BT-Drucksache 16/13886

Überwachung von Mitgliedern des Deutschen Bundestages sowie der Fraktion DIE LINKE durch den Verfassungsschutz (dritte Nachfrage zu Bundestagsdrucksachen 16/1590, 16/3964 und 16/4502)

Vom 7. August 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/13886
16. Wahlperiode 07. 08. 2009

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Roland Claus, Dr. Diether Dehm, Hans-Kurt Hill,
Inge Höger, Dr. Lukrezia Jochimsen, Jan Korte, Michael Leutert, Kornelia Möller,
Volker Schneider (Saarbrücken), Frank Spieth, Dr. Kirsten Tackmann, Alexander
Ulrich und der Fraktion DIE LINKE.

Überwachung von Mitgliedern des Deutschen Bundestages sowie der Fraktion
DIE LINKE. durch den Verfassungsschutz (dritte Nachfrage zu
Bundestagsdrucksachen 16/1590, 16/3964 und 16/4502)

Die Fraktion DIE LINKE. hat sich in mehreren Kleinen Anfragen nach ihrer
Beobachtung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz und ggf. weiterer
Geheimdienste erkundigt. Fragen zu Ausmaß und Methoden der Überwachung
hat die Bundesregierung jedoch nicht beantwortet. Auch Informationen zum
Inhalt einer „Sachakte“, deren Existenz die Regierung im Dezember 2007 ein-
geräumt hatte, wurden verweigert.

Dieses Verhalten wurde pauschal mit Geheimhaltungsbedürfnissen begründet.
Es seien Rückschlüsse auf die Arbeit des Geheimdienstes zu befürchten, die
dessen weitere Tätigkeit gefährden oder erschweren könnten. Außerdem habe
die Bundesregierung bereits vor dem Parlamentarischen Kontrollgremium
Stellung genommen.

Mit dieser pauschalen Ablehnung hat die Bundesregierung das parlamentari-
sche Fragerecht in verfassungswidriger Weise missachtet. Nach einer Entschei-
dung des Bundesverfassungsgerichtes vom 1. Juli 2009 (2 BvE 5/06) muss die
Bundesregierung mit „einer der jeweiligen Problemlage angemessenen aus-
führlichen Begründung“ darlegen, inwiefern die Erteilung der erfragten Infor-
mationen von Nachteil für den Geheimdienst sei. Dies ist nicht geschehen und
auch kaum zu gewärtigen: Wenn als wahr unterstellt wird, dass zur Beobach-
tung der Fraktion DIE LINKE. keine nachrichtendienstlichen Mittel eingesetzt,
sondern nur öffentlich zugängliche Quellen genutzt werden, ist nicht plausibel,
inwiefern die Beantwortung der von der Fraktion gestellten Fragen zur Auf-
deckung nachrichtendienstlicher Strukturen führen könnte.

Auch die Haltung der Bundesregierung, nur vor dem Parlamentarischen Kon-
trollgremium Stellung nehmen zu wollen, ist vom Bundesverfassungsgericht
zurückgewiesen worden.
Aus Sicht der Fraktion DIE LINKE. missbraucht die Bundesregierung ihre
Machtposition, wenn sie auf eine demokratische Oppositionspartei wie
DIE LINKE. ihren Geheimdienst ansetzt, und diffamiert und delegitimiert die
politische Konkurrenz.

Das Bundesverfassungsgericht hat bestätigt, dass die Überwachung von Abge-
ordneten „erhebliche Gefahren im Hinblick auf ihre Unabhängigkeit und auf
die Mitwirkung der betroffenen Parteien bei der politischen Willensbildung …

Drucksache 16/13886 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

und damit für den Prozess demokratischer Willensbildung insgesamt“ mit sich
bringe. Das diesbezügliche Fragerecht des Parlaments habe daher „hohes
Gewicht“.

Da die Fraktion DIE LINKE. davon ausgehen muss, dass ihre Beobachtung
durch den Verfassungsschutz andauert, werden hier erneut Fragen zu diesem
Thema gestellt, in der Erwartung, dass die Bundesregierung nach der genann-
ten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes diese beantwortet.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Ist die Bundesregierung nach der Entscheidung des Bundesverfassungs-
gerichtes vom 1. Juli 2009 (2 BvE 5/06) bereit, von ihrem Standpunkt,
auch Angaben zur Auswertung öffentlich zugänglicher Quellen durch das
Bundesamt für Verfassungsschutz unterlägen der Geheimhaltungspflicht,
abzurücken und einschlägige Fragen zu beantworten, und wenn nein,
warum nicht?

2. Welche Art von Daten beinhaltet die vom Bundesamt für Verfassungs-
schutz geführte Sachakte über die Fraktion DIE LINKE.?

3. Welche Behörden bzw. Dienststellen haben bislang Informationen aus
dieser Sachakte erhalten bzw. welche sind unter welchen Umständen be-
rechtigt, Informationen zu erhalten?

4. Inwiefern fließen in die Sachakte Informationen über Aktivitäten der Abge-
ordneten ein, die nicht in unmittelbarem Zusammenhang zu ihrer parlamen-
tarischen Arbeit stehen, sondern z. B. mit ihren Funktionen in der Partei
DIE LINKE. zu tun haben?

5. Enthält die Sachakte Informationen zu allen Mitgliedern der Fraktion
DIE LINKE., und wenn nein, zu wie vielen Mitgliedern, und welche Krite-
rien wurden dabei zugrunde gelegt?

6. Über wie viele Abgeordnete der Fraktion DIE LINKE. sind in der Sachakte
Informationen enthalten, die über die Angaben im Amtlichen Handbuch
des Deutschen Bundestages hinausgehen, und um welche Angaben handelt
es sich dabei?

7. Enthält die Sachakte auch Angaben zu Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern
der Fraktion DIE LINKE. bzw. einzelner Abgeordneter, und wenn ja, zu
wie vielen, und welcher Art sind diese Daten?

Wird dabei unterschieden zwischen parteilosen Mitarbeiterinnen und Mit-
arbeitern und solchen, die der Partei DIE LINKE. angehören bzw. in dieser
Partei Funktionen ausüben?

8. Inwiefern findet die Tätigkeit der Wahlkreisbüros Eingang in die Sachakte?

9. Enthält die Sachakte personenbezogene Verweise auf bereits bestehende
Akten der Betroffenen beim Bundesamt für Verfassungsschutz, bei den
Landesämtern für Verfassungsschutz oder anderen, ggf. auch ausländi-
schen Geheimdiensten?

10. Kann die Bundesregierung ausschließen, dass das Bundesamt für Ver-
fassungsschutz die Sachakte dazu verwendet, andere Akten oder Dateien
des Bundesamtes für Verfassungsschutz oder der Landesämter für Verfas-
sungsschutz über einzelne Abgeordnete oder die Fraktion DIE LINKE. als
Ganzes anzureichen, die Sachakte also lediglich als Ergänzung zu anderen
Überwachungsformen dient (bitte ggf. die Mechanismen erläutern)?

11. Welche Printpublikationen und welche Internetauftritte werden zur Füh-

rung der Sachakte regelmäßig ausgewertet (bitte einzeln nennen)?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/13886

12. Hat das Bundesamt für Verfassungsschutz auch über andere Fraktionen des
16. Deutschen Bundestages Sachakten angelegt, und wenn ja, über welche
Fraktionen?

13. Welche Fraktionen bzw. Gruppen des 1. bis 15. Deutschen Bundestages
sind vom Verfassungsschutz beobachtet worden, und über welchen Zeit-
raum?

a) Welche Mittel wurden dabei eingesetzt?

b) Welcher Art waren die erhobenen Informationen?

14. War auch die Tätigkeit der früheren Fraktionen bzw. Gruppen der PDS
sowie der Abgeordneten Petra Pau und Dr. Gesine Lötzsch in der 15. Le-
gislaturperiode in einer Sachakte erfasst (bitte ggf. die Zeiträume der Beob-
achtung angeben)?

15. Wie viele Mitglieder des Deutschen Bundestages werden, abgesehen von
der Sachakte, derzeit vom Bundesamt für Verfassungsschutz überwacht?

a) Welchen Fraktionen gehören diese an (bitte jeweils die Anzahl der über-
wachten Mitglieder des Deutschen Bundestages angeben)?

b) Über wie viele der betroffenen Abgeordneten werden dabei Informatio-
nen festgehalten, die über die Angaben im Amtlichen Handbuch des
Deutschen Bundestages hinausgehen?

c) Wie viele Mitglieder des Deutschen Bundestages werden unter Einsatz
nachrichtendienstlicher Mittel überwacht?

d) Wie viele dieser Mitglieder des Deutschen Bundestages sind von ihrer
Beobachtung durch den Verfassungsschutz in Kenntnis gesetzt worden?

16. Wie viele Mitglieder des Deutschen Bundestages sind während der 1. bis
15. Legislaturperiode vom Verfassungsschutz beobachtet worden (bitte
nach Legislaturperioden aufschlüsseln)?

a) Welche Mittel wurden dabei eingesetzt?

b) Welcher Art waren die erhobenen Informationen?

c) Welchen Fraktionen bzw. Gruppen gehörten diese an?

17. Welche Kenntnis hat die Bundesregierung über die Beobachtung der Frak-
tion DIE LINKE. als Ganzes durch einzelne Landesämter für Verfassungs-
schutz (bitte ggf. diese einzeln benennen)?

18. Welche Kenntnis hat die Bundesregierung darüber, welche Landesämter
für Verfassungsschutz einzelne Mitglieder des Deutschen Bundestages
beobachten?

a) Um wie viele Mitglieder des Deutschen Bundestages handelt es sich
dabei?

b) Welchen Fraktionen gehören diese an?

c) Kommen hierbei nachrichtendienstliche Mittel zum Einsatz?

19. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung darüber, welche ausländischen
Geheimdienste eine Fraktion oder einzelne Mitglieder des Deutschen
Bundestages beobachten?

Berlin, den 5. August 2009

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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