BT-Drucksache 16/13517

Nichtanwendung von Urteilen des Bundesfinanzhofs

Vom 17. Juni 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/13517
16. Wahlperiode 17. 06. 2009

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Frank Schäffler, Jens Ackermann, Dr. Karl Addicks, Christian
Ahrendt, Uwe Barth, Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst, Ernst Burgbacher,
Patrick Döring, Mechthild Dyckmans, Jörg van Essen, Ulrike Flach, Otto Fricke,
Paul K. Friedhoff, Dr. Edmund Peter Geisen, Hans-Michael Goldmann, Miriam
Gruß, Joachim Günther (Plauen), Dr. Christel Happach-Kasan, Heinz-Peter
Haustein, Birgit Homburger, Dr. Werner Hoyer, Hellmut Königshaus, Dr. Heinrich
L. Kolb, Gudrun Kopp, Dr. h. c. Jürgen Koppelin, Heinz Lanfermann, Sibylle
Laurischk, Harald Leibrecht, Patrick Meinhardt, Jan Mücke, Burkhardt Müller-
Sönksen, Dirk Niebel, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr, Cornelia Pieper,
Gisela Piltz, Dr. Konrad Schily, Marina Schuster, Dr. Max Stadler, Dr. Rainer
Stinner, Carl-Ludwig Thiele, Florian Toncar, Dr. Daniel Volk, Christoph Waitz,
Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker Wissing, Hartfrid Wolff (Rems-Murr), Dr. Guido
Westerwelle und der Fraktion der FDP

Nichtanwendung von Urteilen des Bundesfinanzhofs

Die Finanzverwaltung hat auf unterschiedlichen Wegen die Möglichkeit, Urteile
des Bundesfinanzhofs nicht über den entschiedenen Fall hinaus anzuwenden. In
diesen Fällen profitiert nur der gegen die Finanzverwaltung erfolgreich klagende
Bürger. Die Zulässigkeit der Nichtanwendung von Urteilen ist verfassungsrecht-
lich umstritten. Die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft haben die Praxis
der Finanzverwaltung ausdrücklich kritisiert und Gegenmaßnahmen gefordert.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie viele Nichtanwendungserlasse sind in der laufenden Wahlperiode des
Bundestages erlassen worden?

2. Wie erklärt es sich die Bundesregierung, dass der Bundesfinanzhof in einem
Schreiben an den Finanzausschuss des Bundestages von 31 Nichtanwen-
dungserlassen in diesem Zeitraum ausgeht?

3. Wie viele Steuerpflichtige sind von der Nichtanwendung der Urteile nach
Schätzung der Bundesregierung jeweils betroffen, und welche Steuermehr-
einnahmen oder Steuermindereinnahmen ergeben sich nach Schätzung der

Bundesregierung hieraus (tabellarische Auflistung erbeten)?

4. Inwieweit hält die Bundesregierung Nichtanwendungserlasse für mit dem
Grundgesetz – insbesondere mit dem Gewaltenteilungsprinzip und mit der
Bindung der Verwaltung an Recht und Gesetz – vereinbar, und wie begrün-
det sie ihre Auffassung?

Drucksache 16/13517 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
5. Wie viele und welche Urteile des Bundesfinanzhofs, die in der laufenden
Wahlperiode des Bundestages ergingen, wurden nicht im Bundessteuerblatt
Teil II abgedruckt beziehungsweise nicht auf der Internetseite des Bundes-
ministeriums der Finanzen zur allgemeinen Anwendung freigegeben?

6. Was war jeweils der Grund für die Nichtveröffentlichung?

7. Welche Steuermehreinnahmen oder Steuermindereinnahmen ergeben sich
nach Schätzung der Bundesregierung aus der Nichtveröffentlichung je-
weils?

8. Wie lange dauert es durchschnittlich, bis ein Urteil im Bundessteuerblatt
oder auf der Internetseite des Bundesministeriums der Finanzen veröffent-
licht wird?

9. Inwieweit hält die Bundesregierung die Praxis der Nichtveröffentlichung
für mit dem Grundgesetz vereinbar, und wie begründet sie ihre Auffas-
sung?

10. In welchem Umfang hat die Finanzverwaltung höchstrichterliche Entschei-
dungen verfahrensrechtlich vermieden, indem beispielsweise nach einem
Gerichtsbescheid mündliche Verhandlung beantragt wird, sodann aber ein
abhelfender Steuerbescheid erlassen wird?

11. Inwieweit hält die Bundesregierung die Praxis der verfahrensrechtlichen
Vermeidung höchstrichterlicher Entscheidungen für mit dem Grundgesetz
vereinbar, und wie begründet sie ihre Auffassung?

12. Wie viele vom Bundesfinanzhof amtlich veröffentlichte bzw. zur Veröffent-
lichung vorgesehene Urteile ergingen während der laufenden Wahlperiode
des Bundestages zugunsten des Steuerpflichtigen und kamen somit für eine
Nichtanwendung zum Nachteil der Steuerpflichtigen in Betracht?

13. Welche Quote ergibt sich, wenn man diese Urteile mit den tatsächlich nicht
angewandten Urteilen in Relation setzt, und wie bewertet die Bundesregie-
rung diese Quote?

14. Teilt die Bundesregierung die Ansicht, dass etwa jede zehnte Grundsatzent-
scheidung des Bundesfinanzhofs, die zum Nachteil der Finanzverwaltung
ergeht, nicht über den Einzelfall hinaus angewendet wird?

15. Wie bewertet die Bundesregierung die Eingabe der Spitzenverbände der
deutschen Wirtschaft zur Nichtanwendung von Entscheidungen des Bun-
desfinanzhofs?

16. Wie beurteilt die Bundesregierung § 115 Absatz 2 der Finanzgerichts-
ordnung, wonach entweder das Finanzgericht oder – aufgrund einer Nicht-
zulassungsbeschwerde – der Bundesfinanzhof eine Rechtssache entschei-
det, weil sie entweder grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung
des Rechts eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert?

17. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass auch die Exekutive darüber
entscheiden sollte, ob die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des
Bundesfinanzhofs erfordert (vgl. Bundestagsdrucksache 15/4614; Vor-
bemerkung der Bundesregierung)?

Berlin, den 17. Juni 2009

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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