BT-Drucksache 16/1662

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktionen der CDU/CSU und SPD -16/1409, 16/1539- Entwurf eines Investitionszulagengesetzes 2007 (InvZulG 2007)

Vom 31. Mai 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/1662
16. Wahlperiode 31. 05. 2006

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Peter Hettlich, Cornelia Behm, Undine Kurth (Quedlinburg),
Monika Lazar, Anna Lührmann, Christine Scheel, Irmingard Schewe-Gerigk,
Dr. Gerhard Schick, Dr. Harald Terpe, Wolfgang Wieland und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktionen der CDU/CSU und SPD
– Drucksachen 16/1409, 16/1539 –

Entwurf eines Investitionszulagengesetzes 2007 (InvZulG 2007)

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Der wirtschaftliche Aufholprozess Ostdeutschlands stagniert seit geraumer
Zeit. Die Schere zwischen Ost und West öffnet sich weiter. Bei der zentralen
Kennziffer – dem Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) – blieb die ost-
deutsche Wirtschaft 2005 erneut um 1,2 Prozent hinter dem westdeutschen
Wachstumswert zurück. Damit setzt sich auch 2005 eine sehr bedenkliche Ent-
wicklung fort. Seit 1997 wuchs das ostdeutsche BIP somit trotz relativ niedri-
gem Niveau in Bezug auf das Wachstum der alten Länder um 6,4 Prozent lang-
samer.

Wesentliche Gründe für die Wachstumsschwäche Ostdeutschlands im Verhält-
nis zu Westdeutschland sind die strukturellen Defizite der ostdeutschen Wirt-
schaft:

– Erstens haben weniger produktive Wirtschaftszweige wie die Bauwirtschaft
oder die öffentlichen Dienstleistungen einen überproportionalen Anteil an
der Bruttowertschöpfung in den neuen Bundesländern. Der Anteil technolo-
gieintensiver Branchen am Gesamtumsatz des verarbeitenden Gewerbes be-
trägt in Ostdeutschland dagegen nur 43 Prozent gegenüber 60 Prozent in
Westdeutschland.

– Zweitens gibt es in den neuen Bundesländern überproportional viele kleine
Unternehmen mit Schwierigkeiten bei Forschung und Entwicklung, Finan-

zierung und Export. Dieses Defizit resultiert aus einem höheren Anteil
weniger produktiver Unternehmensaktivitäten, da wertschöpfungsintensive
Tätigkeiten wie Marketing, Forschung und sonstige Unternehmensdienst-
leistungen unterproportional vertreten sind.

– Drittens gibt es zu wenige Unternehmen in Ostdeutschland, man geht von
einer Unternehmenslücke von rd. 100 000 fehlenden Betrieben aus.

Drucksache 16/1662 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Eine nachhaltige und verlässliche Wirtschafts- und Investitionsförderung ist ge-
fragt, diese Strukturdefizite auszugleichen. Die Fördermittel müssen gezielt zur
Förderung von wissensbasierter Produktion in innovative, wachstumsstarke
Zukunftsbranchen, in Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten und für die
Personalentwicklung vor allem kleiner und mittelständischer Unternehmen ein-
gesetzt werden.

Die Investitonszulage, wie sie im Investitionszulagengesetz 2007 (InvZulG 2007)
der Bundesregierung neu geregelt werden soll, wird diesen Anforderungen an
einen gezielten und effizienten Einsatz der Fördermittel nicht gerecht. Sie folgt
erneut dem Gießkannenprinzip der vorangegangenen Investitionszulagen-
gesetze. Anerkannte Wirtschaftforschungsinstitute und Fachleute – zuletzt der
Sachverständigenrat in seinem Sondergutachten Ost – haben darauf hingewie-
sen, dass die Investitionszulage aufgrund des Rechtsanspruchs zu geringe
Steuerungsmöglichkeiten hat und zu viele Mitnahmeeffekte erzeugt. Auch die
EU-Kommission hat Bedenken gegen den vorliegenden Gesetzentwurf ange-
meldet.

Mit den Innovations- und Technologieförderprogrammen der Bundesministe-
rien für Wirtschaft und Technologie (BMWi) sowie Bildung und Forschung
(BMBF) und der Gemeinschaftsaufgabe „Regionale Wirtschaft“ (GA Ost) ste-
hen für Ostdeutschland geeignete Instrumente zur gezielten und effizienten
Förderung der ostdeutschen Wirtschaft zur Verfügung. Die Innovationsförde-
rung und die GA Ost haben sich beim Aufbau Ost als die effektiveren Instru-
mente erwiesen. Sie sind für eine regional abgestimmte Wirtschaftsförderung
besser geeignet und haben sich im Hinblick auf die Schaffung von Arbeitsplät-
zen auch als die erfolgreicheren Programme gezeigt.

So wuchs beispielsweise die Bruttowertschöpfung der Zuwendungsempfänger
des ostdeutschen Innovationsförderprogramms INNO-WATT im Zeitraum 2000
bis 2004 um durchschnittlich 55 Prozent während die Bruttowertschöpfung des
gesamten produzierenden Gewerbes im gleichen Zeitraum um ca. 10 Prozent
stieg.

Anders als bei der Zulage werden bei der GA Ost Investitionen durch Einzel-
fallentscheidungen gefördert. Es ist daher möglich, besonders struktur- oder
arbeitsmarktrelevante Investitionsvorhaben zu unterstützen und Mitnahmeeffekte
und Fehlinvestitionen zu minimieren. Die GA-Förderung erlaubt daher weitaus
stärker als die Investitionszulage in ihrer heutigen Konzeption eine Konzentra-
tion der Förderpolitik und damit eine Effizienz- und Qualitätssteigerung, wie
sie auch das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung an-
strebt.

Es gilt diese Instrumente zu stärken und weiter zu entwickeln.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, folgende Maß-
nahmen umzusetzen:

– Die Investitionszulage wird nicht über das Jahr 2006 hinaus verlängert. Die
für das Investitionszulagengesetz 2007 vorgesehenen Bundesmittel für das
Jahr 2008 in Höhe von 166 Mio. Euro, 2009 und 2010 in Höhe von jeweils
278 Mio. Euro und 2011 in Höhe von 108 Mio. Euro werden in vollem Um-
fang den Innovations- und Technologieförderprogrammen des BMWi und
des BMBF in Ostdeutschland und der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung
der regionalen Wirtschaftsstruktur“ (GA Ost) zur Verfügung gestellt.

– Die neuen Länder werden aufgefordert, ihre Mehreinnahmen aus der Ein-
kommensteuer, die aus dem Wegfall der Steuervergünstigung resultieren, für
die Aufstockung des Landesanteils an der GA Ost zu nutzen.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/1662

Ein Auslaufen der Zulageregelung käme den ostdeutschen Ländern auch
einnahmeseitig zugute. Legt man die Zahlenangaben für das Jahr 2003 zu-
grunde und verwendet die institutionellen Regelungen des seit 2005 gelten-
den Finanzausgleichssystems, würden sich nach Berechnungen des IWH bei
einer Abschaffung der Investitionszulage die Einnahmen der ostdeutschen
Flächenländer insgesamt nach dem Länderfinanzausgleich um weitere 137
Mio. Euro erhöhen. Allein hiermit könnten wegen der Beteiligung von Bund
und EU zusätzliche Investitionszuschüsse in Höhe von 550 Mio. Euro finan-
ziert werden.

– Bis zum Ablauf des Solidarpaktes II im Jahre 2019 ist ein eindeutiges Be-
kenntnis für eine verlässliche Finanzierung der Programme GA Ost, INNO-
WATT und der Programme „Unternehmen Region“ im Rahmen Verpflich-
tungen des Korbes II abzugeben.

– Darüber hinaus fordern wir die Bundesregierung auf, die versprochenen
Spezifizierungen des Korbes II des Solidarpaktes II bis Ende 2006 vorzule-
gen.

– Die Bundesregierung verpflichtet die neuen Bundesländer, ein ziel- und
wirkungsorientiertes Controlling der eingesetzten Fördermittel einzurichten.

– Die Bundesregierung verpflichtet sich, die Fortschrittsberichte wirtschafts-
wissenschaftlicher Forschungsinstitute über die wirtschaftliche Entwicklung
in Ostdeutschland – letztmalig erstellt in 2003 – wieder zu beauftragen und
über den Erfolg der Investitionsförderung in Ostdeutschland jährlich Bericht
erstatten zu lassen.

Berlin, den 31. Mai 2006

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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