BT-Drucksache 16/13703

Deutsche Entwicklungszusammenarbeit auf die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts ausrichten

Vom 1. Juli 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/13703
16. Wahlperiode 01. 07. 2009

Antrag
der Abgeordneten Hellmut Königshaus, Dr. Karl Addicks, Dr. Werner Hoyer,
Christian Ahrendt, Uwe Barth, Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst, Ernst
Burgbacher, Patrick Döring, Jörg van Essen, Paul K. Friedhoff, Dr. Edmund Peter
Geisen, Hans-Michael Goldmann, Miriam Gruß, Dr. Christel Happach-Kasan,
Heinz-Peter Haustein, Elke Hoff, Birgit Homburger, Michael Kauch, Dr. Heinrich
L. Kolb, Gudrun Kopp, Heinz Lanfermann, Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht,
Michael Link (Heilbronn), Patrick Meinhardt, Jan Mücke, Burkhardt Müller-
Sönksen, Dirk Niebel, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Cornelia Pieper, Frank
Schäffler, Dr. Konrad Schily, Marina Schuster, Dr. Max Stadler, Dr. Rainer Stinner,
Carl-Ludwig Thiele, Florian Toncar, Christoph Waitz, Dr. Claudia Winterstein,
Dr. Volker Wissing, Hartfrid Wolff (Rems-Murr), Dr. Guido Westerwelle und der
Fraktion der FDP

Deutsche Entwicklungszusammenarbeit auf die Herausforderungen des
21. Jahrhunderts ausrichten

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Nach einem halben Jahrhundert Entwicklungszusammenarbeit mit einer ernüch-
ternden Bilanz bei der Bekämpfung der Armut beschloss die internationale
Staatengemeinschaft zur Jahrtausendwende mit der Millenniumerklärung der
Vereinten Nationen eine neue entwicklungspolitische Agenda. Dabei einigte
man sich auf die Umsetzung von acht Millenniumsentwicklungszielen (MDGs)
für die Gesamtheit der Akteure in der Entwicklungszusammenarbeit mit einem
konkreten Zeitrahmen bis zum Jahr 2015. Zu den Zielvorgaben gehören unter
anderem die Halbierung der Armut, Senkung der Kindersterblichkeit um zwei
Drittel, der Muttersterblichkeit um drei Viertel sowie Grundschulbildung für alle
Mädchen und Jungen. Seither wurden der Monterrey-Konsens zur Entwick-
lungsfinanzierung (2002) und die Paris-Erklärung zur Wirksamkeit der Ent-
wicklungszusammenarbeit (2005) beschlossen, die heute zusammen mit der
MDG-Agenda den Handlungsrahmen der deutschen Entwicklungszusammenar-
beit bilden.

Sechs Jahre vor Ablauf der Zielvorgabe müssen wir feststellen, dass die acht

Millenniumsziele voraussichtlich nicht bis 2015 umgesetzt werden können.
Während sich in einigen asiatischen und lateinamerikanischen Ländern funktio-
nierende Volkswirtschaften entwickeln und dadurch den Übergang zum Schwel-
lenland geschafft haben, ist auf dem afrikanischen Kontinent nach wie vor keine
befriedigende Entwicklung zu sehen. Vielmehr hat sich die Zahl der an Hunger
leidenden Menschen infolge der globalen Krisen sogar noch erhöht. Zunächst
verursachte der dramatische Preisanstieg bei Erdöl und Nahrungsmitteln in den

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Jahren 2007 und 2008 einen Anstieg der Anzahl der Hungernden. Innerhalb
eines Jahres verdoppelten sich die Nahrungsmittelpreise. So stieg innerhalb von
zwei Monaten der Preis von Weizen um 120 Prozent, der von Reis – dem
wichtigsten Grundnahrungsmittel für vier Milliarden Menschen in Afrika und
Asien – um 75 Prozent. Das Ausmaß der Auswirkungen der Finanz- und Wirt-
schaftskrise auf die Entwicklungsländer ist abschließend noch nicht erfasst. Die
Weltbank geht aber aktuell von zusätzlich 90 Millionen in extremer Armut
lebender Menschen aus, so dass im Jahr 2009 die Schwelle von einer Milliarde
hungernder Menschen überschritten werden wird. Dennoch halten wir daran
fest, dass das Verfehlen des Zeitplans die Entwicklungsziele nicht hinfällig
macht, sondern vielmehr eine ehrliche Auseinandersetzung mit der zeitlichen
Zielsetzung erfordert.

Vor dem Hintergrund der schwersten Finanz- und Wirtschaftskrise seit 80 Jahren
und mit Blick auf das Jahr 2015 wächst der Druck auf die deutsche und inter-
nationale Entwicklungszusammenarbeit (EZ), den Nachweis zu erbringen, dass
sich die Armut verringert und die Lebensbedingungen in den Entwicklungslän-
dern tatsächlich verbessert haben. Dabei geht es um nicht weniger als um die
Legitimation der staatlichen Entwicklungszusammenarbeit. Wenn wir künftig
staatliche Entwicklungszusammenarbeit und die Bemühungen der Regierungen
um Armutsbekämpfung nicht in Frage stellen wollen, müssen wir strukturelle
und inhaltliche Veränderungen vornehmen mit dem vorrangigen Ziel, die Wirk-
samkeit der Entwicklungszusammenarbeit deutlich zu erhöhen. Diese Maß-
nahmen müssen zeitlich und örtlich, mengen- und wirkungsmäßig aufeinander
abgestimmt sein, damit es zu einer synchronen, breitenwirksamen Entwicklung
kommt und nicht einzelne Sektoren hinter der allgemeinen Entwicklung zurück-
bleiben. Das schulden wir denjenigen, bei denen die Hilfe nicht in ausreichen-
dem Maße ankommt und nicht zuletzt unseren Bürgern, die die eingesetzten
Mittel erwirtschaften.

Die deutsche Entwicklungspolitik ist auf diese Herausforderungen nicht aus-
reichend vorbereitet. Systemische, institutionelle und organisatorische Anpas-
sungen aufgrund der hohen Anforderungen der neuen Agenden wurden in den
vergangenen Jahren und Jahrzehnten vom Bundesministerium für wirtschaft-
liche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) verschleppt. Angesichts dieser
Herausforderungen und der Dimension der gegenwärtigen Krisen sind wir ge-
zwungen, neue globale Entwicklungsstrategien zu entwickeln und unsere deut-
sche Entwicklungszusammenarbeit entsprechend zukunftsfähig auszurichten.
Inzwischen wächst die Erkenntnis, dass wir mit den vorliegenden Konzepten die
Herausforderungen des 21. Jahrhunderts nicht bewältigen können.

1. Armutsursachenbekämpfung durch Hilfe zur Selbsthilfe

Kernaufgabe der Entwicklungszusammenarbeit muss die Bekämpfung der Ur-
sachen von Armut sein mit dem Ziel, es den Menschen zu ermöglichen ihren ei-
genen Lebensunterhalt zu erwirtschaften. Armut ist in den seltensten Fällen
selbstverschuldet, sondern oftmals Folge schlechter Regierungsführung, schwa-
cher und ineffektiver staatlicher Institutionen, wirtschaftlicher Isolation, fehlen-
der rechtsstaatlicher Strukturen und mangelhafter Bildung. Eine Studie der
Weltbank unterstreicht, dass weniger Kapital und Bodenschätze, sondern imma-
terielle Faktoren wie ein funktionierendes Rechtssystem, durchsetzbare Rechts-
verhältnisse und eine handlungsfähige Regierung Wohlstand steigern. Die dafür
notwendigen Reformprozesse lassen sich aber nicht durch externe Geldtransfers
erreichen, sondern müssen von dem Willen zu Veränderung und Entwicklung
durch die Entwicklungsländer selber getragen werden. Eine nachhaltige Ent-
wicklungszusammenarbeit setzt darauf, Menschen zu befähigen, aus eigener
Kraft wirtschaftlichen Wachstum und Wohlstand zu erreichen und unterstützt

den Aufbau rechtsstaatlicher Strukturen.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/13703

Moderne Ökonomen aus Entwicklungsländern kritisieren zu Recht, dass die
Entwicklungspolitik der Geberländer Arme immer noch als Problem sieht und
nicht als Teil der Lösung. Nur wenn das brachliegende Potential der Milliarden
Armen als wirtschaftlicher Faktor ernst genommen wird, kann nachhaltige Ent-
wicklung aus eigener Kraft gelingen. Aufgabe deutscher Entwicklungspolitik
muss daher der Ausbau des privatwirtschaftlichen Sektors als Grundlage für
wirtschaftliche und soziale Entwicklung sein. Die wirtschaftliche Zusammenar-
beit ist auf die Förderung einer sich selbst tragenden Wirtschaftsentwicklung in
den Empfängerländern auszurichten. Ziel muss dabei sein, die Bevölkerung in
den Entwicklungsländern durch Wissenstransfer schneller und zielsicher zu
eigenverantwortlichem wirtschaftlichem Handeln zu bringen. In diesem Zusam-
menhang gilt es Rahmenbedingungen zu identifizieren, die für nachhaltiges
Wachstum sorgen und die institutionellen, politischen und infrastrukturellen
Maßnahmen zu fördern, die privates Wirtschaften ermöglichen. Unternehmeri-
sche Initiative muss gefördert, die Bedingungen für private Investitionen aus
dem In- wie aus dem Ausland müssen hergestellt werden. Die unternehmerische
Förderung einer autochthonen – an Ort und Boden ansässiger – Basiswirtschaft
in den Bereichen der Landwirtschaft, Handwerk, Gewerbe und Handel bis hin
zu kleineren industriellen Einheiten, kann den Menschen helfen, den bestehen-
den informellen Sektor wirtschaftlich besser zu nutzen. Hilfe zur Selbsthilfe
bedeutet zum einen, Kleinstunternehmen durch Mikrokredite zu vernünftigen
Bedingungen zu unterstützen und zum anderen, kleine und mittlere Unterneh-
men mit Krediten zu fördern. Wir brauchen daher einen Paradigmenwechsel;
weg von dem Gedanken der ausschließlichen Armutsreduzierung hin zu einer
Förderung von Wachstum und Wohlstand für alle.

2. Schwerpunktsetzung auf Subsahara Afrika als ärmste Region der Welt

Deutsche Entwicklungszusammenarbeit muss sich auf die schwächsten und
ärmsten Länder konzentrieren und jedes Ziel und Instrument daran messen, wie
mit knappen Mitteln maximaler Erfolg erreicht werden kann. Trotz einiger
positiver Entwicklungen ist Subsahara Afrika nach wie vor die ärmste Region
der Welt und stellt damit für uns die größte entwicklungspolitische Herausforde-
rung dar. Afrika ist immer noch gekennzeichnet durch eine steigende extreme
Armut, bewaffnete Konflikte und Bürgerkriege, Staatskrisen und Korruption,
30 Millionen HIV/Aids-Infizierte und 12 Millionen Aids-Waisen, eine mangel-
hafte Gesundheitsversorgung und eine sinkende Lebenserwartung. In vielen
Staaten hat die formale Implementierung demokratischer staatlicher Strukturen
weder bestehende autokratische Herrschaftspraktiken beseitigt, noch konnte
eine demokratische und rechtstaatliche Grundordnung in der Gesellschaft ver-
ankert werden.

In der vergangenen Dekade haben Politiker, Wissenschaftler, Prominente und
Aktivisten Afrika wieder verstärkt in den Fokus der Öffentlichkeit gebracht. Das
wachsende Interesse an Afrika lässt sich einerseits auf Faktoren wie den Wett-
bewerb um knappe Ressourcen und die Bekämpfung des Terrorismus, der Ar-
mut, der Flüchtlingsströme und des Klimawandels zurückführen. Andererseits
unterstreichen Anzeichen eines wirtschaftlichen Aufschwungs in etlichen Län-
dern die Entwicklungen und machen neue Perspektiven für Afrika denkbar. In
den letzten Jahren haben sich mit China und Russland zwei neue Akteure auf
dem afrikanischen Kontinent zu Wort gemeldet. Dabei verbindet China seine
nationalen Interessen konsequent mit seinen entwicklungspolitischen Maßnah-
men. Ob es sich bei den Wachstumsraten in Subsahara Afrika um einen kurzwei-
ligen Trend oder um eine nachhaltige Verbesserung der makroökonomischen
Rahmenbedingungen handelt, werden die kommenden Jahre – auch vor dem
Hintergrund der Finanz- und Wirtschaftskrise – zeigen. Auch wenn die afrikani-

schen Volkswirtschaften aufgrund der geringen Integration in die weltweiten
Finanzmärkte nicht unmittelbar von der Krise betroffen sind, werden die in-

Drucksache 16/13703 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

direkten Folgen das Wirtschaftswachstum in Afrika wohl erst einmal bremsen.
Zudem werden sinkende Rohstoffpreise und vor allem der Rückgang auslän-
discher Direktinvestitionen Afrikas Wachstum beeinträchtigen und den Progno-
sen der Weltbank zufolge wird die Zahl der Hungernden in der Region wieder
stark ansteigen.

Afrika ist ein an Bodenschätzen reiches Land und die Einkünfte aus dem Ex-
port von Rohstoffen machen einen Großteil afrikanischer Einnahmen aus. Die
hohe Nachfrage nach Rohstoffen ist eine große Chance für afrikanische Staa-
ten, wenn sie ihre Bodenschätze zu angemessenen Preisen verkaufen und die
Einnahmen nutzen, um ihr verarbeitendes Gewerbe und den Dienstleistungs-
sektor, vor allem das Bildungs- und Gesundheitswesen, auszubauen. Leider
vergeuden ressourcenreiche Entwicklungsländer große Teile ihrer Einnahmen
aus der Förderung von Öl, Diamanten oder Coltan in kostspieligen Konflikten
oder setzen der Veruntreuung der Einnahmen durch die politischen Eliten
nichts entgegen. In diesem Zusammenhang muss die Bundesregierung die
Eigenverantwortung nationaler Eliten einfordern. Eine neue Entwicklungs-
politik für Afrika muss an der Eigenverantwortung afrikanischer Länder und
Institutionen ausgerichtet sein. Mittel müssen gezielter zur Stärkung rechts-
staatlicher Strukturen eingesetzt werden. Außerdem muss die Afrikanische
Union zum effektiven Krisenlösungsmechanismus in Afrika aufgebaut wer-
den. Zudem muss die Bundesregierung die Partnerländer dabei unterstützen,
ihre Einnahmequellen zu diversifizieren, damit sie nicht allein von ihren Roh-
stoffeinnahmen abhängig sind.

3. Neue Zusammenarbeit mit den Schwellenländern

Schwellenländer wie China, Indien, Brasilien, Mexiko und Südafrika, die auf-
grund ihrer Wirtschaftskraft ihre Armutsursachen selber bekämpfen können,
müssen aus den deutschen Entwicklungsprogrammen schrittweise entlassen
werden. Die diesen Ländern zugewandten Finanzmittel fehlen bei der Unterstüt-
zung jener Staaten, die viel größeren Hilfsbedarf haben. Inzwischen haben sich
China und Indien zu den weltweit attraktivsten Zielen für ausländische Direktin-
vestitionen (FDI) entwickelt. Ausländische Direktinvestitionen führen nach
Analysen der OECD zur Anhebung des Technologie- und Qualifikations-
niveaus, zur stärkeren Teilnahme am Welthandel, zur Schaffung eines wett-
bewerbsfähigeren Wirtschaftsumfelds sowie zu einer verstärkten Unternehmens-
entwicklung. Die überdurchschnittlichen Wachstumsraten sind das beste Instru-
ment, um Armut zu bekämpfen. Zu Recht erkennt die deutsche Entwicklungs-
politik den Schwellenländern eine Schlüsselrolle bei der Stabilisierung ihrer
jeweiligen Regionen zu. Anstatt diesen Ländern aber im Rahmen des Anker-
länderkonzeptes weiter Finanzhilfen zu gewähren, sollte die deutsche Entwick-
lungspolitik sie als Partner bei der Entwicklung der noch immer bedürftigen
Länder gewinnen. Mit den Schwellenländern brauchen wir eine Partnerschaft in
den Bereichen Rechtsstaats- und Demokratieförderung, Umwelt- und Klima-
politik, Wissenschaft und Forschung.

Der auf dem G8-Gipfel im Jahr 2007 angestoßene Heiligendamm-Prozess zur
Einbeziehung der aufstrebenden Schwellenländer in eine „neue Partnerschaft“
zur Lösung globaler Probleme geht daher in die richtige Richtung. Der vor-
geschlagene „neue, strukturierte, themenbezogene Dialog“ geht aber nicht weit
genug. Angesichts der Größe der Herausforderungen brauchen wir eine partner-
schaftliche Zusammenarbeit der entwickelten Industrieländer untereinander mit
den Schwellenländern, da die Geber gemeinsam stärker und die erzielbaren Ent-
wicklungen nachhaltiger sind. Darüber hinaus können Fragen von Good Gover-
nance von allen Gebern gemeinsam erörtert und effektiver umgesetzt werden.
Auf dieser neuen Grundlage können und werden sich Partnerschaften ent-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/13703

wickeln, die nachhaltig nicht nur Wohlstand und soziale Sicherheit, sondern
auch Frieden und Solidarität unter den Ländern der Welt fördern.

4. Good Governance umsetzen

Eine Hauptursache für die Erfolglosigkeit von politischen Reformen und Struk-
turanpassungsprogrammen in vielen Entwicklungsländern ist der Widerstand
nationaler Eliten, die oft zu den Nutznießern undemokratischer Strukturen und
ökonomisch ineffizienter Systeme gehören. Good Governance durch Demokra-
tie und Rechtsstaatlichkeit muss daher auch im Mittelpunkt aller Entwicklungs-
bemühungen stehen. Eine neue Ausrichtung der deutschen Entwicklungszusam-
menarbeit erfordert, dass das anerkannte Kriterium von Good Governance auch
tatsächlich umgesetzt und eingefordert wird. Die hinter dem Konzept stehende
Einsicht, dass ohne Rechtssicherheit, Rechtsstaatlichkeit und Verantwortlichkeit
der Regierung eine effektive Entwicklungszusammenarbeit nicht funktionieren
kann, scheiterte bisher an der tatsächlichen Umsetzung und am Monitoring der
Fortschritte durch die Geberländer. Good Governance muss zur überprüfbaren
Voraussetzung für Entwicklungszusammenarbeit werden. Das bedeutet im
Einzelfall, die finanzielle Hilfe – vor allem direkte Geldtransfers – wenn nötig
einzustellen. Es ist nicht zu vertreten, dass Deutschland Länder finanziell stärkt
und Strukturen verfestigt, in denen autoritäre Regime und Korruption herrschen
und Menschenrechtsverletzungen an der Tagesordnung sind. In Ländern mit
schlechter Regierungsführung müssen wir die Arbeit von nichtstaatlichen Ak-
teuren unterstützen und sie folglich bei der Erarbeitung von Länderstrategien
stärker einbinden. In diesem Zusammenhang gilt es, auch die Reformbemühun-
gen der entwicklungspolitischen Organe der Vereinten Nationen mit dem Ziel
einer Verkleinerung und gleichzeitigen Erhöhung der Wirksamkeit von Überwa-
chungsorganen der Fonds und Programme voranzutreiben.

5. Globalen Freihandel stärken – Ernährung sichern

Dass Freihandel Wohlstand schafft, hat sich in der vergangenen Dekade vor
allem für die Entwicklungs- und Schwellenländer gezeigt. Das Wirtschafts-
wachstum dieser Länder lag in den vergangenen fünf Jahren mit 5 Prozent dop-
pelt so hoch wie in den Industrieländern mit 2,5 Prozent. Ihr Anteil am Welthan-
del wächst stetig. Die Auslandsinvestitionen in diesen Ländern haben sich seit
2002 verdoppelt und die Auslandsverschuldung gemessen am BIP ist gesunken.
Vor dem Hintergrund dieser außergewöhnlichen Erfolge und Chancen müssen
die handelspolitischen Entwicklungen der vergangenen Jahre dagegen besorgt
stimmen. Seit dem außerordentlich mühsamen Abschluss der Uruguay-Runde
1994 konnte kein WTO-Zeitfahrplan mehr eingehalten werden. Zuletzt scheiter-
ten Ende Juli 2008 die Bemühungen, die Doha-Entwicklungsrunde doch noch
zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen. Gleichzeitig hat die Zahl der
bilateralen Handelsabkommen massiv zugenommen. Die Folge sind weltweit
steigende Handels- und Transaktionskosten, welche die Entwicklungsländer am
stärksten treffen. Die künftigen Bundesregierungen sind daher aufgefordert, auf
der Ebene der Europäischen Union dafür Sorge zu tragen, dass ernsthafte An-
strengungen zur nachhaltigen Stärkung des Freihandels unternommen werden.
Angesichts der Erstarrung der Doha-Runde zählen hierzu – wenn nötig – der
einseitige und unkonditionierte Abbau weiterhin bestehender Handelsbarrieren
wie Importzölle, produktionsabhängige Subventionen, staatliche Preis- und
Mengeninterventionen und der beschleunigte Abbau von Exportsubventionen
bis zum Jahr 2013.

Ein freier Welthandel ist Voraussetzung für eine nachhaltige Lösung der globa-
len Ernährungsfrage. Insbesondere die Entwicklungsländer profitieren, wenn

sich das Handelsvolumen insgesamt erhöht, sich die Versorgungssicherheit ver-
bessert, die Leistungsfähigkeit und Produktivität der Landwirtschaft auch in die-

Drucksache 16/13703 – 6 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

sen Ländern gestärkt und das Verbraucherpreisniveau auf moderatem Niveau
stabilisiert wird. Die Landwirtschaft und der daraus resultierende Handel mit
Agrarprodukten ist einer der Grundbausteine für ein breitenwirksames Wachs-
tum armer Länder, denn die Wertschöpfungskette beginnt immer auch im land-
wirtschaftlichen Sektor einer Volkswirtschaft. Die deutsche Entwicklungszu-
sammenarbeit wurde aber gerade im Bereich der ländlichen Entwicklung in den
vergangenen zehn Jahren um 100 Mio. Euro gekürzt, obwohl 70 Prozent der
Armen in ländlichen Gebieten leben. Gerade in Subsahara Afrika ist die Wirt-
schaft besonders abhängig von klimabedingten Faktoren, was die Region be-
sonders anfällig für die Auswirkungen des Klimawandels macht. Schätzungen
gehen davon aus, dass die damit einhergehenden Erntesausfälle, fehlende
Wasserversorgung und Wüstenbildung die Lebensmittelproduktion bis zum Jahr
2020 um 50 Prozent sinken lässt. Die Länder südlich der Sahara müssen daher
wesentlich stärker als bisher in den internationalen Klima- und Ressourcen-
schutz eingebunden werden. Eine Schlüsselrolle muss dabei die Förderung von
erneuerbaren Energien spielen. Mit der Nahrungsmittelkrise in den Jahren 2007
und 2008 wurde zudem deutlich, dass nur eine effiziente, innovative und unter-
nehmerische Land- und Ernährungswirtschaft eine stetig wachsende Weltbevöl-
kerung von zukünftig mehr als neun Milliarden Menschen sicher, qualitativ
hochwertig und in ausreichendem Maße ernähren kann. Produktivität und Effi-
zienz dienen neben der Ernährungssicherung dem Klima-, Verbraucher- und
Umweltschutz. Regierungsverhandlungen müssen dazu genutzt werden, eigene
Investitionen in die ländliche Entwicklung, ausstehende Landreformen, die Stei-
gerung der Produktion sowie die Sicherung von Eigentumstiteln einzufordern.
Mit Blick auf die Erhöhung der Nahrungsmittelnachfrage muss der Bereich der
landwirtschaftlichen Entwicklung durch die deutsche Entwicklungszusammen-
arbeit aufgewertet werden.

6. Instrumente der Entwicklungszusammenarbeit überprüfen

Mit dem Bekenntnis der Bundesregierung zu der Paris-Deklaration aus dem Jahr
2005 wird das Instrument der Budgethilfe, bei dem die Geber Mittel direkt in die
Staatshaushalte der Empfängerländer einzahlen, zunehmend angewandt. Die
EU-Kommission hat ihrerseits bekräftigt, die Zielvorgabe der Paris-Deklaration
zu erfüllen und die programmorientierten Maßnahmen (Budgethilfe) bis 2010
auf 66 Prozent der geleisteten Hilfe zu erhöhen. Während die Prinzipien der
Deklaration, Eigenverantwortung der Partnerländer, Partnerausrichtung und
Harmonisierung der Geber sinnvoll sind, müssen die Instrumente zur Umset-
zung dieser Prinzipien dagegen dringend auf den Prüfstand.

Allem voran ist die gegenwärtige Praxis der Gewährung von Budgethilfe als
Kernelement der neuen Entwicklungsarchitektur kritisch zu bewerten. Mit dem
neuen, wenig erprobten Instrument der Budgethilfe wird das Ziel verfolgt, von
der Mikrosteuerung durch Einzelprojekte hin zu einer Makrosteuerung der Part-
nerregierungen durch Leistungsvereinbarungen und Wirkungskontrollen zu
gelangen. Der Erfolg der Budgethilfe setzt aber die Funktionsfähigkeit von
Regierung und Verwaltung sowie ausreichende Kapazitäten für die Umsetzung
der Programme in den Partnerländern voraus. Das schließt von vornherein eine
Vielzahl von Entwicklungsländern aus. Erschwerend hinzu kommt eine Fülle
von Risiken in Zusammenhang mit der fehlenden Kontrolle über die Mittelver-
gabe, da im Rahmen der Budgethilfe keine Einzelabrechnungen möglich sind.
Die Kontrolle über die Mittelvergabe kann nur noch über Monitoring-Prozesse
ablaufen, die bislang aber völlig unzureichend sind. Zudem können negative, in-
flationsfördernde Auswirkungen der Budgethilfe auf die Wirtschaft des Partner-
landes auftreten. Der Bericht des Bundesrechnungshofes zur Budgethilfe 2008
bestätigt diese Befürchtungen und sieht in der Schwerpunktverlagerung hin zur

Budgethilfe das parlamentarische Kontrollrecht gefährdet.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 7 – Drucksache 16/13703

Erste Evaluierungen haben zudem gezeigt, dass sich die mit der Budgethilfe ver-
bundenen hohen Erwartungen nicht erfüllt haben. Ausgeblieben ist der erhoffte
Rückgang des Gebereinflusses auf die Politik in den Empfängerländern. Viel-
mehr hat die Koordinierung der Geber durch Budgethilfe-Arbeitsgruppen zu
Verlagerung des Politikdialogs auf höchste politische Entscheidungsebene ge-
führt. So ist es in den untersuchten Ländern nicht gelungen, Parlamente und
Zivilgesellschaften in die Diskussion über die Armutsstrategien einzubeziehen.
Obwohl der Nachweis einer erhöhten Effizienz der EZ durch die Budgethilfe
noch nicht erreicht wurde, wird sie auf europäischer und multilateraler Ebene
quotenbedingt massiv ausgebaut. Budgethilfe sollte eines von mehreren Instru-
menten der Entwicklungszusammenarbeit sein, welches nur in Einzelfällen, bei
Vorliegen von strengen Bedingungen zu gewähren ist.

7. Entwicklungspolitik als globale Strukturpolitik begreifen

Die Bewältigung weltweiter Herausforderungen wie Klimawandel, Bürger-
kriege, internationaler Terrorismus, organisierte Kriminalität, Menschenrechts-
verletzungen, Migration, Flüchtlingsströme, die Auswirkungen der globalen
Wirtschafts- und Finanzkrise und der Anstieg der an Hunger leidenden Men-
schen erfordern eine Entwicklungszusammenarbeit im Sinne einer globalen
Strukturpolitik. Im Zuge der Globalisierung stehen wir einem zunehmenden
exekutiven Multilateralismus gegenüber, der durch einen legislativen und judi-
kativen Multilateralismus ergänzt werden muss. Dem sich ausweitenden Global
Governance-System muss ein Global Accountability-Mechanismus gegenüber-
gestellt werden. Dabei geht es darum, die Governance-Verantwortung an die re-
alen machtpolitischen Gegebenheiten anzupassen und Schwellen- und Entwick-
lungsländer ihren Platz einzuräumen. Die Mitwirkungsmöglichkeiten zivilge-
sellschaftlicher Akteure bei Entscheidungen internationaler Organisationen
müssen weiter ausgebaut und verbessert werden. Die Einrichtung zivilgesell-
schaftlicher Beiräte innerhalb des IWF, der Weltbank oder der WTO wären erste
wichtige Schritte. Besonders die Kommunikation zwischen Internationalen
Organisationen, Staaten, Nichtregierungsorganisationen und dem Privatsektor
muss unter dem Gesichtspunkt von „ownership“ und Akzeptanz nachhaltig ver-
bessert werden.

8. Strukturen deutscher Entwicklungszusammenarbeit reformieren

Deutschland hat in der Entwicklungspolitik ein komplexes, teilweise undurch-
schaubares Zuständigkeitsgefüge. Der OECD-DAC-Prüfbericht 2005 zur deut-
schen Entwicklungspolitik attestierte die Reformbedürftigkeit der deutschen
Entwicklungszusammenarbeit. Zu Recht wird die Zersplitterung der staatlichen
EZ auf verschiedene Ministerien und Durchführungsorganisationen kritisiert,
die zu Doppelstrukturen und unnötiger Bürokratie auf Geberseite führe und
damit die Kooperationsfähigkeit auf Empfängerseite überlaste. Diese Ansicht
vertritt auch der Bundesrechnungshof in seinem Bericht zur derzeitigen Durch-
führungsstruktur im Jahr 2007, die er als unwirtschaftlich kategorisiert und
Handlungsbedarf für eine Strukturreform der Durchführungsorganisationen an-
mahnt. Obwohl das BMZ die Wirkungsverluste deutscher Entwicklungszusam-
menarbeit infolge der Fragmentierung der Durchführungsorganisationen ein-
räumt, ist das Nebeneinander von technischer und finanzieller Zusammenarbeit
bis heute nicht gelöst.

Eine auf Wirksamkeit ausgerichtete deutsche Entwicklungszusammenarbeit er-
fordert sowohl Anpassungen in und zwischen den deutschen EZ-Organisatio-
nen, als auch ein kohärentes Vorgehen aller entwicklungspolitisch relevanten
Politikbereiche, vor allem der Außen-, Sicherheits-, Außenwirtschafts-, Finanz-,

Handels-, Agrar- und Umweltpolitik. Der Prozess der Interdependenzen zwi-
schen den Politikbereichen und die Diversifizierung der Entwicklungsmittel auf

Drucksache 16/13703 – 8 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

immer mehr Ministerien hat sich in den vergangenen Jahren beschleunigt. In-
zwischen setzen neben dem BMZ 14 weitere Ministerien ODA-anrechenbare
Entwicklungsvorhaben um. Dabei unterliegen diese Vorhaben den Vorgaben des
jeweiligen Ministeriums und unterscheiden sich in Zielrichtung, Maßnahmen
und Richtlinien teilweise erheblich. Der Versuch mit der Verabschiedung des
ressortübergreifenden MDG-Aktionsplans 2015 im Jahr 2001 Kohärenz her-
zustellen, der die Armutsbekämpfung zur Querschnittsaufgabe der gesamten
Bundesregierung erklärte und der die Zuständigkeit des BMZ für die gesamte
bilaterale und multilaterale Entwicklungszusammenarbeit sowie die Feder-
führung für die europäischen Entwicklung festlegte, ist gescheitert.

Aufgabe der nächsten Bundesregierungen wird es daher sein, eine einheitliche
Koordinierung der Maßnahmen der Ressorts im Zusammenhang mit der Globa-
lisierung und Entwicklung umzusetzen. Die Integration des BMZ in das für aus-
wärtige Angelegenheiten zuständige Auswärtige Amt ist ein erster Schritt der
Zersplitterung entgegenzuwirken und die Steuerungsfähigkeit der deutschen
Politik zu erhöhen.

9. Europäische Entwicklungszusammenarbeit komplementär, kohärent
und koordiniert gestalten

Die Europäische Union ist mit seinen 27 Mitgliedstaaten der weltweit größte
Geber staatlicher Entwicklungszusammenarbeit. Mit der Begründung entwick-
lungspolitische Ziele wirksamer durch eine stärker vergemeinschaftete Entwick-
lungspolitik durchsetzen zu können, findet seit Jahren eine schleichende Euro-
päisierung der nationalstaatlichen Entwicklungszusammenarbeit statt ohne eine
entsprechende vertragliche Erweiterung der Rechtsgrundlagen. Unter Missach-
tung des Subsidiaritätsgedankens verhält sich die Europäische Union weltweit
entwicklungspolitisch als zusätzlicher Geber neben den Mitgliedstaaten. Eine
künftige Herausforderung für die europäische Entwicklungspolitik ist daher die
klare Aufgabenverteilung zwischen den Mitgliedstaaten und der Europäischen
Union. Dies setzt die institutionelle und inhaltliche Transparenz der Aufgaben-
bereiche voraus. Die europäische Entwicklungszusammenarbeit braucht einen
präzisen und verbindlichen konzeptionellen Rahmen und muss auf eine bessere
Koordinierung und deutlichere Aufgabenverteilung zwischen den verschiede-
nen Ebene und Akteuren ausgerichtet werden. Die Entwicklungspolitik der EU
muss sich zum einen auf die Länder und Themen beschränken, die von den
nationalen entwicklungspolitischen Aktivitäten nicht abgedeckt werden, zum
anderen koordinierend dort tätig werden, wo mehrere Länder vor Ort sind. Eine
originäre Kompetenz steht der EU bei der Förderung des internationalen Han-
dels und grenzüberschreitender regionaler Initiativen und Organisationen zu. In
diesem Sinne gilt es auch, den Abschluss der Wirtschaftspartnerschaftsabkom-
men (WPA) voranzutreiben, da sie ein wichtiges Handelsinstrument für die
nachhaltige wirtschaftliche und soziale Entwicklung sowie für die Bekämpfung
der Armut in den AKP-Staaten darstellt. Die längst überfällige Integration des
Europäischen Entwicklungsfonds (EEF) in den EU-Haushalt und damit die
Gewährleistung einer derzeit fehlenden parlamentarischen Kontrolle, die Über-
windung der unterschiedlichen Behandlung von AKP-Staaten und Nicht-AKP-
Staaten, eine nicht an einer Quote, sondern an strenge Kriterien ausgerichtete
Budgethilfegewährung sowie eine ausgewogene Anwendung des EU-Verhal-
tenskodexes für Komplementarität und Arbeitsteilung sind Herausforderungen,
die umgehend in Angriff genommen werden müssen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

– eine Neustrukturierung der deutschen Entwicklungszusammenarbeit umge-

hend einzuleiten, mit dem vorrangigen Ziel, die Effektivität deutscher Ent-
wicklungshilfe deutlich zu steigern;

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 9 – Drucksache 16/13703

– die Schwerpunkte deutscher Entwicklungszusammenarbeit verstärkt auf die
Förderung von Wirtschaftsinvestitionen zu verlegen, da vor allem eine lang-
fristige Verbesserung der Wirtschaftslage zu einer nachhaltigen Armuts-
ursachenbekämpfung führt;

– die Entwicklungszusammenarbeit im Bereich der Schaffung rechtsstaatlicher
Strukturen zu stärken, damit u. a. Eigentums- und Landrechte leichter einge-
räumt und verwaltet werden können;

– eine neue Strategie der deutschen Entwicklungszusammenarbeit mit Afrika
zu entwickeln, die den Zeitplan zur Erreichung der MDGs neu bewertet und
die auf der Grundlage einer speziell an Afrika ausgerichteten Analyse der
Entwicklungszusammenarbeit zur Umsetzung der MDGs beruht;

– den Kleinhandel, Handwerk, Kleingewerbe und Dienstleistungen durch eine
vereinfachte Regulierung von Mikrofinanz- und Mikroversicherungspro-
grammen verstärkt zu fördern;

– sich bei den Regierungsverhandlungen über die Entwicklungszusammenar-
beit mit afrikanischen Staaten dafür einzusetzen, dass die Einnahmen aus den
Rohstoffexporten dem Entwicklungsland selber zugutekommen;

– sich dafür einsetzen, dass sowohl Banken und Finanzinstitutionen als auch
Schwellenländer und weitere Unternehmen in die Initiative „Extractive In-
dustries Transparency Initiative“ (EITI) zur Transparenz des Rohstoffhandels
mit einbezogen werden, da der Erfolg der Initiative entscheidend davon ab-
hängt, dass sich möglichst viele Akteure, insbesondere die politischen Eliten
Afrikas, daran beteiligen;

– die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Schwellenländern auf eine neue, die
Kriterien der eigenen Leistungsfähigkeit berücksichtigenden Grundlage zu
stellen und die dadurch frei werdenden Haushaltsmittel auf ärmsten Staaten
umzuschichten;

– die finanzielle Zusammenarbeit mit Schwellenländern schrittweise zu been-
den und die technische Zusammenarbeit mit den Schwellenländern auf sol-
che Projekte zu beschränken, die von den Empfängerländern getragen oder in
angemessenem Umfang mitfinanziert werden;

– in Verhandlungen mit Entwicklungs- und Schwellenländern auf die Bedeu-
tung von guter Regierungsführung hinzuweisen, also der Einhaltung von
Menschenrechten, und der Nichtdiskriminierung aufgrund von Geschlecht,
ethnischer Herkunft, Religion oder sexueller Orientierung, der Stärkung von
rechtsstaatlichen Strukturen und Bekämpfung von Korruption;

– die Entwicklungszusammenarbeit als Instrument zur Durchsetzung von guter
Regierungsführung stärker zu nutzen. Dabei ist auf die Umsetzung der Krite-
rien und ein regelmäßiges Monitoring durch die Geber zu achten;

– den Anteil der Mittel für die Nichtregierungsorganisationen, Kirchen und
politischen Stiftungen entsprechend auszuweiten;

– die bereits eingeleiteten Reformen einzelner entwicklungspolitischer UN-
Organe weiter voranzutreiben, auch mit dem Ziel eine Verkleinerung und
gleichzeitige Erhöhung der Wirksamkeit von Überwachungsorganen der
Fonds und Programme zu erreichen;

– sich auf europäischer Ebene dafür einzusetzen, dass die EU den WTO-
Grundsatz des „Single Undertaking“ einseitig, unkonditioniert und un-
verzüglich suspendiert. In der Folge sind innerhalb der gescheiterten WTO-
Verhandlungen bereits gefundene Kompromisse, wie z. B. der zoll- und
quotenfreie Marktzugang für die Produkte der 50 ärmsten Entwicklungslän-

Drucksache 16/13703 – 10 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

der zu den Märkten der Industrieländer ab 2008 oder das Auslaufen der EU-
Exportsubventionen für Agrargüter bis 2013 umzusetzen;

– im Rahmen der europäischen Institutionen eine Politik zu verfolgen, die auf
die vollständige Öffnung des europäischen Marktes für alle Anbieter abzielt.
Zur Realisierung eines diskriminierungsfreien Marktzugangs sind die Ein-
fuhrquoten in allen Bereichen schnellstmöglich abzuschaffen und bestehende
Einfuhrbeschränkungen von der Kommission auf ihre weitere Berechtigung
zeitnah zu prüfen;

– durch transparente Regeln für Investitionen verbunden mit einem besseren
Investorenschutz, Wettbewerb, ein geregeltes öffentliches Auftragswesen
und weniger Bürokratie in Zollverfahren den grenzübergreifender Handel
und Investitionsmöglichkeiten verbessern;

– sich auf europäischer Ebene insbesondere dafür einzusetzen, dass die EU
– wenn nötig, einseitig und unkonditioniert – auf die Erhebung von Einfuhr-
zöllen auf industrielle und landwirtschaftliche Produkte verzichtet;

– darauf hinzuwirken, dass auch die Länder Subsahara Afrikas Anschluss und
Berücksichtigung im Rahmen der internationalen Initiativen zur technologie-
orientierten Klimaschutzpolitik finden. Dies betrifft sowohl Technologien
zur Verringerung von Treibhausgasemissionen als auch Technologien, die im
Sinne einer passiven Klimapolitik der Anpassung an einen Klimawandel die-
nen;

– dass die Nutzung erneuerbarer Energien, insbesondere auch der Solarenergie,
explizit und nachdrücklicher als bisher in die Entwicklungszusammenarbeit
eingebunden wird und dass die energiewirtschaftspolitische Beratung im
Rahmen der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit mit den Ländern
Afrikas stärker als bisher akzentuiert wird und in diesem Sinne Partnerschaf-
ten mit geeigneten Ländern Afrikas zur Schaffung von „Modell-Ländern“ zu
begründen;

– an der Reform der europäischen Agrarpolitik mit dem Ziel mitzuwirken, dass
ab 2013 durch den weiteren Abbau von Subventionen, Mengen- oder Preis-
interventionen noch größere Spielräume für eine unternehmerische Land-
wirtschaft in der Europäischen Union geschaffen werden;

– die politischen Vorgaben für die Vergabe von Budgethilfen weiterzuent-
wickeln mit dem Ziel, die Vergabekriterien und die Leistungsindikatoren von
Budgethilfegewährungen transparenter zu gestalten;

– die Gewährung der Budgethilfe an strenge Kriterien der guter Regierungs-
führung zu knüpfen und sowohl auf europäischer wie auch auf nationaler
Ebene nicht als Instrument des schnellen Mittelabfluss mit dem Ziel der Er-
höhung der ODA-Quote zu missbrauchen;

– deutsche Entwicklungszusammenarbeit als globale Strukturpolitik zu begrei-
fen, und dem Global-Governance-System gleichrangig einen Globale-
Accountability-Mechanismus gegenüberzustellen;

– sowohl Entwicklungs- und Schwellenländern als auch die nichtstaatlichen
Akteure in der Entwicklungszusammenarbeit strukturell und institutionell
besser einzubinden;

– die vom OECD-DAC-Prüfbericht angemahnte Strukturreform zur Überwin-
dung der Fragmentierung der deutschen Entwicklungszusammenarbeit um-
zusetzen;

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 11 – Drucksache 16/13703

– das bestehende Kohärenzdefizit mit dem Ziel einer einheitlichen Koordinie-
rung entwicklungspolitischer Maßnahmen der verschiedenen Ressorts durch
die Integration des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit
und Entwicklung in das Auswärtige Amt zu lösen;

– die EU-Kommission zu veranlassen, die im EU-Vertrag festgelegten Grund-
sätze der Komplementarität, Kohärenz und Koordinierung der EU-Entwick-
lungszusammenarbeit zu beachten;

– die EU-Kommission zu veranlassen, den europäischen Einfluss im interna-
tionalen Bereich durch eine effektivere EU-Koordinierung zu verstärken;

– dafür zu sorgen, dass der EEF in den EU-Haushalt integriert wird, um Trans-
parenz und parlamentarische Kontrolle sicherzustellen;

– mit Blick auf die Umsetzung der Sektorbeschränkungen durch die EU-Mit-
gliedstaaten für eine entsprechend ausgewogene Anwendung des EU-Verhal-
tenskodexes für Komplementarität und Arbeitsteilung zu sorgen.

Berlin, den 1. Juli 2009

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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