BT-Drucksache 16/1876

Konsequenzen ziehen aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 30. Mai 2006 zur Weitergabe europäischer Fluggastdaten an die Vereinigten Staaten von Amerika

Vom 20. Juni 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/1876
16. Wahlperiode 20. 06. 2006

Antrag
der Abgeordneten Ernst Burgbacher, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger,
Gisela Piltz, Jens Ackermann, Dr. Karl Addicks, Christian Ahrendt, Daniel Bahr
(Münster), Uwe Barth, Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst, Mechthild
Dyckmans, Jörg van Essen, Horst Friedrich (Bayreuth), Dr. Edmund Peter Geisen,
Joachim Günther (Plauen), Dr. Christel Happach-Kasan, Elke Hoff, Birgit
Homburger, Michael Kauch, Hellmut Königshaus, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun
Kopp, Jürgen Koppelin, Heinz Lanfermann, Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht,
Michael Link (Heilbronn), Horst Meierhofer, Patrick Meinhardt, Jan Mücke,
Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr, Cornelia Pieper, Jörg Rohde,
Frank Schäffler, Marina Schuster, Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Max Stadler,
Dr. Rainer Stinner, Carl-Ludwig Thiele, Christoph Waitz, Dr. Claudia Winterstein,
Dr. Volker Wissing, Hartfrid Wolff (Rems-Murr), Martin Zeil, Dr. Guido Westerwelle
und der Fraktion der FDP

Konsequenzen ziehen aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 30. Mai
2006 zur Weitergabe europäischer Fluggastdaten an die Vereinigten Staaten von
Amerika

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

1. Der Deutsche Bundestag begrüßt das Urteil des Europäischen Gerichtshofes
(EuGH) vom 30. Mai 2006. Darin erklärt der EuGH die Rechtsakte der EU-
Kommission und des EU-Rates zur Übermittlung von Fluggastdaten an die
USA wegen Fehlens einer geeigneten Rechtsgrundlage für nichtig. Der Deut-
sche Bundestag stellt fest, dass es in der Europäischen Union zum jetzigen
Zeitpunkt keine Rechtsgrundlage gibt, die es erlaubt, die so genannten Flug-
gastdatensätze zu Zwecken der öffentlichen Sicherheit zu nutzen.

2. Der Deutsche Bundestag ist der Ansicht, dass die gegenwärtige Praxis der
Weitergabe von Fluggastdaten an die USA auch aus materiellen Gründen mit
den geltenden europäischen und nationalen Datenschutzbestimmungen nicht
vereinbar ist. Er teilt die Auffassung des Europäischen Parlaments, dass mit
dem Abschluss des Abkommens gegen Grundrechte verstoßen worden sei,

und zwar insbesondere gegen das Recht auf Schutz personenbezogener
Daten, das in seinem Kernbereich betroffen sei, und dass das Abkommen
zudem einen nicht gerechtfertigten Eingriff in das Privatleben darstelle, was
gegen Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention verstoße.
Ebenso teilt der Deutsche Bundestag die Auffassung des Europäischen Par-
laments, dass das Abkommen einen Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeits-

Drucksache 16/1876 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
grundsatz darstelle, der insbesondere darin liege, dass das Abkommen die
Übermittlung einer übermäßigen Zahl von Fluggastdaten und zu lange Spei-
cherzeit durch die amerikanischen Behörden vorsehe.

3. Der Deutsche Bundestag stellt fest, dass es im Hinblick auf die fortbestehen-
den materiellen Bedenken und zur Herstellung eines angemessenen Aus-
gleichs zwischen den Anforderungen der Freiheit und denjenigen der Sicher-
heit in einem Drittland nicht ausreicht, die Praxis der Weitergabe von Flug-
gastdaten an die USA lediglich auf eine neue Rechtsgrundlage zu stellen, im
Übrigen aber so weiterzumachen wie bisher. Das Urteil des EuGH gibt viel-
mehr Anlass, sich mit der Frage der Erforderlichkeit und Geeignetheit der
Weitergabe von Fluggastdaten grundsätzlich auseinanderzusetzen.

4. Zu beantworten ist zunächst die Frage, ob und inwieweit die seit März 2003
praktizierte Weitergabe von Fluggastdatensätzen an die USA einen wirk-
samen Beitrag zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus geleistet hat.
Erst wenn diese Vorfrage geklärt ist und nur für den Fall, dass sich die Wei-
tergabe von Fluggastdaten als zur Bekämpfung des internationalen Terroris-
mus unverzichtbar erweisen sollte, muss die konkrete Ausgestaltung grund-
legend überdacht und unter strikter Wahrung der Privatheit des Einzelnen
sowie enger Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes neu konzipiert
werden. Die strikte Zweckbindung der Datenübermittlung, die Beschränkung
auf nichtsensible Daten, kurze Speicherfristen, effektiver Rechtsschutz in
Form unabhängiger Beschwerdeinstanzen sowie die Unterrichtung der
Passagiere über die Weitergabe ihrer Daten müssen dabei den Schwerpunkt
bilden.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. detailliert zu berichten, welche Erfolge die Weitergabe von Fluggastdaten
bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus gebracht hat;

2. nach Vorlage des Berichts die Rechtsgrundlage zu benennen, auf der die
Weitergabe europäischer Fluggastdaten an die USA gestützt werden kann,
sofern sich diese als unverzichtbar erweisen sollte;

3. sich auf europäischer Ebene und gegenüber den USA dafür einzusetzen,
dass bis dahin der Datentransfer im Rahmen einer Stillhaltevereinbarung mit
den USA ausgesetzt wird und die bereits weitergegebenen Daten unverzüg-
lich gelöscht werden.

Berlin, den 20. Juni 2006

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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