BT-Drucksache 16/1505

Berücksichtigung von Ausbildungsplatzangebot und Förderung von Gleichstellung bei der Vergabe öffentlicher Aufträge

Vom 17. Mai 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/1505
16. Wahlperiode 17. 05. 2006

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Priska Hinz (Herborn), Irmingard Schewe-Gerigk, Grietje Bettin,
Ekin Deligöz, Kai Boris Gehring, Katrin Göring-Eckardt, Britta Haßelmann,
Monika Lazar, Krista Sager, Silke Stokar von Neuforn
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Berücksichtigung von Ausbildungsplatzangebot und Förderung
von Gleichstellung bei der Vergabe öffentlicher Aufträge

Die Bilanz des Ausbildungsjahres 2006 wird aller Voraussicht nach noch
schlechter ausfallen als die des Jahres 2005. Die Differenz zwischen der Zahl der
Ausbildungsuchenden und der Zahl der angebotenen Ausbildungsplätze wird
noch größer sein als in den Vorjahren. Da die meisten Unternehmen offensicht-
lich die im Rahmen des Paktes für Ausbildung angebotenen „neuen Aus-
bildungsplätze“ für ausreichend halten, muss die öffentliche Hand, wo möglich,
ihre Mittel so einsetzen, dass sie zur Schaffung zusätzlicher Ausbildungsplätze
beitragen.

Die Gleichstellung der Geschlechter in der Privatwirtschaft kommt nicht voran.
Die Verfassung fordert vom Staat die tatsächliche Durchsetzung der Gleich-
stellung. Die freiwillige Vereinbarung zwischen Bundesregierung und Arbeitge-
berverbänden von 2002 brachte kaum messbare Ergebnisse. Daher sind konkre-
te Anreize für die Unternehmen ein wichtiger und notwendiger Schritt.

Beide Ziele können durch die Verknüpfung öffentlicher Auftragsvergabe mit
diesen wichtigen gesellschaftspolitischen Anliegen erreicht werden. Denn bei
der Vergabe öffentlicher Aufträge sind in der Bundesrepublik Deutschland seit
langem nicht mehr nur rein wirtschaftliche Kriterien maßgeblich, sondern es
dürfen auch andere Anforderungen an einen Anbieter gestellt werden. Die poli-
tischen Zielvorstellungen, die ein Gesetzgeber auf Bundes- oder Landesebene
einbringen kann, gelten als „Sekundärzwecke“.

Maßstab für die Zulässigkeit solcher Sekundärzwecke ist in der Bundesrepublik
Deutschland nicht nur das Grundgesetz, sondern auch die Richtlinie 2004/18/
EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die
Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferauf-
träge und Dienstleistungsaufträge. Die Mitgliedstaaten der EU waren zur Um-
setzung dieser Richtlinie spätestens bis zum 31. Januar 2006 verpflichtet.
Wir fragen die Bundesregierung:

1. a) Welche bundes- oder landesrechtlichen Regelungen gibt es derzeit (vor
dem Hintergrund, dass nach § 97 IV des Gesetzes gegen Wettbewerbs-
beschränkungen (GWB) weitergehende Anforderungen an Auftragneh-
mer nur gestellt werden dürfen, wenn sie durch Bundes- oder Landes-

Drucksache 16/1505 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

gesetz vorgesehen sind), die vorsehen, dass bei der Vergabe öffentlicher
Aufträge berücksichtigt wird, ob ein Unternehmen ausbildet?

Wie sind diese Regelungen rechtlich ausgestaltet, etwa bezüglich Auf-
tragsvolumina ober- und unterhalb der Schwellenwerte und bezüglich
einer Ausbildungsquote?

Welche Kontroll- und Sanktionsmöglichkeiten sind vorgesehen?

b) Welche bundes- oder landesrechtlichen Regelungen gibt es derzeit, die
vorsehen, dass bei der Vergabe öffentlicher Aufträge berücksichtigt wird,
ob ein Unternehmen aktive Gleichstellungspolitik betreibt?

Wie sind diese Regelungen rechtlich ausgestaltet, etwa bezüglich Auf-
tragsvolumina ober- und unterhalb der Schwellenwerte?

Welche Kontroll- und Sanktionsmöglichkeiten sind vorgesehen?

2. Welche Auswirkungen auf die Schaffung von Ausbildungsplätzen hatte der
Beschluss der Bundesregierung vom 9. September 1997, Unternehmen, die
ausbilden, bei der Vergabe öffentlicher Aufträge bevorzugt zu berücksichti-
gen?

Welche Zahlen oder begründeten Annahmen liegen dazu vor?

In wie vielen Fällen wählte der Bund ein Unternehmen, das ausbildet, auf-
grund dieser Tatsache bei der Vergabe eines öffentlichen Auftrags aus?

In wie vielen Fällen wählte welches Bundesland ein Unternehmen, das aus-
bildet, aufgrund dieser Tatsache bei der Vergabe öffentlicher Aufträge aus?

3. Will die Bundesregierung einen Beschluss für die bevorzugte Berücksichti-
gung von ausbildenden Betrieben entsprechend dem vom 9. September 1997
erneut fassen?

4. Wie versteht die Bundesregierung die Richtlinie 2004/18/EG des Europäi-
schen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004?

a) Warum lässt sie nach Auffassung der Bundesregierung zu oder nicht zu,
dass bei der Vergabe öffentlicher Aufträge Unternehmen bevorzugt wer-
den, die ausbilden?

b) Warum lässt sie nach Auffassung der Bundesregierung zu oder nicht zu,
dass bei der Vergabe öffentlicher Aufträge Unternehmen bevorzugt wer-
den, die nachweislich aktive Gleichstellungspolitik in ihrem Unternehmen
betreiben?

5. a) Welche Umsetzungen der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parla-
ments und des Rates vom 31. März 2004 in anderen Mitgliedstaaten der
EU liegen der Bundesregierung vor?

b) Sehen andere Mitgliedstaaten der EU vor, dass bei der Vergabe öffentli-
cher Aufträge Ausbildung bzw. Gleichstellung berücksichtigt wird?

c) Welche Verfahren und Institutionen bestehen für die Kontrolle und gege-
benenfalls die Sanktionierung von Vorgaben in diesen Ländern?

d) Wie bewertet die Bundesregierung diese Umsetzungen in Bezug auf eine
mögliche Vorbildfunktion für eine deutsche Regelung?

6. Wann will der Bund die Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments
und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur
Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträ-
ge umsetzen?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/1505

7. Wie will die Bundesregierung bei der Umsetzung der Richtlinie 2004/18/EG
des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 die Vorgaben
des Artikels 3 Abs. 2 GG umsetzen?

8. a) Will die Bundesregierung bei der Umsetzung der Richtlinie 2004/18/EG
im GWB ausdrücklich gesetzlich festschreiben, dass bei der Vergabe öf-
fentlicher Aufträge zu berücksichtigen ist, ob ein Unternehmen Auszubil-
dende hat?

Wenn nein, warum nicht?

b) Will die Bundesregierung bei der Umsetzung der Richtlinie 2004/18/EG
im GWB ausdrücklich gesetzlich festschreiben, dass bei der Vergabe öf-
fentlicher Aufträge zu berücksichtigen ist, ob ein Unternehmen nachweis-
lich aktive Gleichstellungspolitik betreibt?

Wenn nein, warum nicht?

Berlin, den 16. Mai 2006

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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