BT-Drucksache 16/1511

Erlass der Rechtsverordnung zum morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich gemäß § 268 Abs. 2 SGB V

Vom 17. Mai 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/1511
16. Wahlperiode 17. 05. 2006

Antrag
der Abgeordneten Frank Spieth, Dr. Martina Bunge, Inge Höger-Neuling,
Monika Knoche, Dr. Ilja Seifert, Klaus Ernst und der Fraktion DIE LINKE.

Erlass der Rechtsverordnung zum morbiditätsorientierten
Risikostrukturausgleich gemäß § 268 Abs. 2 SGB V

Der Bundestag wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, umgehend die Rechtsverordnung zum
morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich (M-RSA), wie im Gesetz zur
Reform des Risikostrukturausgleichs in der gesetzlichen Krankenversicherung
vom 10. Dezember 2001 festgelegt, zu erlassen.

Berlin, den 17. Mai 2006

Frank Spieth
Dr. Martina Bunge
Inge Höger-Neuling
Monika Knoche
Dr. Ilja Seifert
Klaus Ernst
Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

Begründung

Der in der gesetzlichen Krankenversicherung 1994 eingeführte Risikostruktur-
ausgleich (RSA) ist eine unverzichtbare Voraussetzung für die Umsetzung des
Versorgungsauftrags der Krankenkassen und für einen funktionsfähigen Kas-
senwettbewerb. Dies hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss
vom 18. Juli 2005 ausdrücklich bestätigt. Jedoch hat das Bundesverfassungs-
gericht auch festgestellt, dass „die unscharfe Abbildung des Gesundheits-
zustands der Versicherten im gegenwärtigen RSA … die Erreichung der … ge-
setzlichen Hauptziele (gefährdet)… Dadurch werden … Tendenzen zur Risiko-
selektion begünstigt“ (Rz. 188). Dabei scheint das Bundesverfassungsgericht

offensichtlich davon ausgegangen zu sein, dass der RSA – wie vom Gesetz-
geber festgelegt – ab dem Jahre 2007 „auf der Grundlage von Diagnosen,
Diagnosegruppen, Indikatoren, Indikatorengruppen, medizinischen Leistungen
oder Kombinationen dieser Merkmale“ die Morbidität unmittelbar berücksich-
tige (§ 268 Abs. 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch – SGB V). Im § 268
Abs. 2 SGB V ist festgestellt: „Das Bundesministerium für Gesundheit regelt bis

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zum 30. Juni 2004 durch Rechtsverordnung nach § 266 Abs. 7 mit Zustimmung
des Bundesrates das Nähere zur Umsetzung der Vorgaben nach Absatz 1.“

In dem im Auftrag der Bundesregierung erstellten und der Bundesregierung seit
2004 vorliegenden wissenschaftlichen Gutachten „Klassifikationsmodelle für
Versicherte im Risikostrukturausgleich“ werden Vorschläge zur Umsetzung des
Morbi-RSA unterbreitet. Die Gutachter haben im Rahmen einer umfassenden
Bestandsanalyse sechs Klassifikationsmodelle identifiziert, die grundsätzlich
für eine Anwendung in einem direkt morbiditätsorientierten Risikostrukturaus-
gleich in der gesetzlichen Krankenversicherung in Frage kommen und empi-
risch überprüft. Die Überprüfung erfolgte an Hand einer Stichprobe gemäß
§ 268 Abs. 3 SGB V, die im Hinblick auf ihren Umfang und ihre Qualität für die
gesetzliche Krankenversicherung einzigartig ist.

In diesem Gutachten werden die gesetzlich vorgegebenen Kriterien zur Bewer-
tung der Modelle überprüft. Dazu zählen die Verminderung von Anreizen zur
Risikoselektion bei den gesetzlichen Krankenkassen und die Förderung der
Qualität und Wirtschaftlichkeit bei der Leistungserbringung. Die Gutachter
empfehlen die Umsetzung des Klassifikationsmodells (RxGroups+IPHCC),
ergänzt um die Vorschläge zur zeitgleichen Vereinfachung des Ausgleichs-
verfahrens durch die Abschaffung des Risikopools und eine pauschalierte För-
derung von strukturierten Behandlungsprogrammen (Disease Management Pro-
gramme) bei gleichzeitiger Vereinfachung des Zulassungsverfahrens als Beitrag
zur Entbürokratisierung.

Im Koalitionsvertrag ist unter dem Punkt 7.2.2. vereinbart: „Zwingende Voraus-
setzung einer stärker wettbewerblichen Orientierung der Krankenversicherung
ist die Vereinfachung und Weiterentwicklung des Risikostrukturausgleichs, so
dass die Zielgenauigkeit erhöht und die Morbiditätsrisiken besser abgebildet
werden …“. Diese Anforderungen wurden durch das Gutachten erfüllt.

Auf dieser Basis kann das Bundesministerium für Gesundheit die fehlende
Rechtsverordnung zur Einführung des M-RSA erlassen. An der Bereitstellung
und Aufarbeitung der Datengrundlage haben die gesetzlichen Krankenkassen in
Deutschland und ihre Verbände, die Kassenärztlichen Vereinigungen, das Bun-
desversicherungsamt in Bonn, die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte
in Berlin und das Deutsche Institut für Medizinische Dokumentation in Köln
mitgewirkt. Die Gutachter haben sich ausdrücklich für die gute Zusammenarbeit
mit den daran Beteiligten bei der Vorlage ihres Gutachtens bedankt.

Wenn, wie im Entwurf zum Vertragsarztrecht-Änderungsgesetz vorgesehen,
eine morbiditätsorientierte Vergütungskomponente für die Vertragsärzte vor-
gesehen ist, müssen die dazu notwendigen Grundlagen zum M-RSA bereits im
Vorfeld geregelt werden. Die jetzt vorgesehene Regelung, ab dem 1. Januar 2009
die Vergütung umzustellen, die Grundlagen für den M-RSA aber erst bis zum
31. Dezember 2009 zu regeln, widerspricht Inhalt und Anspruch des am 10. De-
zember 2001 beschlossenen Gesetzes.

Die unterschiedliche Versichertenstruktur der gesetzlichen Krankenversiche-
rungen und die daraus abgeleiteten Wettbewerbsverzerrungen und die finan-
zielle Situation der gesetzlichen Krankenversicherung lassen ein weiteres Auf-
schieben der Rechtsverordnung nicht zu.

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