BT-Drucksache 16/1671

Demokratiebewegung in Belarus unterstützen

Vom 31. Mai 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/1671
16. Wahlperiode 31. 05. 2006

Antrag
der Abgeordneten Marieluise Beck (Bremen), Dr. Uschi Eid, Thilo Hoppe, Ute
Koczy, Kerstin Müller (Köln), Winfried Nachtwei, Claudia Roth (Augsburg), Rainder
Steenblock, Jürgen Trittin und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Demokratiebewegung in Belarus unterstützen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Mit großer Sorge sieht der Deutsche Bundestag die menschenrechtswidrigen
Verhaftungen und Verurteilungen von Alexander Milinkewitsch sowie anderer
oppositioneller Führer nach den friedlichen Demonstrationen zum zwanzigsten
Jahrestag der Katastrophe von Tschernobyl.

Auch die Massenverhaftungen nach den friedlichen Demonstrationen gegen
Präsident Alexander Lukaschenko in Minsk seit dem 19. März 2006 haben ein-
mal mehr den Charakter des dortigen Regimes gezeigt. In Belarus werden die
demokratischen Rechte nicht respektiert. Nach ersten Schritten auf dem Weg
von der Diktatur zur Demokratie in den frühen neunziger Jahren ist das Land seit
Machtantritt des Präsidenten Alexander Lukaschenko weit zurückgefallen. In
unmittelbarer Nachbarschaft zur Europäischen Union hat sich ein Regime mit
unverkennbaren diktatorischen Zügen neu etabliert.

Die Demonstrationen waren die unmittelbare Reaktion auf zu vermutende Wahl-
fälschungen, mehr jedoch auf die massiven Behinderungen aller Kandidaten, die
in Opposition zum Präsidenten und seinen Anhängern stehen. Die Berichte der
Langzeitbeobachter der OSZE haben diese Behinderungen bestätigt. Wahl-
kämpfer und Kandidaten wurden festgenommen oder zusammengeschlagen, es
gab keinen Zugang unabhängiger Kandidaten zu den staatlich kontrollierten
Medien, die Finanzierung des Wahlkampfes wurde erheblich eingeschränkt.

All das fand statt vor dem Hintergrund einer permanent zunehmenden Unterdrü-
ckung aller unabhängigen zivilgesellschaftlichen Aktivitäten. Oppositionelle
und Journalisten werden verhaftet, manche verschwinden oder werden ermor-
det. Alle elektronischen Medien sind staatlich gelenkt, unabhängige Zeitungen
dürfen weitgehend nicht mehr in Belarus gedruckt und nicht mehr durch die
staatlichen Vertriebsstrukturen verteilt werden. Unabhängige Organisationen
werden verboten wie der Dachverband der Kinder- und Jugendorganisationen
RADA. Sie sollen mit steuerrechtlichen Instrumentarien zerschlagen werden

wie das belarussische Helsinki-Komitee. Mit der Wiederbelebung von Gesetzen
des politischen Strafrechts aus sowjetischen Zeiten kann jede Kritik zu Gefäng-
nisstrafen führen und wird propagandistisch als Terrorismus ausgelegt. Studen-
ten werden wegen ihres Engagements für die Demokratie exmatrikuliert, ganze
Universitäten wie die Europäische Humanistische Universität wegen der Prakti-
zierung der Meinungsfreiheit geschlossen und aus dem Land vertrieben.

Drucksache 16/1671 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
Der Deutsche Bundestag sieht Belarus als Teil Europas und die belarussische
Gesellschaft als Glied der europäischen Familie. Auch in diesem Land haben die
Menschen das Recht, die Maßstäbe der Demokratie, des Rechtsstaats und der
Menschenrechte anzulegen, wie sie sich die Europäische Union gesetzt hat. Als
OSZE-Mitglied hat Belarus sich zur Einhaltung demokratischer und rechtsstaat-
licher Kriterien verpflichtet. Die Menschen in Belarus haben deshalb Anspruch
auf unsere Unterstützung bei der Durchsetzung dieser Rechte und Maßstäbe.
Der Deutsche Bundestag sieht auch Deutschland wie alle Mitgliedstaaten der
Europäischen Union in der Pflicht, den Menschen in Belarus im Prozess der De-
mokratisierung zu helfen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

– Oppositionellen aus Belarus, die wegen demokratischer Aktivitäten aus dem
belarussischen Staatsdienst bzw. von Staatsbetrieben entlassen wurden, tem-
poräre Arbeitserlaubnisse in Deutschland zu gewähren,

– sich für die Ausweitung der geltenden EU-Einreiseverbote auf Funktionäre
und Offizielle aus Belarus einzusetzen, die sich an der Verfolgung von demo-
kratischen Oppositionellen beteiligt haben. Dazu gehört die Koordinierung
entsprechender Maßnahmen auch mit der Ukraine, der Türkei und Bulgarien,

– Studierende, die wegen ihres Engagements für die Demokratie von belarus-
sischen Universitäten verwiesen wurden, an deutschen Universitäten aufzu-
nehmen und sie mit Stipendien zu unterstützen,

– die aus dem Aufenthaltsgesetz sich ergebenden Ausnahmetatbestände aus
humanitären Gründen bei Antragstellern aus Belarus, insbesondere bei Stu-
denten und Studentinnen, großzügig anzuwenden sowie finanziell die Visa-
vergabe zu erleichtern,

– Maßnahmen zum schnellen Ausbau der Sendekapazitäten zur Unterstützung
einer unabhängigen Berichterstattung in Belarus zu ergreifen und dazu auch
im Rahmen der EU beizutragen,

– den Ausbau der Kooperation zwischen demokratischen Parteien und Stiftun-
gen und der belarussischen Zivilgesellschaft zu stärken und in diesem Zu-
sammenhang auf einen Demokratiefonds hinzuwirken,

– bilateral und im Rahmen der EU auf eine Verstärkung des kulturellen und
wissenschaftlichen Austauschs mit Belarus hinzuarbeiten und sich für die
Einrichtung eines Sonderbeauftragten für Belarus einzusetzen,

– im Rahmen der G8 gegenüber Russland dessen Unterstützung für Alexander
Lukaschenko anzusprechen und auf die Anwendung der Verpflichtungen aus
der Mitgliedschaft in OSZE und Europarat auch auf Belarus zu dringen.

Berlin, den 31. Mai 2006

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.