BT-Drucksache 16/13904

Situation der stationären Versorgung in bundesdeutschen Krankenhäusern

Vom 18. August 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/13904
16. Wahlperiode 18. 08. 2009

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Frank Spieth, Dr. Martina Bunge, Klaus Ernst, Inge Höger,
Katja Kipping, Elke Reinke, Dr. Ilja Seifert, Dr. Kirsten Tackmann und der
Fraktion DIE LINKE.

Situation der stationären Versorgung in bundesdeutschen Krankenhäusern

Die Situation der Krankenhäuser in Deutschland hat sich in den vergangenen
Jahren zugespitzt und verschlechtert. Die Ursachen dafür sind vielschichtig.

Länder und Kommunen sind ihren Verpflichtungen zur Finanzierung der Kosten
von Investitionen und Baumaßnahmen zumeist nur unzureichend nachgekom-
men. Der daraus resultierende Investitionsstau wird auf bis zu 50 Mrd. Euro be-
ziffert. Mit dem Konjunkturpaket II hat die Bundesregierung für Investitionen in
die Infrastruktur und hier insbesondere auch in Krankenhäuser 3,5 Mrd. Euro
zur Verfügung gestellt. Da die Länder 25 Prozent hinzufügen müssen, summie-
ren sich die Finanzhilfen der öffentlichen Hand damit auf 4,67 Mrd. Euro, aller-
dings nicht nur für Krankenhäuser, sondern auch für Städtebau, Lärmsanierung
und andere Projekte zur Modernisierung der kommunalen Infrastruktur. Presse-
berichten zufolge wurden die über das Konjunkturpaket II zur Verfügung ge-
stellten Mittel jedoch bislang nur zu einem geringen Anteil abgerufen oder gar
schon verausgabt.

Seit fünf Jahren erfolgt die Vergütung für die medizinischen Leistungen, die in
Krankenhäusern erbracht werden, über Fallpauschalen. Die Umstellung von
einer Vergütung nach Tagessätzen hat in den Krankenhäusern die Versorgungs-
strukturen und die Versorgungsqualität im stationären Bereich stark verändert.
Um diese Auswirkungen zu erfassen und unerwünschte Folgen gegebenenfalls
abstellen zu können, wurde im Gesetz eine Begleitforschung verpflichtend vor-
gesehen. Zahlreiche Expertinnen und Experten befürchten, dass durch die Um-
stellung Patientinnen und Patienten vermehrt voreilig nach Hause geschickt
werden und es zu so genannten blutigen Entlassungen kommt. Doch erst Ende
2008 wurde ein entsprechender Auftrag zur Beforschung der Folgen dieser
neuen Vergütungsform an ein externes Institut vergeben. Ungeachtet weitge-
hend fehlender Erkenntnisse über die Auswirkungen der Umstellung auf Fall-
pauschalen-Vergütung wurde diese Vergütungsform aber inzwischen auch auf
den Bereich der psychiatrischen Krankenhäuser ausgeweitet.

Klinikkonzerne übernehmen mit wachsendem Tempo Krankenhäuser, die bis-
lang von Kommunen betrieben wurden oder in gemeinnütziger Trägerschaft

waren. In keinem anderen Land in Europa wurden so viele Kliniken privatisiert
wie in der Bundesrepublik Deutschland. Eine Umkehr dieses Trends ist nicht
zu erwarten. Selbst im Bereich der Universitäts-Kliniken gibt es Privatisierun-
gen und die Übernahme der Trägerschaft durch Konzerne, die primär das Ziel
verfolgen, Profite für ihre Aktionäre zu erwirtschaften. Patientinnen und Pa-
tienten, aber auch Beschäftigte beklagen öffentlich, dass sich die Versorgungs-
und Personalsituation dadurch teilweise dramatisch verschlechtert habe.

Drucksache 16/13904 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Jahr für Jahr treten in deutschen Krankenhäusern 400 000 bis 600 000 Kranken-
hausinfektionen auf. Diese bedeuten für die betroffenen Patientinnen und
Patienten nicht nur zusätzliches Leiden, sondern führen nach Schätzungen von
Experten bei 20 000 bis 40 000 Patientinnen und Patienten zum Tode. Effektive
Bekämpfungsstrategien beispielsweise in den Niederlanden zeigen, dass viele
dieser Infektionen durch einfache Hygienemaßnahmen vermeidbar sind. Zudem
führen diese Infektionen zu einer immensen unnötigen finanziellen Belastung
für das Gesundheitssystem. Krankenhaus-Hygieniker fordern wirkungsvolle
verbindliche Regelungen, um mit den bekannten, geeigneten Maßnahmen In-
fektionen nicht nur zu einem zu späten Zeitpunkt zu erfassen und zu heilen, son-
dern sie durch Präventionsmaßnahmen bereits in ihrer Entstehung zu verhin-
dern. Darüber hinaus sollten Ärztinnen und Ärzten für Hygiene und Hygiene-
fachkräften in Krankenhäusern in allen Bundesländern gemäß dem Vorbild von
Berlin, Sachsen und Bremen eingesetzt werden und das Fachpersonal der
Gesundheitsämter durch personelle Aufstockung und Qualifizierung befähigt
werden, die Aufsichtspflicht besser zu gewährleisten. Es wird eine konsequente
Umsetzung der bestehenden Richtlinie des Robert Koch-Instituts zur Präven-
tion von MRSA (Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus) angemahnt.
Außerdem ist dafür zu sorgen, dass die Einführung und Etablierung von wirk-
samen Präventionsstrategien und -maßnahmen gegen Krankenhausinfektionen
für die Krankenhäuser auch betriebswirtschaftlich sinnvoll sind, damit es nicht
zum Verzicht auf derartige Investitionen kommt. Bei der Auswahl der geeigne-
ten Maßnahmen sind auch die Beispiele erfolgreicher europäischer Nachbar-
länder heranzuziehen. Aktives Handeln wie in Holland oder Dänemark ist ge-
fordert und nicht nur die Dokumentation der aufgetretenen Infektionsfälle.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. a) Wie groß ist der Anteil an den Finanzmitteln aus dem Konjunkturpaket II,
den die Länder für Investitionen in Krankenhäusern vorgesehen haben?

b) In welcher Höhe sind bereits Investitionsmittel aus dem Konjunktur-
paket II verausgabt worden, und in welcher Höhe gibt es feste Aufträge
bzw. Planungen und Anträge?

c) Wie sieht die Verteilung dieser Investitionsfinanzierung für Kranken-
häuser in den unterschiedlichen Bundesländern aus?

2. a) Welche wissenschaftlichen Erkenntnisse hat die Bundesregierung bezüg-
lich der Folgen des Fallpauschalen-Systems, das für die Abrechnung der
Behandlungen in Krankenhäusern eingeführt wurde?

b) Warum wurde der Auftrag für die Begleitforschung erst mit einer Ver-
zögerung von mehreren Jahren erteilt?

c) Warum hat die Bundesregierung trotz offenkundiger Untätigkeit der
Selbstverwaltung nicht früher entschieden eingegriffen und per Ersatzvor-
nahme selber eine begleitende Beforschung dieser Vergütungsumstellung
in die Wege geleitet?

d) Wann erwartet die Bundesregierung Ergebnisse dieser Begleitforschung?

3. a) Wie sieht derzeit die Verteilung der Krankenhausträgerschaft aus?

b) Wie viel Prozent der Krankenhäuser sind bereits privatisiert, und welche
weitere Entwicklung ist zu erwarten?

c) Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung hinsichtlich beklagter
Mängel bei der Behandlungsqualität und der Personalsituation in privati-
sierten Krankenhäusern bzw. im privatisierten Uniklinikum Marburg-

Gießen?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/13904

d) Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung hinsichtlich der Gewinn-
erwartungen und Profitabschöpfung verschiedener Betreiber privatisierter
Krankenhäuser bzw. Krankenhausketten?

e) Wie beurteilt die Bundesregierung die Veränderungen in der Trägerschaft
deutscher Krankenhäuser?

4. a) Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung – über die bisherigen
unverbindlichen Empfehlungen und Dokumentationspflichten hinaus –
zur Verbesserung der Hygiene in den Krankenhäusern bezüglich der
multiresistenten Keime?

b) Wo sieht die Bundesregierung jenseits der Länderkompetenzen eigene
Möglichkeiten zukünftig per Gesetz/Verordnung zur Verbesserung der
Bekämpfung von Krankenhausinfektionen beizutragen?

c) Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung die Länder zu besseren
Regelungen bezüglich Krankenhaushygiene zu bewegen bzw. sie zu
unterstützen?

d) Welche Regelungen hat die Bundesregierung – abgesehen von der schon
lange von der Fraktion DIE LINKE. geforderten Meldepflicht für MRSA –
in dieser Wahlperiode getroffen, um für eine bessere Krankenhaus-
hygiene zu sorgen?

e) Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, die Prävention von
Krankenhausinfektionen innerhalb des DRG-Systems (DRG – Diagnosis
Related Groups) besser zu vergüten?

Berlin, den 17. August 2009

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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