BT-Drucksache 16/1494

Auswirkungen der Hartz-Gesetze auf Künstler und Kulturschaffende

Vom 16. Mai 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/1494
16. Wahlperiode 16. 05. 2006

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Katrin Göring-Eckardt, Grietje Bettin, Ekin Deligöz,
Dr. Uschi Eid, Kai Boris Gehring, Britta Haßelmann, Priska Hinz (Herborn),
Undine Kurth (Quedlinburg), Brigitte Pothmer, Claudia Roth (Augsburg),
Krista Sager und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Auswirkungen der Hartz-Gesetze auf Künstler und Kulturschaffende

Die Gesetze für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (Hartz-Gesetze)
haben die Arbeitsverwaltung grundlegend reformiert. Sie sind mit weitreichen-
den Änderungen im Leistungsrecht und bei der Vermittlung verbunden. Von den
Änderungen betroffen sind auch Künstler und Kulturschaffende. Berichte von
Betroffenen und der Medienberichterstattung weisen darauf hin, dass die Hartz-
Gesetze für diese Berufsgruppe zu besonderen Problemen geführt haben. Bei-
spielsweise erschwert die Verkürzung der Rahmenfrist von 3 auf 2 Jahre den
Aufbau der Anspruchsvoraussetzung für ALG I für Kulturschaffende im Ver-
gleich zu anderen Beschäftigten aufgrund ihrer überwiegend kurzfristigen und
mit Pausen unterbrochenen Projektengagements. Auch werden die Schaffung
von Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung (sog. Ein-Euro-
Jobs), Existenzgründungen durch die Ich-AG und die Praxis der Vermögens-
und Einkommensberücksichtigung im SGB II gelegentlich in ihren Folgen als
besonders nachteilig für Künstler und Kulturschaffende bezeichnet.

Systematische Erkenntnisse und belastbare Daten liegen allerdings bislang nicht
vor.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Liegen der Bundesregierung Zahlen vor, die über die aktuelle Anzahl von
ALG I- und ALG II-Empfängern (Aufteilung nach Geschlecht, Alter und
künstlerischem Genre) aus dem Kunst- und Kulturbereich Auskunft geben?

2. a) Beabsichtigt die Bundesregierung Maßnahmen zu ergreifen, welche den
Aufbau eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld für Künstler und Kultur-
schaffende verbessern?

b) Hält die Bundesregierung diesbezüglich das Schweizer Modell (andere
Ermittlung der Beitragszeiten, die ersten dreißig Kalendertage eines be-
fristeten Arbeitsverhältnisses werden doppelt angerechnet) oder das Fran-
zösische Modell (spezielle staatliche Arbeitslosenversicherung für Künst-

ler und Techniker mit Werksverträgen; die Mindestanwartschaftszeit wird
nicht in Tagen sondern in Stunden berechnet) sowie andere Modelle im
Europäischen Ausland für tragfähige Lösungskonzepte?

c) Welche anderen Berufsgruppen neben den Künstlern und Kulturschaffen-
den sind nach Ansicht der Bundesregierung von der Verkürzung der Rah-
menfrist betroffen und müssten evtl. unter Gleichbehandlungsgrundsätzen
von solchen Maßnahmen ebenfalls umfasst werden?

Drucksache 16/1494 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
3. Hält die Bundesregierung es im Falle der Arbeitslosenversicherung von
Künstlern und Kulturschaffenden für sinnvoll, eine einheitliche europäische
Lösung anzustreben – gerade im Hinblick auf die internationalen Produkti-
onsverflechtungen?

4. Sieht die Bundesregierung im Falle der Künstler und Kulturschaffen-
den Änderungsbedarf bzgl. der persönlichen Meldepflicht (nach § 37b
SGB III)?

Sind hier bereits Alternativen geplant?

5. a) Liegen der Bundesregierung Zahlen und Daten vor, wie viele Künstler
und Kulturschaffende einen Ein-Euro-Job ausüben?

b) Wie bewertet die Bundesregierung den Ein-Euro-Job im Hinblick auf
den beruflichen Wiedereinstieg von Künstlern und Kulturschaffenden?

c) Wieviele Ein-Euro-Jobs sind im Bereich von Kunst/Kultur angesiedelt
und welcher Art sind sie mehrheitlich?

6. a) Sieht die Bundesregierung Probleme bei der Anrechnung von Arbeits-
und Produktionsmittel als Vermögen im Rahmen des SGB II im Fall der
Künstler und Kulturschaffenden?

b) Besteht nach Ansicht der Bundesregierung die Gefahr, dass durch die
Anrechnung von Arbeits- und Produktionsmitteln als Vermögen die
Hilfebedürftigkeit verlängert statt so kurz wie möglich gehalten wird?

7. a) Wie viele Ich-AGs wurden seit der Einführung der Hartz-Gesetze im
Kunst- und Kulturbereich gegründet?

b) Welche Kenntnisse besitzt die Bundesregierung über die bisherige
Erfolgsquote dieser Ich-AGs im Vergleich zu solchen aus anderen Be-
reichen?

8. a) Beabsichtigt die Bundesregierung die Beratungs- und Vermittlungs-
angebote für Künstler und Kulturschaffende auszubauen?

Wenn ja, welche konkreten Maßnahmen – speziell auch für den künstle-
rischen Nachwuchs – sind hierfür vorgesehen?

b) Soll nach Meinung der Bundesregierung die Zentrale Bühnen-, Fernseh-
und Filmvermittlung (ZBF) hierfür in ihrer Funktion gestärkt werden?

Berlin, den 15. Mai 2006

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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