BT-Drucksache 16/1437

Für eine anspruchsvolle und umfassende EU-Nachhaltigkeitsstrategie

Vom 10. Mai 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/1437
16. Wahlperiode 10. 05. 2006

Antrag
der Abgeordneten Winfried Hermann, Rainder Steenblock, Marieluise Beck
(Bremen), Cornelia Behm, Dr. Uschi Eid, Hans Josef Fell, Peter Hettlich,
Ulrike Höfken, Bärbel Höhn, Dr. Anton Hofreiter, Thilo Hoppe, Ute Koczy, Sylvia
Kotting-Uhl, Undine Kurth (Quedlinburg), Dr. Reinhard Loske, Kerstin Müller
(Köln), Winfried Nachtwei, Claudia Roth (Augsburg), Jürgen Trittin
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Für eine anspruchsvolle und umfassende EU-Nachhaltigkeitsstrategie

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Mit dem Amsterdamer Vertrag von 1997 wurde das Ziel der nachhaltigen Ent-
wicklung im EG-Vertrag verankert. Bereits beim EU-Gipfel in Cardiff 1998
wurde mit dem so genannten Cardiff-Prozess die Integration der Umwelt in alle
Politikbereiche zum Handlungsprogramm der EU. Damit wurde erstmals ein
Ansatz für eine bessere Politikintegration innerhalb der EU etabliert, der über
die nationalen Integrationsstrategien hinausgeht. Der Europäische Rat in Hel-
sinki forderte die Kommission im Dezember 1999 auf, für den Europäischen
Rat in Göteborg im Juni 2001, einen Vorschlag für eine langfristige Strategie
auszuarbeiten. Sie sollte die Grundlage dafür bilden, die verschiedenen Politi-
ken im Sinne einer wirtschaftlich, sozial und ökologisch nachhaltigen Entwick-
lung besser aufeinander abzustimmen. Der Europäische Rat in Göteborg be-
schloss im Juni 2001 die EU-Nachhaltigkeitsstrategie. Die Strategie soll als
Querschnittsaufgabe einen Rahmen für die ökologische, ökonomische und so-
ziale Entwicklung der Union setzen und sicherstellen, dass Umweltschutz in
die anderen Politikbereiche der EU integriert wird. Die EU-Nachhaltigkeits-
strategie sollte die in Lissabon 2000 beschlossene Strategie für nachhaltiges
Wachstum, Beschäftigung und größeren sozialen Zusammenhalt um die ökolo-
gische Dimension erweitern. Somit wurde die EU-Nachhaltigkeitsstrategie die
dritte gleichberechtigte Säule der Lissabon-Strategie und ist gleichzeitig das
allen Gemeinschaftspolitiken und -maßnahmen übergeordnete Ziel. Mit dem
Amtsantritt der neuen Europäischen Kommission im November 2004 hat die
Union eine Überprüfung der Strategie für nachhaltige Entwicklung eingeleitet.

Bereits bei der Bestandsaufnahme im Jahr 2004 stellte die Europäische Kom-
mission fest, dass die Trends in den Schwerpunktbereichen der Strategie: Kli-

mawandel, öffentliche Gesundheit, Armut und soziale Ausgrenzung, Alterung
der Gesellschaft, Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen, Flächennutzung
und Verkehr derzeit nicht nachhaltig sind.

Am 16./17. Juni 2005 haben die EU-Staats- und Regierungschefs eine Erklä-
rung über die Leitprinzipien der nachhaltigen Entwicklung angenommen, die
die Grundlage für die Revision der Strategie bilden soll. Mit der Mitteilung

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vom 13. Dezember 2005 unterbreitet die Europäische Kommission einen Vor-
schlag für die Revision der Strategie (Mitteilung der EU KOM „Überprüfung
der Strategie für nachhaltige Entwicklung – Ein Aktionsprogramm“
KOM(2005) 658 endg.). Unter österreichischer EU-Ratspräsidentschaft wird
die EU-Nachhaltigkeitsstrategie zwischen März und Juni 2006 in verschiede-
nen Räten behandelt. Beim Europäischen Rat am 15./16. Juni 2006 soll die
überarbeitete Fassung der EU-Nachhaltigkeitsstrategie verabschiedet werden.

Die in der Mitteilung der Kommission formulierten Anforderungen an die revi-
dierte EU-Nachhaltigkeitsstrategie sind enorm. Danach soll die revidierte EU-
Nachhaltigkeitsstrategie Antworten auf die wachsenden Umweltbeeinträchti-
gungen, auf unbefriedigte soziale und wirtschaftliche Bedürfnisse und auf die
Herausforderung der Globalisierung liefern. Die nicht nachhaltigen Trends in
den sechs prioritären Feldern müssen umgekehrt werden: Klima/Saubere Ener-
gie, Gesundheit, Soziale Ausgrenzung/Demografie und Migration, Manage-
ment der natürlichen Ressourcen, Nachhaltiger Verkehr, Armut/Entwicklung.
Zu den Schlüsselthemen werden „Leitaktionen“ im Sinne politischer Vorhaben
und Pläne beschrieben. Die Politikgestaltung hierzu müsse – so die Kommis-
sion – unter Einbeziehung von bewährten Instrumenten wie z. B. der Folgenab-
schätzung und Preisgestaltung verbessert werden. Ebenso notwendig sei eine
bessere Abstimmung der nationalen Nachhaltigkeitsstrategien mit der EU-
Nachhaltigkeitsstrategie und eine breiter öffentliche Beteiligung. Vor allem au-
ßenpolitisch habe die Nachhaltigkeitsstrategie eine wichtige Funktion bei der
Gestaltung der Entwicklungszusammenarbeit, bei der Gestaltung der Globali-
sierung und als Beitrag zur „good governance“.

Der kritischen Analyse des nichtnachhaltigen Status quo folgen jedoch keine
der Problemlage angemessenen Handlungsvorschläge. Es wurden faktisch kei-
nerlei Weiterentwicklungen hinsichtlich der Zielvorgaben, der Indikatoren oder
des Monitorings erzielt. Mit der Herausnahme von Zielen und konkreten Maß-
nahmen aus dem Aktionsplan fällt die Kommission hinter den Stand von 2001
zurück. Gleichzeitig verstärkt die EU-Kommission die nichtnachhaltige Ent-
wicklung noch, in dem sie ihre Politik primär mit der Lissabon-Strategie zur
wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Erneuerung der EU auf die Pfeiler
Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum konzentriert.

Wir fordern die Bundesregierung auf, die breite Kritik an der Vorlage der Kom-
mission aufzugreifen und beim Frühjahrsgipfel der EU im Juni 2006 beim
Beschluss über eine neue EU-Nachhaltigkeitsstrategie folgende Aspekte zu
berücksichtigen. Es ist die Aufgabe der Vorreiterländer, die Idee einer nachhal-
tigen Europäischen Union zu stärken und auch die anderen Mitgliedstaaten zu
ermutigen, ambitionierte Nachhaltigkeitsziele zu formulieren.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf bei den anstehen-
den Beratungen und bei der Beschlussfassung des Rates der Europäischen
Union,

● sich für eine anspruchsvolle und umfassende Strategie mit konkreten Ziel-
vorgaben, Indikatoren und einem wirksamen Monitoring einzusetzen,

● bei der Formulierung der Ziele und Maßnahmen darauf zu achten, dass diese
besser aufeinander abgestimmt hierbei klare Prioritäten und Zeitpläne ge-
setzt werden und die bereits 2001 in der EU-Nachhaltigkeitsstrategie defi-
nierten Ziele erhalten bleiben,

● sicherzustellen, dass die Leitaktionen nicht nur Zusammenfassungen der
bisher laufenden Vorhaben, sondern neue Handlungsvorschläge enthalten,

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● die wirtschafts- und arbeitspolitischen Zielsetzungen der Lissabon-Strategie
entsprechend der Erklärung über die Leitprinzipien einer nachhaltigen Ent-
wicklung auf den übergeordneten Kontext der EU-Nachhaltigkeitsstrategie
zu beziehen,

● sich für die Fortsetzung des Cardiff-Prozesses zur Integration von Umwelt-
belangen in alle Politikbereiche in enger Verknüpfung mit der revidierten
Europäischen Nachhaltigkeitsstrategie einzusetzen,

● sicherzustellen, dass im Schwerpunktbereich Klimawandel und saubere
Energien nach der treffenden Beschreibung des Problems sowie der Lö-
sungspotenziale und der Chancen aktiver Klimapolitik klare Vorgaben und
Eckpunkte einer nachhaltigen Energie- und Klimaschutzpolitik formuliert
werden,

● den Klimawandel als Querschnittsaufgabe zu verankern und die Vorreiter-
rolle der EU im internationalen Klimaschutz sowie beim weltweiten Ausbau
der Erneuerbaren Energien auszubauen,

● sich auf der Grundlage des Bekenntnisses zum 2-Grad-Ziel (Begrenzung der
globalen Erwärmung auf 2 Grad Celsius gegenüber vorindustriellen Werten)
für kurz- und langfristige Klimaschutzziele, d. h. die Reduktion der EU-
Treibhausgasemissionen um 30 Prozent bis 2020 und um 80 Prozent bis
2050 einzusetzen,

● den Anteil der Erneuerbaren Energien in der EU auf 25 Prozent bis zum Jahr
2020 auszubauen und eine Umstellung auf Erneuerbare Energien in wenigen
Jahrzehnten anzustreben,

● die EU-Führungsrolle bei der Weiterentwicklung des Kyoto-Protokolls zu
erhalten und auszubauen (Weiterentwicklung und Ausdehnung des Emis-
sionshandels; Reduktion der THG in allen Bereichen und in den großen
Schwellen- und Entwicklungsländern etc.),

● die Ziele im Bereich Energie (Erneuerbare Energien, Energieeffizienz)
in den Maßnahmen zum Schwerpunktbereich Verkehr und Ressourcen zu
verankern,

● mit einem Aktionsplan zur Energieeffizienz die Einsparpotenziale in Haus-
halten, Verkehr, Gebäude und Industrie mit klaren Zielvorgaben zu konkreti-
sieren und auszuschöpfen,

● dafür zu sorgen, dass im Rahmen des 7. Forschungsrahmenprogramms die
Forschung zu Klimawandel, Erneuerbaren Energien und Energieeffizienz
deutlich ausgebaut wird,

● eine Gesamtstrategie für eine nachhaltige, sichere und wettbewerbsfähige
europäische Energiepolitik als konkreten Beitrag für eine globale Ener-
giewende zu entwickeln,

● die Revision der Direktive für Biokraftstoffe (Ende 2006) und den Bio-
masse-Aktionsplan 2006 dazu nutzen, zum europäischen Motor für die Ent-
wicklung und Förderung der Bioenergien zu werden,

● mit der stärkeren Nutzung der Biomasse als Energierohstoff die Versor-
gungssicherheit und die Wertschöpfungskette innerhalb der EU zu verbes-
sern und so auch die heimische Landwirtschaft zu stärken und Innovationen
anzuregen,

● darauf zu achten, dass die Nachhaltigkeitsstrategie nicht als Hintertür für die
Atomkraft missbraucht wird, da Atomkraft eine endliche Form der Energie-
gewinnung ist, die Abhängigkeiten von Rohstoffimporten noch verstärkt

und große Mengen an Jahrmillionen strahlendem radioaktivem Atommüll
produziert, ihre Nutzung demnach nicht nachhaltig ist,

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● weitere Maßnahmen zu ergreifen, damit Klimaemissionen in weitaus stärke-
rem Maße als in den bisherigen Zielvorstellungen festgelegt, reduziert wer-
den können, z. B. eine umfassende Strategie EU-weit anzustoßen zur voll-
ständigen Umstellung auf Erneuerbare Energien im Energiebereich und auf
nachwachsende Rohstoffe im Chemiebereich;

● die im Schwerpunktbereich Management der natürlichen Ressourcen darge-
stellte Belastung der natürlichen Umwelt und die damit einhergehende Ge-
fährdung mit einem ressourceneffizienten Wirtschaften auf der Basis öko-
effizienter Technologien und nachhaltiger Produkte und Prozesse deutlich
zu minimieren und die Ziele und Maßnahmen hierfür zu konkretisieren so-
wie analog zum Energiebereich auch nachhaltige Antworten zur Endlichkeit
von Rohstoffen wie z. B. von Metallen oder Phosphor zu suchen und zu ei-
nem elementaren Bestandteil der Strategie zu machen,

● die Ziele und Maßnahmen in den bisher weitgehend fehlenden Bereichen:
Wasser als Ressource, Kreislaufwirtschaft, Fischerei, Land- und Forstwirt-
schaft in ihrer Bedeutung für das Management natürlicher Ressourcen zu
ergänzen,

● sich für eine deutliche Steigerung der Ressourcenproduktivität und der Öko-
effizienz einzusetzen,

● konkrete und quantifizierbare Ziele und Indikatoren zur nachhaltigen Res-
sourcennutzung zu definieren,

● die Folgen der nichtnachhaltigen Ressourcenbewirtschaftung (ökologischer
Rucksack) für die Länder des Südens zu berücksichtigen,

● sich für eine deutliche Reduktion der Rohstoff- und Energieintensität min-
destens um den Faktor 4 einzusetzen,

● die ökonomischen Instrumente wie die „Ökosteuer“ (Steuerverlagerung von
der Arbeit zu Ressourcen), Steuern für die Nutzung von Primärrohstoffen
und Energiesteuern im Sinne einer nachhaltigen Ressourcenbewirtschaftung
auszubauen und zu entwickeln,

● die Potenziale einer konsequenten „grünen öffentlichen Beschaffung“ (um-
weltfreundliche Fahrzeuge etc.) offensiv zu nutzen,

● den Ausbau und die Förderung von innovativen Ökotechnologien für den
Umgang mit allen zentralen Ressourcen (Boden, Wasser, Luft) im Zentrum
zu stellen und die Nutzung nachwachsender Rohstoffe auszubauen,

● die Zielsetzung des ressourcenschonenden Wirtschaftens und einer integrier-
ten Produktpolitik in allen relevanten Programmen und Maßnahmen zu ver-
ankern,

● den geplanten Aktionsplan zur Förderung der Nachhaltigkeit in Produktion
und Konsum mit Nachdruck voranzutreiben;

● den Schwerpunktbereich Verkehr an den Zielen einer Entkoppelung des Ver-
kehrswachstums vom Wirtschaftswachstum und einer Senkung der Umwelt-
und Gesundheitsfolgen des Verkehrs und damit einer nachhaltigen Mobilität
für Europa auszurichten,

● die Ziele im Verkehrsbereich nicht nur mit Blick auf den Straßenverkehr
sondern den gesamten Verkehrsbereich zu definieren und dabei die im EU-
Weißbuch Verkehr formulierten verkehrspolitischen Ziele für das 21. Jahr-
hundert als übergreifende Strategie zu berücksichtigen,

● bei den Maßnahmen zur Effizienzsteigerung im Verkehr auf Konzepte zur
Verbesserung der Energie- und Ressourcenproduktivität und zur Internali-

sierung der externen Kosten hinzuwirken und hierfür vor allem Umwelt-
und Gesundheitskosten in die EU-Wegekosten-Richtlinie einzubeziehen,

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/1437

● sich für die Vorbereitung einer Höchstverbrauchsnorm für den Kraftstoffver-
brauch von Fahrzeugen einzusetzen (für die Periode 2008 bis 2012 durch-
schnittlich 120 g/km CO2 differenziert nach Fahrzeugklassen), falls bis
2008/2009 die Ziele der gegenwärtigen freiwilligen Selbstverpflichtungen
zur Reduktion der Kraftstoffverbräuche mit den Herstellerverbänden ACEA,
JAMA und KAMA nicht erreicht werden,

● den so genannten Umweltverbund im Personenverkehr z. B. durch effiziente
Wettbewerbsregeln für den öffentlichen Nahverkehr und die Förderung von
stadtverträglichen Mobilitätskonzepten im Rahmen des 7. Forschungsrah-
menprogramms zu stärken,

● den Schienengüterverkehr, z. B. durch Weiterführung und Ausbau des
Marco-Polo-II-Programms und eine Konzentration der Mittel für Transeuro-
päische Netze auf die schienenseitige Anbindung Mittel- und Osteuropas
und den Ausbau des europäischen Zugleit-/Zugsicherungssystems ECTS/
ERTMS zu fördern,

● die Mindestsätze für die Energiebesteuerung dynamisch zu steigern und für
eine EU-weite Steuer auf Flugbenzin und die Einbeziehung des Luftver-
kehrs in den Emissionshandel Sorge zu tragen,

● EU-weit eine Differenzierung der Kfz-Steuer nach Umweltstandards und
Verbrauch (CO2) zu realisieren,

● in dem für die Gesundheit der Bevölkerung zentralem Bereich Lärmschutz
konkrete Maßnahmen für alle Lärmquellen festzulegen,

● sich zur Erhöhung der Energieeffizienz und der Verkehrssicherheit für eine
Angleichung der Tempolimite innerhalb Europas im überörtlichen sowie
städtischen Verkehr einzusetzen;

● den Schwerpunktbereich Gesundheit auf einen präventiven und ganzheitli-
chen Ansatz auszurichten. Die EU muss zum Katalysator einer nachhaltigen
Gesundheitspolitik werden, die in Gesundheit investiert, statt nur Krankhei-
ten zu bekämpfen,

● eine EU-weite Gesundheitsberichterstattung, ein System der Gesundheits-
folgenabschätzung und von Patienteninformationsangeboten zu schaffen,

● koordinierte Handlungsprogramme zur Eindämmung des Tabakkonsums
und zum Schutz vor Passivrauch, zur Prävention bei der Ernährung und zur
Prävention und Bekämpfung von Seuchen aufzubauen,

● für eine frühzeitige Einbindung der zivilgesellschaftlichen Akteure in ge-
sundheitsrelevante Gemeinschaftsinitiativen zu sorgen,

● eine gemeinsame EU-Strategie zur Bekämpfung von HIV/Aids zu ent-
wickeln. Gerade die Zahl der HIV-Neuinfektionen in Osteuropa ist besorg-
niserregend (Anstieg der Zahl der Menschen mit HIV von 160 000 1995 auf
1,4 Millionen 2005). Besonders wichtig ist dabei, Strukturen der Aufklärung
und Prävention zu implementieren. Wichtig ist auch, dass darüber nicht die
Aktivitäten insbesondere in Afrika außer Acht gelassen werden. Dort haben
HIV/Aids inzwischen dramatische Ausmaße angenommen,

● die Aktionspläne für den Umgang mit Gesundheitsbedrohungen und Pande-
mien zu aktualisieren,

● das Aktionsprogramm Umwelt und Gesundheit im Rahmen der „Europäi-
schen Strategie für Umwelt und Gesundheit (KOM (2003) 388 endg. vom
16. Juni 2003) weiter zu entwickeln. Den Schwerpunkt verstärkt auf Kinder-
Gesundheit-Umwelt zu legen sowie die Möglichkeiten der Projektförderung

vor allem im Bereich lokaler Aktivitäten auszubauen,

Drucksache 16/1437 – 6 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

● sich für eine Initiative zur weiteren Verschärfung der Abgasgrenzwerte für
Partikel und Stickoxide einzusetzen (Ziel: Minimierung der Partikelemissio-
nen aus Dieselkraftstoffen bis 2010) und entsprechende Maßnahmen wie
niedrigere Grenzwerte oder steuerliche Anreize einzuleiten,

● sich für eine EU-Richtlinie zur Feinstaubbelastung in Innenräumen einzu-
setzen;

● den Schwerpunktbereich Soziale Ausgrenzung, Demografie und Migration
nach dem Grundsatz, dass alle EU-Bürgerinnen und -Bürger die Chance zur
Teilhabe an Bildung und Erwerbsarbeit bekommen müssen, auszurichten. Je
rascher und mutiger wir uns den Problemen in diesem Bereich stellen, umso
besser sind unsere Chancen im Wettbewerb zu bestehen und das europäische
Sozialmodell auf eine zukunftsfähige ökonomische Basis zu stellen;

● die Zugänge von Frauen, Älteren, Behinderten und gering Qualifizierten
zum Arbeitsmarkt zu erleichtern, insbesondere die Schaffung von einfachen
Tätigkeiten zu verbessern, die traditionelle Politik der Ausgliederung Älte-
rer aus dem Arbeitsmarkt zu beenden sowie Maßnahmen zur Förderung des
lebenslangen Lernens zu entwickeln,

● die Voraussetzungen für den Erhalt der Produktivität zu verbessern, insbe-
sondere den Ausbau und die qualitative Verbesserung der staatlichen Bil-
dungseinrichtungen voranzutreiben und geeignete Maßnahmen zu ergreifen,
damit Kinder mit Migrationshintergrund und Kinder aus unteren sozialen
Schichten besseren Zugang zum Bildungswesen erhalten,

● der räumlichen Verfestigung von Armut entgegenzuwirken, insbesondere
die Kooperation verschiedener Ressorts bei der Bekämpfung von räumlicher
Ausgrenzung zu verbessern,

● eine systematische bildungs- und berufsbezogene Sprachförderung zu
sichern,

● gemeinsame Definitionen, Kriterien und Verfahren im Hinblick auf die Be-
dingungen für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen
zur Ausübung einer unselbständigen oder selbständigen Erwerbstätigkeit
festzulegen. Eine innereuropäische Konkurrenz auf diesem Gebiet kann – an-
gesichts des globalen Wettbewerbs um die „besten Köpfe“ – niemand ein
Interesse haben,

● Modelle/Maßnahmen zu entwickeln/unterstützen, um die Solidarität und
den Dialog zwischen den Generationen zu fördern und damit Potenziale
eines jeden Lebensalters für die Gesellschaft besser zu nutzen,

● Modelle zu entwickeln, die dazu beitragen, Arbeit anders zu organisieren,
die Rushhour des Lebens zu entzerren und damit jüngeren Menschen die
Familien- und Lebensplanung zu erleichtern;

● Sicherzustellen, dass mit einer konsequenten EU-Entwicklungshilfe-, Um-
welt- und Handelspolitik den im letzten Schwerpunktbereich genannten
Globalen Herausforderungen in Bezug auf Armut und Entwicklung begeg-
net wird. Die Globalisierung muss nachhaltig gestaltet werden, damit alle
von ihr profitieren können;

● die Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit wie beschlossen zu erhöhen,

● eine größere Kohärenz zwischen einzelnen Politikfeldern (Handels-, Agrar-,
Fischerei- und Einwanderungspolitik) herzustellen,

● sich auch für eine stärkere Verschränkung der Politikfelder Umwelt und
Armut einzusetzen, z. B. durch eine intensive Förderung ökologischer Label

und Zertifizierungen,

● globale Umweltorganisationen zu stärken,

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 7 – Drucksache 16/1437

● die Höhe der Agrarsubventionen zu senken und die Exportsubventionen
schneller auslaufen zu lassen,

● Schutzinteressen von Entwicklungsländer, die für die Ernährungssicherheit
und die Entwicklung ländlicher Räume wichtig sind, zu vereinbaren, denn
die Leistungsfähigkeit vieler Entwicklungsländer ist von den Forderungen
der EU-Handelspolitik überfordert,

● sich für ein internationales Moratorium der Grundschleppnetzfischerei auf
der Hohen See einzusetzen,

● Schritte für ein globales Netzwerk von Meeresschutzgebieten zu vereinba-
ren,

● eine gezielte Arbeitsteilung zwischen der Ebene der Mitgliedstaaten und der
EU-Ebene zu entwickeln,

● veränderte Konsum- und Produktionsmuster zu unterstützen, die zumindest
in Teilen zur Entkopplung von wirtschaftlichem Wachstum und Ressourcen-
verbrauch führen, z. B. durch die Unterstützung des Aufbaus nachhaltiger
Energiesysteme durch die Nutzung Erneuerbarer Energien,

● sich für eine gerechte Verteilung von Wasser in allen Teilen der Welt einzu-
setzen.

Berlin, den 8. Mai 2006

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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