BT-Drucksache 16/13736

Stand und Zukunft der Ausbildung in den Pflegeberufen

Vom 3. Juli 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/13736
16. Wahlperiode 03. 07. 2009

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Elisabeth Scharfenberg, Birgitt Bender, Dr. Harald Terpe, Britta
Haßelmann, Priska Hinz (Herborn), Kerstin Andreae, Markus Kurth, Irmingard
Schewe-Gerigk, Grietje Staffelt und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Stand und Zukunft der Ausbildung in den Pflegeberufen

Mit der Verabschiedung des Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und
anderer Vorschriften (Bundestagsdrucksache 16/12256) im Deutschen Bundes-
tag haben die Regierungsfraktionen der CDU/CSU und SPD auch eine Ände-
rung der Gesetze über die Berufe in der Krankenpflege (KrPflG) und in der
Altenpflege (AltPflG) beschlossen.

Laut den Gesetzesänderungen wird künftig eine abgeschlossene zehnjährige
allgemeine Schulbildung als Zugangsvoraussetzung zur Ausbildung in der Ge-
sundheits- und Kranken- bzw. Altenpflege ausreichen. Die Neuregelung bleibt
in beiden Gesetzen zunächst bis 31. Dezember 2017 befristet. Nach den neu
eingeführten § 27 KrPflG bzw. § 33 AltPflG erstatten die zuständigen Bundes-
ministerien für Gesundheit bzw. für Familie, Senioren, Frauen und Jugend dem
Deutschen Bundestag bis zum 31. Dezember 2015 über die Erfahrungen mit
der Neuregelung Bericht. Auf dieser Grundlage soll über die gegebenenfalls
dauerhafte Einführung der abgesenkten Zugangsvoraussetzungen entschieden
werden. Eine wissenschaftliche Begleitung und Evaluation der Neuregelung ist
während der Befristungsphase weder im Gesetzestext noch in der Gesetzesbe-
gründung vorgesehen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Weshalb hat die Bundesregierung trotz massiver Kritik aus Fachkreisen, die
sich sowohl gegen die Neuregelung als auch ihre Begründung richtet (vgl.
z. B. Stellungnahmen des Deutschen Berufsverbandes für Pflegeberufe,
Ausschussdrucksache 16(14)0514(31), der Bundesarbeitsgemeinschaft der
Freien Wohlfahrtspflege, Ausschussdrucksache 16(14)0514(41), oder des
Bundesausschusses der Lehrerinnen und Lehrer für Pflegeberufe, Aus-
schussdrucksache 16(14)0515(29)), an der Absenkung der Zugangsvoraus-
setzungen zur Ausbildung in der Gesundheits- und Krankenpflege festgehal-
ten und hat erst kurz vor der abschließenden Beratung des Gesetzgebungs-
verfahrens im Ausschuss für Gesundheit eine weitere Änderung angestoßen,
mit der die Neuregelung auf das AltPflG ausgeweitet wurde?
2. Weshalb hat die Bundesregierung nicht zumindest die Vorschläge des Deut-
schen Berufsverbandes für Pflegeberufe bzw. des Deutschen Pflegerates
(vgl. Pressemitteilung vom 16. Juni 2009) berücksichtigt, die Absenkung
der Zugangsvoraussetzung zur Alten- und Krankenpflegeausbildung in
Form einer Modellklausel vorzunehmen und sich zudem zu einer grund-
legenden Reform der Pflegeausbildung in der kommenden Legislaturperiode
zu bekennen?

Drucksache 16/13736 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

3. Aus welchen Gründen verzichtet die Bundesregierung auf eine wissen-
schaftliche Begleitung und Evaluation der Erfahrungen mit der Absenkung
der Zugangsvoraussetzungen zur Pflegeausbildung?

4. a) Sieht die Bundesregierung einen Widerspruch zwischen der beschlosse-
nen Neuregelung im KrPflG und AltPflG und den Zielen der Bologna-
Deklaration, die eine Angleichung der Bildungsabschlüsse innerhalb der
Europäischen Union vorsieht – auch unter Berücksichtigung der Tat-
sache, dass in der Mehrzahl der EU-Mitgliedstaaten die Pflegeausbildung
zumindest teilweise an Hochschulen angesiedelt ist?

Falls nein, weshalb nicht?

b) Falls ja, wie gedenkt die Bundesregierung mit diesem Widerspruch um-
zugehen?

c) Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der Kritik,
z. B. des Deutschen Pflegerates, mit der Absenkung der Zugangsvoraus-
setzungen sei Deutschland „EU-weit Schlusslicht“ (Ausschussdruck-
sache 16(14)0515(20))?

5. a) Sind Pressemeldungen (vgl. www.bibliomed.de/cps/rde/xchg/bibliomed/
hs.xsl/90_15563.htm, 19. Juni 2009) korrekt, nach denen die beschlos-
sene Neuregelung im KrPflG und AltPflG in nur vier Bundesländern
greifen wird?

Falls ja, warum, und um welche Bundesländer handelt es sich?

b) Falls nein, inwieweit greift die Neuregelung auch in anderen Bundeslän-
dern?

c) Falls die Neuregelung nicht in allen Bundesländern greift, aus welchen
Gründen hat die Bundesregierung diese Regelung dennoch angestoßen,
und inwieweit hält sie sie überhaupt für geeignet, das in der Gesetzesbe-
gründung angeführte Ziel, den „[…] in Hinblick auf die demografische
Entwicklung […] insbesondere im Bereich der Pflege zu befürchtenden
Fachkräftemangel zu vermeiden“ zu erreichen?

6. Wie sind die landesrechtlichen Regelungen über die Ausbildung in Hilfs-
oder Assistenz-Berufen in der Pflege in den jeweiligen Bundesländern im
Einzelnen ausgestaltet hinsichtlich Zugangsvoraussetzungen (Alter, Schul-
bildung u. Ä.), Dauer und Inhalten der Ausbildung sowie der Möglichkeit,
auf dieser Grundlage anschließend eine Ausbildung nach dem KrPflG oder
AltPflG zu absolvieren?

7. Sieht die Bundesregierung mögliche Konflikte zwischen der von der Bun-
desregierung beschlossenen Neuregelung und einzelnen landesrechtlichen
Regelungen über die Ausbildung in Hilfs- oder Assistenz-Berufen in der
Pflege?

Falls ja, welche?

Falls nein, weshalb nicht?

8. Sieht die Bundesregierung überhaupt die Notwendigkeit einer grundlegen-
den Reform der Ausbildung in den Pflegeberufen?

Falls ja, wann muss diese nach Ansicht der Bundesregierung in Angriff ge-
nommen werden, und welche Eckpunkte muss eine solche Reform aus Sicht
der Bundesregierung umfassen?

Falls nein, weshalb nicht?

9. a) Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über das Angebot an Aus-

bildungsplätzen für Pflegeberufe nach dem KrPflG und AltPflG in den
einzelnen Bundesländern sowie die Zahl an Bewerberinnen und Bewer-
bern für diese Plätze?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/13736

b) Wie hat sich die Zahl der vorgehaltenen und refinanzierten Ausbil-
dungsplätze dabei in den Bundesländern von 1999 bis heute entwickelt?

c) Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus diesen
Erkenntnissen?

10. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung zu Art, Inhalt, Entwick-
lungsstand und Ergebnissen der vielfältigen hierzulande durchgeführten,
zum Teil bereits abgeschlossenen und evaluierten Modellprojekte zur Zu-
kunft der Pflegeausbildung, zum Beispiel im Rahmen des vom Bundes-
ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend geförderten Projekt-
verbundes „Pflege in Bewegung“?

a) Wann rechnet die Bundesregierung mit dem Abschluss und der Evalua-
tion der letzten dieser Modellprojekte, und wie gedenkt sie mit den Er-
gebnissen zu verfahren?

b) Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus den bereits
vorliegenden Ergebnissen von Projekten, und welche Handlungserfor-
dernisse leitet sie daraus ab?

c) Inwieweit ergaben sich aus den bisher bekannten Projektergebnissen
Empfehlungen hinsichtlich einer Absenkung der Zugangsvoraussetzun-
gen im KrPflG bzw. AltPflG, wie sie nunmehr beschlossen wurde?

11. a) Sind bereits Modellvorhaben nach § 63 Absatz 3 Buchstabe b und c
des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) zur Übertragung be-
stimmter ärztlicher Tätigkeiten auf Pflegefachkräfte initiiert und gestar-
tet worden?

Falls ja, welche, und auf welcher Grundlage?

b) Falls nein, weshalb nicht, und was gedenkt die Bundesregierung zu tun,
um den Prozess zu beschleunigen?

12. a) Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung – auch hinsicht-
lich der beschlossenen Neuregelung im KrPflG und AltPflG – aus inter-
nationalen Studienergebnissen (z. B. Blegen u. a. 2001, Aiken u. a.
2003), die auf einen signifikanten Zusammenhang zwischen der Quali-
fikation von Pflegekräften und der pflegerischen Versorgungsqualität
hinweisen?

b) Was gedenkt die Bundesregierung unter dem Gesichtspunkt der Versor-
gungssicherheit und -qualität zu unternehmen, um den Mangel an ent-
sprechenden wissenschaftlichen Untersuchungen in Deutschland zu be-
heben?

Berlin, den 3. Juli 2009

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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