BT-Drucksache 16/13880

Voraussetzungen für die Impfung gegen den H1N1-Virus in der Bundesrepublik Deutschland

Vom 7. August 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/13880
16. Wahlperiode 07. 08. 2009

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Frank Spieth, Dr. Martina Bunge, Klaus Ernst, Inge Höger,
Katja Kipping, Elke Reinke, Dr. Ilja Seifert und der Fraktion DIE LINKE.

Voraussetzungen für die Impfung gegen den H1N1-Virus in der Bundesrepublik
Deutschland

Seit dem Ausbruch der als „Schweinegrippe“ bekannt gewordenen Influenza
des Typs H1N1 werden in Deutschland Pläne aufgestellt, wie einer drohenden
Pandemie begegnet werden kann. Wurden zunächst Medikamente zur antivira-
len Therapie bevorratet, so wird voraussichtlich ab dem Herbst 2009 auch eine
Impfung gegen den Erreger zur Verfügung stehen. Die Bundesregierung plant,
zunächst 22,5 Millionen Menschen in Deutschland impfen zu lassen.

Zwischen den Krankenkassen und der Bundesregierung ist ein Streit darüber
entbrannt, wer für die anstehenden Impfungen die Kosten tragen soll. Die
Kosten für eine Impfung gegen die „Schweinegrippe“ sind nicht bei der Be-
rechnung der Ausgaben der Krankenkassen und der finanziellen Ausstattung
des Gesundheitsfonds einkalkuliert worden. Deshalb warnen die Krankenkassen
nun vor einem möglichen Defizit im Gesundheitsfonds und dadurch drohenden
Zusatzbeiträgen, die ausschließlich von den Versicherten zu tragen wären.

Die 50 Millionen bestellten Impfdosen würden nach den Schätzungen der
Krankenkassen von Ende Juli an etwa 600 Mio. Euro kosten. Bei einer „Durch-
impfung“ der gesamten Bevölkerung sind nach Schätzungen sogar 2 Mrd. Euro
zu veranschlagen. Diese Kosten können die gesetzlichen Krankenkassen aus
den laufenden Fondseinnahmen nicht finanzieren. Sie fordern eine Verständi-
gung darüber, wie die außerplanmäßigen Ausgaben – etwa mit Steuermitteln –
ausgeglichen werden können. Die Seuchenbekämpfung ist eine öffentliche
Aufgabe. Deshalb müssen Bund und Länder die im Herbst anstehenden Imp-
fungen von über 22,5 Millionen Menschen als hoheitliche Aufgabe finanzieren.

Die Vorsitzende des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenversicherung,
Doris Pfeiffer, warnte: „Entziehen sich die Länder, die private Krankenver-
sicherung und Beihilfeträger ihrer Verpflichtung, würde der Fonds entsprechend
höher belastet und damit auch die Beitragszahler.“ Die Kassen seien bereit, sich
an den Kosten für die Impfung zu beteiligen. Ebenso müssten sich auch die Län-
der ihrer Verantwortung für die Gesundheit der Bevölkerung stellen.

Mehrere Arzneimittelexperten haben vor möglicherweise schwerwiegenden
Nebenwirkungen bei der geplanten Massenimpfung gegen die „Schweine-

grippe“ gewarnt. Die Sicherheitstests der Musterimpfstoffe seien darauf aus-
gelegt, nur Nebenwirkungen, die bei mindestens einem von 100 Geimpften auf-
treten, zu erkennen. Bei 25 Millionen, die in Deutschland ab Herbst geimpft
werden sollen, könnten also fast 250 000 Menschen heftige Impfreaktionen er-
leiden, ohne dass dies bei der Testung des Impfstoffs aufgefallen wäre. Das
Zulassungsverfahren sei bisher an der Annahme orientiert, dass man eine sehr
gefährliche Pandemie zu befürchten und daher nur wenig Zeit habe. Angesichts

Drucksache 16/13880 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

der Erfahrung, dass die Erkrankung aber meist harmlos verlaufe, müsse man
weitere Sicherheitsstufen vor der allgemeinen Impfung einbauen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie weit ist die Bundesregierung mit ihrer Rechtsverordnung, um die Vo-
raussetzungen für die Impfungen zu regeln?

2. Wie hoch beziffert die Bundesregierung die Kosten insgesamt für den
Impfstoff, die Applikation, Lagerung/Transport und die Dokumentation?

3. Wer hat nach Auffassung der Bundesregierung die Kosten für die Impfun-
gen zu tragen?

Wie hoch soll für den Fall einer Beteiligung durch Bund und Länder ihr
jeweiliger Anteil ausfallen?

4. Beabsichtigt die Bundesregierung, die Kosten der gesamten Impfaktion auf
die Gesetzlichen Krankenversicherungen zu verlagern?

Wenn ja, ist beabsichtigt den Bundeszuschuss zu erhöhen?

5. Sollte die Bundesregierung die Kostenübernahme ablehnen, wie ist dann
gesichert, dass die Privaten Krankenversicherungen entsprechend ihrem
Versichertenanteil die Impfkosten übernimmt?

6. Wer ist für die Ausführung der Impfungen verantwortlich?

Welche Rolle spielt dabei der Öffentliche Gesundheitsdienst (ÖGD)?

7. Sieht die Bundesregierung den ÖGD in der Lage, die Impfungen vorzu-
nehmen?

Wenn nein, welche weiteren Einrichtungen können an den Impfungen be-
teiligt werden?

8. Wie hoch wird die Vergütung pro Impfung ausfallen, wenn niedergelassene
Ärzte an den Impfungen beteiligt werden?

9. Wie wird gewährleistet, dass in der ersten Impfaktion die entsprechenden
Risikogruppen erreicht und vorrangig geimpft werden?

10. Wie soll nach Auffassung der Bundesregierung die Informationspflicht
sichergestellt werden, und wie ist der Datenschutz bei der Information der
Risikogruppen zu gewährleisten?

11. Nach welchen gesundheitlichen und/oder anderen Kriterien wurden die ge-
nannten 22,5 Millionen Menschen ausgewählt?

12. Wie soll aus Sicht der Bundesregierung die Dokumentation des Impfvor-
gangs angemessen sichergestellt werden (da ja davon nicht nur Abrech-
nungs-, sondern auch Haftungsfragen später betroffen sein könnten)?

13. Für wie hoch hält die Bundesregierung angesichts der Kritik an der vorge-
sehenen Massenimpfung das aktuelle Impfrisiko?

14. Wie steht die Bundesregierung zu der Forderung, die Impfungen nicht im
September beginnen zu lassen, sondern erst ausführliche Tests mit dem
neuen Impfstoff durchzuführen?

15. Mit wie vielen Erkrankungs- und Todesfällen rechnet die Bundesregierung
im Falle eines Ausbruchs einer Grippewelle?

Berlin, den 4. August 2009

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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