BT-Drucksache 16/13856

Zur Indigenenpolitik der Bundesregierung

Vom 30. Juli 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/13856
16. Wahlperiode 30. 07. 2009

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Thilo Hoppe, Ute Koczy, Volker Beck (Köln), Marieluise Beck
(Bremen), Alexander Bonde, Kerstin Müller (Köln), Winfried Nachtwei,
Omid Nouripour, Claudia Roth (Augsburg), Manuel Sarrazin, Rainder Steenblock,
Jürgen Trittin und der Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Zur Indigenenpolitik der Bundesregierung

Anfang Juni kam es zu gewaltsamen Ausschreitungen zwischen Indigenen und
staatlichen Sicherheitskräften in Bagua/Peru. Die Ausschreitungen wurden durch
ein vom Ministerrat verabschiedetes Gesetzespaket ausgelöst, das im Zusam-
menhang mit Sonderbefugnissen für die Anpassung der peruanischen Gesetzge-
bung an das neue Freihandelsabkommen mit den USA steht und unter anderem
die Nutzung natürlicher Ressourcen regeln sollte. Die meisten Gesetze dieses
Pakets wurden im peruanischen Parlament nicht debattiert. Zudem fanden keine
Konsultationen mit indigenen Gemeinschaften statt, obwohl das peruanische
Recht vorsieht, dass diese vor der Verabschiedung von Gesetzesinitiativen, die
sie direkt betreffen, konsultiert werden müssen.

Die Geschehnisse in Bagua haben gezeigt, wie wichtig es ist, die Rechte indige-
ner Völker einzuhalten und zu stärken – auch und gerade wenn sie in Konflikt
zu wirtschaftlichen Interessen geraten. Dies gilt nicht nur für Peru, sondern welt-
weit.

Deutschland kann im Rahmen seiner Außen-, Wirtschafts- und Entwicklungs-
politik zur Stärkung der Rechte indigener Völker wichtige Beiträge leisten. Da-
her ist es umso bedauerlicher, dass Deutschland die ILO-Konvention 169 zum
Schutz der indigenen Völker noch immer nicht ratifiziert hat.

Wir fragen die Bundesregierung:

I. Zu Peru

1. Welchen Stellenwert hat die Indigenenpolitik im Rahmen des bilateralen
Dialogs sowie in den Regierungsverhandlungen mit Peru derzeit, und wel-
chen Stellenwert wird sie künftig haben?

2. Welchen Stellenwert hat die staatliche Politik für indigene Völker derzeit in
der Politikberatung durch die deutsche technische Zusammenarbeit (TZ) in

Peru, und wie soll das Thema künftig im bilateralen Dialog sowie der Poli-
tikberatung berücksichtigt werden?

3. Auf welche Weise fördert die deutsche TZ im Rahmen der Politikberatung im
Governance-, Umwelt- und Sozialbereich staatliche Politikansätze für indi-
gene Völker in den folgenden Bereichen:

a) Stärkung der politischen Teilhabe auf allen staatlichen Ebenen,

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b) Armutsbekämpfung unter Berücksichtigung der soziokulturellen Beson-
derheiten,

c) Verhinderung und Bekämpfung von Umweltschäden mit direkten Aus-
wirkungen auf indigene Völker,

d) Unterstützung der kollektiven indigenen Rechte auf Zugang und Nut-
zung von Naturressourcen,

e) Umsetzung des Rechts indigener Völker auf vorherige Information und
Konsultation im Falle von politischen Maßnahmen, die sie direkt betref-
fen, wie in der ILO-Konvention 169 vorgesehen,

f) Stärkung einer aktiven Vermittlerrolle des Staates in Konflikten zwi-
schen Privatunternehmen und indigenen Gemeinschaften zugunsten der
indigenen Rechte sowie der Beteiligung der indigenen Gemeinschaften
an den Produktionsprozessen und Einnahmen aus der Rohstoffgewin-
nung,

g) Schaffung von Raumordnungsprozessen im Amazonasgebiet auf loka-
ler, regionaler und nationaler Ebene?

4. Welche konkreten Maßnahmen plant Deutschland gemeinsam mit der peru-
anischen Regierung, um relevante staatliche Stellen zu befähigen, besser als
bisher eine kohärente staatliche Indigenenpolitik umzusetzen?

Welche Rolle spielen hierbei die Betroffenen sowie Fachleute aus dem In-
und Ausland?

5. Inwiefern werden politische Dialogprozesse unter aktiver Beteiligung indi-
gener Organisationen gefördert und beraten?

6. Welche Rolle spielen die Rechte indigener Völker bei den Freihandelsver-
handlungen der Europäischen Union und Peru?

7. Wird die Bundesregierung die entwicklungspolitische Zusammenarbeit mit
indigenen Organisationen in Peru in Zukunft fortführen bzw. verstärken?

8. Wird sich die entwicklungspolitische Zusammenarbeit mit indigenen Orga-
nisationen in Peru in Reaktion auf die gewaltsamen Konfrontationen vom
Juni 2009 verändern, und wenn ja, wie?

9. Inwieweit kann die entwicklungspolitische Zusammenarbeit mit indigenen
Organisationen in Peru einen Beitrag dazu leisten, die indigene Bevölke-
rung in die Lage zu versetzen, ihre Rechte effektiv einzufordern und sich
stärker und direkter als bisher am politischen Geschehen, etwa im Kon-
gress, zu beteiligen?

10. Trifft es zu, dass das „Programm für Friedensentwicklung, Krisenpräven-
tion und Konfliktbearbeitung“ in Peru eingestellt werden soll bzw. Teile des
Programms wie der Zivile Friedensdienst des DED in Peru, und wenn ja,
warum?

11. Wie schätzt die Bundesregierung die Notwendigkeit von Konfliktpräven-
tion in Peru in Anbetracht der Tatsache ein, dass auch in Zukunft Konflikte
zwischen Ressourcennutzung und indigenen Rechten wahrscheinlich sind?

12. Wie wird bei der Einschätzung der Situation in Peru die Tatsache berück-
sichtigt, dass die indigenen Gemeinschaften des Amazonasgebiets über
keine offizielle politische Vertretung im Kongress bzw. in den politischen
Parteien verfügen?

13. Welchen Beitrag leistet Deutschland zur Förderung von politischen Dialog-
prozessen über indigene Rechte, Tropenwaldschutz, Raumordnungspro-

zesse und Konfliktprävention in Peru und anderen Ländern der Amazonas-
region?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/13856

14. Gibt es einen Dialog mit der Regierung Perus über die Umsetzung der
UN- Biodiversitätskonvention (CBD), insbesondere über die in Artikel 8 ge-
nannte Berücksichtigung der indigenen Völker, im Rahmen der deutschen
technischen Zusammenarbeit?

Wenn ja, welchen Stellenwert hat dieser?

15. Über welche Ministerien und in welchem Umfang stehen Mittel für die För-
derung indigener Völker und indigener Organisationen in Peru und anderen
Staaten Lateinamerikas zu Verfügung (bitte nach Ministerien auflisten)?

II. Weltweit

16. Welchen Stellenwert haben die Rechte indigener Völker beim Einsatz
Deutschlands für die Einhaltung der Menschenrechte weltweit?

Hat sich dieser im Zuge der zunehmenden Konflikte zwischen indigenen
Rechten und der Nutzung von Naturressourcen verändert?

17. Welche Rolle spielen dabei die ILO-Konvention 169 und die UN-Erklärung
über die Rechte indigener Völker vom September 2007?

18. Ist eine Ratifizierung der ILO-Konvention 169 durch Deutschland vorge-
sehen?

Wenn ja, bis wann?

Wenn nein, mit welcher Begründung?

19. Welchen Stellenwert hat die Indigenenpolitik im Rahmen des bilateralen
Dialogs sowie in den Regierungsverhandlungen mit den Staaten Lateiname-
rikas, Asiens und Afrikas derzeit, und welchen Stellenwert wird sie künftig
haben?

20. Welchen Stellenwert hat im Kontext der Indigenenpolitik die Anwendung
der Handlungsleitlinien des free, prior and informed consent sowie die An-
wendung des Konzepts des Access and Benefit Sharing – beiden Instrumen-
ten wird sowohl von der UN als auch der Weltbank eine große Bedeutung
zugewiesen?

21. Welchen Stellenwert hat die staatliche Politik für indigene Völker derzeit in
der Politikberatung durch die deutsche technische Zusammenarbeit in
Lateinamerika, Asien und Afrika, und wie soll das Thema künftig im bila-
teralen Dialog sowie der Politikberatung berücksichtigt werden (bitte nach
Ländern ausführen)?

22. Über welche Projekte und Programme in welchen Ländern setzt sich
Deutschland für die Stärkung der Rechte indigener Völker in Lateiname-
rika, Asien und Afrika ein?

23. Welche Rolle spielt die Konfliktprävention im Rahmen der deutschen Ent-
wicklungszusammenarbeit in den Amazonasgebieten Brasiliens, Kolumbi-
ens, Ecuadors und Boliviens?

Berlin, den 30. Juli 2009

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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