-
rung beigetragen haben?
3. Welche Projekte zum Export Erneuerbare Energien wurden seitdem durch
Hermes-Bürgschaften unterstützt?

Auf welches Gesamtvolumen belaufen sich diese Projekte?

Auf welches Volumen die dafür vergebenen Bürgschaften?

Drucksache 16/1932 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

4. Welche Anträge auf Hermes-Bürgschaften zum Export Erneuerbarer Ener-
gien wurden seitdem abgelehnt?

Auf welches Gesamtvolumen belaufen sich diese nicht unterstützten Pro-
jekte?

5. Wie viele Projekte für Energietechnologien insgesamt wurden seit 2001
durch Hermes-Bürgschaften in welcher Höhe gefördert – aufgeteilt nach
EU-Europa, übriges Europa, GUS, Asien, Afrika, Lateinamerika?

6. Gab es unter dieser Bundesregierung Hermes-Bürgschaften für Exporte,
die für Atomanlagen verwendet wurde?

Wenn ja, welche?

7. Wird die Bundesregierung an den nationalen Hermes-Leitlinien und damit
auch an Standards festhalten, die über die Vorgaben aus den Gemeinsamen
Ansätzen der OECD hinausgehen?

8. Hält die Bundesregierung daran fest, Exporte zum Neubau bzw. zur Um-
rüstung von Atomanlagen von der Exportförderung mittels Hermes-Bürg-
schaften auszuschließen?

9. Welche Länder in der OECD haben Absatz V.15 der Gemeinsamen An-
sätze umgesetzt und ihre nationalen Leitlinien an die OECD-Vorgaben an-
gepasst und veröffentlicht?

Wann beabsichtigt die Bundesregierung eine entsprechende Anpassung der
nationalen Hermes-Leitlinien vorzunehmen?

10. Sind international harmonisierte hohe Umwelt- und Sozialstandards für
staatliche Exportkredite ein Wettbewerbsvorteil für deutsche Unterneh-
men?

Falls ja, setzt sich die Bundesregierung dafür ein, dass bei der Weiterent-
wicklung der Gemeinsamen Ansätze der OECD die Umwelt- und Sozial-
standards angehoben werden und diese auch auf nicht-OECD-Staaten aus-
geweitet werden?

11. Gab es Voranfragen für Bürgschaften an die Bundesregierung durch deut-
sche Exporteure, die sich über Zulieferungen am Neubau eines Atomkraft-
werks in Finnland beteiligen wollten?

Hält die Bundesregierung eine Exportförderung innerhalb der EU über
eine Hermes-Bürgschaft mit dem EU-Wettbewerbs- und Handelsrecht ver-
einbar?

12. Berichten zufolge gibt es Überlegungen in der Türkei, neue Atomkraft-
werke zu bauen. Gibt es dazu bereits Voranfragen an die Bundesregierung
durch deutsche Exporteure, die sich über Zulieferungen am Bau dieser
Atomkraftwerke beteiligen wollen?

13. Wie bewertet die Bundesregierung die Tatsache, dass frühere Planungen
von Atomkraftwerksneubauten in der Türkei eingestellt wurden, weil das
Erdbebenrisiko als zu hoch eingestuft wurde?

Wie beurteilt die Bundesregierung generell den Zusammenhang zwischen
Erdbebenrisiken und dem Betrieb von Atomkraftwerken in der Türkei?

14. Wie bewertet die Bundesregierung die Planungen der bulgarischen Regie-
rung, den 1987 in Belene/Bulgarien begonnenen Bau eines Druckwasser-
reaktors sowjetischer Bauart (WWER – 1000/320) fertig zu stellen?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/1932

15. Ist der Bundesregierung bekannt, dass der Bau dieses Druckwasserreaktors
1991 wegen anhaltender Proteste der Bevölkerung, Wirtschaftlichkeitsbe-
denken und finanziellen Schwierigkeiten eingestellt wurde?

Wenn ja, hat sich nach Auffassung der Bundesregierung die Sachlage ge-
ändert, so dass eine Fertigstellung des Reaktors plausibel erscheint?

16. Wie beurteilt die Bundesregierung die Sicherheitsstandards dieses
WWER-Bautyps?

Ist es zutreffend, dass nach der Wiedervereinigung Deutschlands sämtliche
in Ostdeutschland betriebenen WWER-Reaktoren aus Sicherheitsgründen
stillgelegt bzw. ihr Bau eingestellt wurde?

17. Wäre der Bau eines wie in Belene geplanten Druckwasserreaktors vom
Typ WWER – 1000/320 in Deutschland genehmigungsfähig?

18. Gibt es Voranfragen an die Bundesregierung durch deutsche Exporteure
und deutsche Banken, die sich über Zulieferungen am Bau des Atomkraft-
werks in Belene beteiligen wollen?

Wie steht die Bundesregierung zu der Überlegung, dass der Bau des Atom-
kraftwerks in Belene über einen Kredit von EURATOM gefördert werden
soll?

19. Gibt es Voranfragen an die Bundesregierung durch deutsche Exporteure,
die sich über Zulieferungen am Bau bzw. Umbau der Atomkraftwerke in
Mochovce/Slowakei und Bohunice/Slowakei beteiligen wollen?

20. Gibt es Voranfragen an die Bundesregierung durch deutsche Exporteure,
die sich über Zulieferungen am Bau des Atomkraftwerks Angra III in Bra-
silien beteiligen wollen?

21. In welcher Höhe sind seit dem Beginn der Exportförderung bis zum Jahr
2006 Hermes-Bürgschaften für Zulieferungen für Atomkraftwerke und
atomtechnische Anlagen bewilligt worden?

Welche Höhe betrug die Exportförderung pro Projekt im Durchschnitt?

Für welche Länder waren diese Exporte bestimmt?

22. Beabsichtigt die Bundesregierung, dem Iran für den Fall, dass er auf das
Angebot für eine friedliche Schlichtung des Atomstreits eingeht, direkte
oder indirekte Zulieferungen für Atomkraftwerke und atomtechnische An-
lagen in Aussicht zu stellen, und wenn ja, an welche Zulieferungen ist da-
bei gedacht?

23. Beabsichtigt die Bundesregierung im Falle einer Änderung der Richtlinien
der Nuclear Suppliers Group für nukleartechnische Exporte an Indien an
der bisherigen Exportpolitik und den nationalen Sanktionen gegen Indien
festzuhalten, und wenn nein, warum nicht?

24. Gibt es Voranfragen für den Export der Hanauer MOX-Anlage an China
und beabsichtigt die Bundesregierung den Export in Aussicht zu stellen
und durch Hermes-Bürgschaften abzusichern?

Berlin, den 22. Juni 2006

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.