BT-Drucksache 16/1723

Maßnahmen zur Vermeidung des so genannten Mietnomadentums

Vom 31. Mai 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/1723
16. Wahlperiode 31. 05. 2006

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Mechthild Dyckmans, Christian Ahrendt, Daniel Bahr (Münster),
Uwe Barth, Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst, Ernst Burgbacher,
Patrick Döring, Jörg van Essen, Ulrike Flach, Otto Fricke, Paul K. Friedhoff,
Dr. Edmund Peter Geisen, Miriam Gruß, Dr. Christel Happach-Kasan,
Heinz-Peter Haustein, Elke Hoff, Birgit Homburger, Dr. Werner Hoyer,
Michael Kauch, Dr. Heinrich L. Kolb, Hellmut Königshaus, Gudrun Kopp,
Jürgen Koppelin, Heinz Lanfermann, Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht,
Ina Lenke, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Michael Link (Heilbronn), Horst
Meierhofer, Patrick Meinhardt, Jan Mücke, Burkhardt Müller-Sönksen, Dirk Niebel,
Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Cornelia Pieper, Gisela Piltz, Jörg Rohde,
Frank Schäffler, Marina Schuster, Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Max Stadler,
Dr. Rainer Stinner, Florian Toncar, Christoph Waitz, Dr. Claudia Winterstein,
Dr. Volker Wissing, Hartfrid Wolff (Rems-Murr), Martin Zeil,
Dr. Guido Westerwelle und der Fraktion der FDP

Maßnahmen zur Vermeidung des so genannten Mietnomadentums

Als Mietnomaden werden Personen bezeichnet, die ohne Mietzahlung und unter
Ausnutzung des sozialen Mietrechts in rascher Folge von einer Mietwohnung in
die nächste ziehen und diese vielfach in einem verwahrlosten Zustand hinter-
lassen. Hinzu kommt, dass viele Mietnomaden ihre Identität verschleiern und
wirtschaftlich geordnete Verhältnisse vortäuschen. In diesen Fällen begeht der
Mietnomade einen so genannten Eingehungsbetrug, der gemäß § 263 des Straf-
gesetzbuches (StGB) strafbar ist. Doch scheint die Strafbarkeit diejenigen, die
ohnehin nicht beabsichtigen, Miete zu entrichten, nicht sonderlich abzu-
schrecken. So weisen die Mietausfälle in der Bundesrepublik Deutschland wei-
terhin eine steigende Tendenz aus. Nach Angaben der Eigentümerschutzgemein-
schaft Haus & Grund betrugen die Mietausfälle im Jahr 2005 rund 2,2 Mrd. Euro
und lagen damit gut 10 Prozent höher als im Jahr 2004. Besonders betroffen sind
private Vermieter, deren Mietausfälle bei ca. 1,8 Mrd. Euro liegen sollen. Aber
auch für öffentliche Wohnungsgesellschaften stellt diese Entwicklung ein wirt-
schaftliches Problem dar. Ursache für die Mietausfälle soll neben der hohen
Arbeitslosigkeit und der wirtschaftlichen Lage auch das Phänomen des Miet-
nomadentums sein. Für die betroffenen Vermieter hat dies weit reichende Fol-
gen. Durch die Dauer des Gerichts- und Vollstreckungsverfahrens beträgt der
Zeitraum von der Kündigung wegen Zahlungsverzugs bis zur Räumung der
Wohnung regelmäßig mehr als ein Jahr. Hinzu kommen die finanzielle Belas-
tung durch Mietausfälle, Gerichts-, Anwalts- und Vollstreckungskosten sowie
Kosten für die Wiederherstellung der Wohnung. Gleichzeitig laufen die Kosten
und Lasten des Besitzes wie Grundbesitzabgaben und Hypothekenzinsen weiter.
Im Einzelfall kann dies zum finanziellen Ruin des Vermieters und zum Verlust

Drucksache 16/1723 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

der Immobilie, die häufig einen Teil der Altersversorgung des Vermieters bildet,
führen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie haben sich die Mietausfälle in der Bundesrepublik Deutschland in den
letzten zehn Jahren entwickelt, aufgegliedert nach Kalenderjahren sowie
Wohnungsunternehmen einerseits und privaten Vermietern andererseits?

2. Wie stellt sich die Entwicklung des Anteils des Mietausfalls infolge Miet-
nomadentums am Gesamtmietausfall in den letzten zehn Jahren dar, wieder-
um aufgeschlüsselt nach Kalenderjahren sowie Wohnungsunternehmen und
privaten Vermietern?

3. Gibt es auch bei Wohnungsunternehmen, die sich ganz oder zum Teil im
Eigentum der öffentlichen Hand befinden, Probleme mit dem so genannten
Mietnomadentum?

4. Wenn ja, wie viele Fälle dieser Art gibt es pro Jahr, aufgegliedert nach Woh-
nungsunternehmen des Bundes, der Länder und der Kommunen?

Wie hoch sind die hierdurch verursachten jährlichen Kosten?

In wie vielen Fällen kommt es darüber hinaus zu mutwilligen Beschädigun-
gen der Wohnungen, und wie schützen sich die Wohnungsunternehmen vor
den Folgen des so genannten Mietnomadentums?

5. Wie stellt sich die durchschnittliche Zeitdauer von der Kündigung des Miet-
verhältnisses wegen Zahlungsverzugs bis zum tatsächlichen Verlassen der
Wohnung dar?

6. Wie stellt sich die durchschnittliche Kostenbelastung des Vermieters durch
Mietausfälle, Gerichts-, Anwalts- und Vollstreckungskosten sowie Folge-
kosten für die Wiederherstellung der Wohnung in Fällen des Mietnomaden-
tums dar?

7. Wie hat sich die Zahl der registrierten Betrugsfälle in den letzten zehn
Jahren entwickelt?

8. Ist der Bundesregierung bekannt, wie viele Fälle hiervon auf Fälle von
Eingehungsbetrug bei Anmietung einer Wohnung entfallen, und wenn ja,
wie stellt sich die Entwicklung in den letzten zehn Jahr dar?

9. Sieht die Bundesregierung im Mietnomadentum eine rezessionsbedingte
Zeiterscheinung, oder sieht sie hierin Anzeichen für eine bedrohliche
Erosion der Rechtskultur, und wie begründet sie ihre diesbezügliche Auf-
fassung?

10. Hält die Bundesregierung eine rechtstatsächliche Untersuchung des Phäno-
mens des Mietnomadentums für geboten, und wie begründet sie ihre dies-
bezügliche Auffassung?

11. Welche rechtlichen und praktischen Abwehr- und Reaktionsmöglichkeiten
bestehen nach der geltenden Rechtslage, und wie beurteilt die Bundesregie-
rung deren Wirksamkeit?

12. Hält die Bundesregierung die bestehenden Abwehr- und Reaktionsmöglich-
keiten für ausreichend oder sieht sie gesetzgeberischen Handlungsbedarf,
und wie begründet sie ihre diesbezügliche Auffassung?

13. Sollte der Vermieter nach Ansicht der Bundesregierung das Recht erhalten,
einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nach den § 935 ff. der
Zivilprozessordnung (ZPO) auf Hinterlegung der laufenden Miete bzw. des
Nutzungsentgelts für die Wohnung stellen zu können, sollte dieser Antrag
alle angefallenen und zukünftig fälligen Beträge umfassen können, und wie
begründet die Bundesregierung ihre diesbezügliche Auffassung?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/1723

14. Sollte der Vermieter nach Ansicht der Bundesregierung das Recht erhalten,
mit einem weiteren Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung die so-
fortige Räumung der Mieträume beantragen zu können, wenn der Mieter der
Anordnung zur Hinterlegung innerhalb einer bestimmten Frist nicht nach-
kommt, und wie begründet sie ihre diesbezügliche Auffassung?

15. Sollte nach Ansicht der Bundesregierung § 263 StGB um ein Regelbeispiel
für das Mietnomadentum ergänzt werden, und wie begründet sie ihre dies-
bezügliche Auffassung?

16. Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung zur Beschleunigung des
Vollstreckungsverfahrens, und gehört hierzu nach Ansicht der Bundesregie-
rung auch eine Reform des Gerichtsvollzieherwesens mit dem Ziel einer
Privatisierung?

17. Sollte nach Ansicht der Bundesregierung in der ZPO eine Klarstellung
erfolgen, dass auch Wohnraummietstreitigkeiten im Wege des Urkunds-
prozesses betrieben werden können, und wie begründet die Bundesregie-
rung ihre diesbezügliche Auffassung?

18. Sieht die Bundesregierung die Rechte der Vermieter durch die Urteile des
Bundesgerichtshofes zur so genannten Zweitkündigung (Az. VIII ZR 364/
04) und zur Beschränkung der Zwangsvollstreckung auf die Wohnung
(Az. I ZB 45/04) gestärkt, oder sieht sie darüber hinaus gesetzgeberischen
Handlungsbedarf?

Berlin, den 31. Mai 2006

Mechthild Dyckmans
Christian Ahrendt
Daniel Bahr (Münster)
Uwe Barth
Rainer Brüderle
Angelika Brunkhorst
Ernst Burgbacher
Patrick Döring
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Otto Fricke
Paul K. Friedhoff
Dr. Edmund Peter Geisen
Miriam Gruß
Dr. Christel Happach-Kasan
Heinz-Peter Haustein
Elke Hoff
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Michael Kauch
Dr. Heinrich L. Kolb
Hellmut Königshaus
Gudrun Kopp
Jürgen Koppelin
Heinz Lanferman

Sibylle Laurischk
Harald Leibrecht
Ina Lenke
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
Michael Link (Heilbronn)
Horst Meierhofer
Patrick Meinhardt
Jan Mücke
Burkhardt Müller-Sönksen
Dirk Niebel
Hans-Joachim Otto (Frankfurt)
Cornelia Pieper
Gisela Piltz
Jörg Rohde
Frank Schäffler
Marina Schuster
Dr. Hermann Otto Solms
Dr. Max Stadler
Dr. Rainer Stinner
Florian Toncar
Christoph Waitz
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Volker Wissing
Hartfrid Wolff (Rems-Murr)
Martin Zeil
Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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