BT-Drucksache 16/1924

Probleme bei der Anwendung des Informationsfreiheitsgesetzes des Bundes und ihre Auswirkungen auf den Informationsanspruch der Antragstellerinnen und Antragsteller

Vom 20. Juni 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/1924
16. Wahlperiode 20. 06. 2006

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Gisela Piltz, Jens Ackermann, Dr. Karl Addicks, Christian
Ahrendt, Daniel Bahr (Münster), Uwe Barth, Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst,
Ernst Burgbacher, Mechthild Dyckmans, Jörg van Essen, Ulrike Flach, Otto Fricke,
Paul K. Friedhoff, Horst Friedrich (Bayreuth), Dr. Edmund Peter Geisen, Joachim
Günther (Plauen), Dr. Christel Happach-Kasan, Elke Hoff, Birgit Homburger,
Michael Kauch, Hellmut Königshaus, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp,
Jürgen Koppelin, Heinz Lanfermann, Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht,
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Michael Link (Heilbronn), Horst Meierhofer,
Patrick Meinhardt, Jan Mücke, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr, Cornelia
Pieper, Jörg Rohde, Frank Schäffler, Marina Schuster, Dr. Hermann Otto Solms,
Dr. Max Stadler, Dr. Rainer Stinner, Carl-Ludwig Thiele, Christoph Waitz,
Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker Wissing, Hartfrid Wolff (Rems-Murr), Martin Zeil,
Dr. Guido Westerwelle und der Fraktion der FDP

Probleme bei der Anwendung des Informationsfreiheitsgesetzes des Bundes
und ihre Auswirkungen auf den Informationsanspruch der Antragstellerinnen
und Antragsteller

Anfang des Jahres ist das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes (IFG) in
Kraft getreten. Die ersten Erfahrungen mit dem Gesetz, das dem Ziel von
Transparenz staatlichen Handelns dienen soll, zeigen jedoch gravierende Män-
gel im Umgang der Behörden mit Anfragen von Bürgerinnen und Bürgern.

So teilte die Bundesregierung auf die parlamentarischen Fragen des Abgeord-
neten Dr. Volker Wissing (FDP) in der Woche vom 6. bis 10. Februar 2006
(Bundestagsdrucksache 16/613, Frage 19) mit, dass die überwiegende Zahl der
bis zu diesem Zeitpunkt an die Bundesministerien gerichteten Fragen entweder
abgelehnt oder noch nicht bearbeitet waren.

Im Mai dieses Jahres wurde über Presseveröffentlichungen bekannt, dass das
Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung die Auskunft auf
den Antrag unter anderem des Abgeordneten Jörg Tauss (SPD) auf Herausgabe
des Toll-Collect-Vertrags verweigert. Zur Begründung führt das Ministerium
laut einem Artikel der „FAZ“ vom 22. Mai 2006 an, dass die Herausgabe „Toll
Collect im Wettbewerb schaden und/oder die Sicherheit des Systems gefähr-

den“ könne. Im Übrigen sähe es sich mangels Sachverstand nicht in der Lage,
geheimhaltungsbedürftige Passagen zu schwärzen und die übrigen freizugeben.
Zudem könne die Herausgabe des Vertrags die „Unabhängigkeit und Entschei-
dungsfreiheit der Rechtspflegeorgane“ beeinträchtigen, da derzeit ein Schieds-
verfahren zwischen dem Bund und Toll Collect anhängig ist. Schließlich sei es
auch an eine generelle Vertraulichkeitsklausel gebunden, auf deren Einhaltung
das Unternehmen Toll Collect bestehe.

Drucksache 16/1924 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Am 1. Juni 2006 verbreiteten verschiedene Verbände aus dem Umwelt- und
Agrarbereich in einer Pressemitteilung, dass ihre Anträge auf Offenlegung der
Verwendung von Agrarsubventionen abgelehnt wurden. Das Bundesministe-
rium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz soll die Ablehnung
mit Verweis auf die Zuständigkeit der Länder für die Auszahlung der EU-
Agrarsubventionen begründet haben. Da jedoch nur vier Länder ein eigenes
Informationsfreiheitsgesetz haben, werden die Informationen wohl weitgehend
unveröffentlicht bleiben. Zugleich stellte die EU-Kommission ihr „Grünbuch
zur Europäischen Transparenzinitiative“ vor, in dem die Mitgliedstaaten unter
anderem aufgefordert werden, die Verwendung von EU-Geldern offen zu legen.
Eine Initiative zu mehr Informationsfreiheit in allen Ländern müsste hier die
notwendigen Voraussetzungen schaffen.

Das Informationsfreiheitsgesetz entfaltet bei solch restriktiver Handhabung in
den Bundesministerien nicht die erwartete und vom Gesetzgeber erwünschte
Wirkung für mehr Transparenz staatlichen Handelns.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie viele Anfragen auf der Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes
haben die einzelnen Bundesministerien seit dem 1. Januar 2006 erhalten,
und in wie vielen Fällen wurde bislang eine Auskunft erteilt, teilweise erteilt
bzw. abgelehnt?

2. Was waren die Hauptgründe für eine nur teilweise Informationserteilung
bzw. für eine Ablehnung des Informationsantrags?

3. In wie vielen Fällen wurde gegen die ablehnende Entscheidung Widerspruch
eingelegt bzw. Verpflichtungsklage erhoben, und wie sind diese Verfahren,
soweit abgeschlossen, ausgegangen?

4. In wie vielen Fällen und mit welchem Ergebnis wurde der Bundesbeauf-
tragte für die Informationsfreiheit mit der Begründung, das Recht auf Infor-
mationszugang sei verletzt, angerufen?

5. Wie beurteilt die Bundesregierung die Handhabung des Informationsfrei-
heitsgesetzes in den Bundesbehörden, insbesondere hält sie diese für zu rest-
riktiv, und falls ja, warum, falls nein, warum nicht?

6. Wie bewertet die Bundesregierung die Weigerung des Bundesministeriums
für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, den Toll-Collect-Vertrag heraus-
zugeben vor dem Hintergrund des erklärten Ziels des Informationsfreiheits-
gesetzes, staatliches Handeln für die Bürgerinnen und Bürger transparenter
zu machen?

7. Wie bewertet die Bundesregierung den Hinweis auf die mit Toll Collect ver-
einbarte Vertraulichkeit des Vertrages, insbesondere vor dem Hintergrund,
dass Toll Collect auch staatliche Aufgaben im Wege der Beleihung ausführt
und somit sogar selbst ausdrücklich vom Informationsfreiheitsgesetz zur
Herausgabe von Informationen verpflichtet wäre?

8. Hält die Bundesregierung es für zulässig und mit dem Sinn und Zweck des
Gesetzes für vereinbar, wenn über den Weg der Aufgabenerteilung an
Private, mit denen Verträge geschlossen werden, das Informationsfreiheits-
gesetz umgangen wird?

9. Welche Konsequenzen will die Bundesregierung aus der Tatsache ziehen,
dass das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung nach
eigener Aussage nicht über den notwendigen Sachverstand verfügt, geheim-
haltungsbedürftige Passagen zu schwärzen?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/1924

10. Aus welchen Gründen könnte nach Meinung der Bundesregierung bei
Herausgabe des Toll-Collect-Vertrages das anhängige Schiedsverfahren
zwischen Bund und Toll Collect gefährdet werden?

11. Wie bewertet die Bundesregierung das „Grünbuch zur Europäischen
Transparenzinitiative“, welches die EU-Kommission vorgelegt hat?

12. Wie beurteilt die Bundesregierung das deutsche Informationsfreiheitsrecht
in Bezug auf die Vorstellungen der EU-Kommission zu mehr Transparenz
bei der Verteilung von EU-Mitteln?

13. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Bewertung der ein-
zelnen Bundesländer hinsichtlich des „Grünbuchs zur Europäischen Trans-
parenzinitiative“ der EU-Kommission?

14. Welchen Einfluss hat die Bundesregierung auf die Umsetzung des „Grün-
buchs zur Europäischen Transparenzinitiative“?

15. Wie will die Bundesregierung gemeinsam mit den Ländern die Europäi-
sche Transparenzinitiative umsetzen, insbesondere wie will sie dafür sor-
gen, mehr Informationsfreiheitsrechte in allen Bundesländern zu gewähr-
leisten?

16. Plant die Bundesregierung aufgrund der nationalen Erfahrungen mit den
Informationsfreiheitsgesetzen des Bundes und der Länder sowie nunmehr
vor dem Hintergrund der Europäischen Transparenzinitiative Änderungen
im Informationsfreiheitsrecht, und falls ja, welche, falls nein, warum nicht?

17. Wie beurteilt die Bundesregierung die Wirkung des Informationsfreiheits-
gesetzes auf mehr Transparenz staatlichen Handelns bezogen auf die
Behördenorganisation und die behördlichen Abläufe, insbesondere im Hin-
blick auf neue Aufgabenverteilungen in den betroffenen Behörden und
deren Umgang mit Informationen?

18. In welchem Umfang haben die Behörden von der Möglichkeit und der Ver-
pflichtung zur Veröffentlichung von Informationen über das Internet nach
dem Informationsfreiheitsgesetz Gebrauch gemacht, und hat dies nach Auf-
fassung der Bundesregierung zu mehr Transparenz und Offenheit geführt?

19. Welche Bundesländer, die nicht bereits über ein Informationsfreiheitsge-
setz verfügen, planen nach Kenntnis der Bundesregierung die Einführung
eines solchen Gesetzes?

Berlin, den 20. Juni 2006

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.