BT-Drucksache 16/13450

Die Nanotechnologien - Schlüssel zur Stärkung der technologischen Leistungskraft Deutschlands

Vom 17. Juni 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/13450
16. Wahlperiode 17. 06. 2009

Antrag
der Abgeordneten Cornelia Pieper, Angelika Brunkhorst, Jens Ackermann, Dr. Karl
Addicks, Christian Ahrendt, Daniel Bahr (Münster), Uwe Barth, Rainer Brüderle,
Ernst Burgbacher, Patrick Döring, Mechthild Dyckmans, Jörg van Essen, Ulrike
Flach, Otto Fricke, Paul K. Friedhoff, Dr. Edmund Peter Geisen, Hans-Michael
Goldmann, Miriam Gruß, Joachim Günther (Plauen), Dr. Christel Happach-Kasan,
Heinz-Peter Haustein, Birgit Homburger, Dr. Werner Hoyer, Michael Kauch, Hellmut
Königshaus, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp, Heinz Lanfermann, Sibylle
Laurischk, Harald Leibrecht, Patrick Meinhardt, Jan Mücke, Burkhardt Müller-
Sönksen, Dirk Niebel, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr, Frank Schäffler,
Dr. Max Stadler, Carl-Ludwig Thiele, Florian Toncar, Dr. Daniel Volk, Christoph
Waitz, Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker Wissing, Hartfrid Wolff (Rems-Murr),
Dr. Guido Westerwelle und der Fraktion der FDP

Die Nanotechnologien – Schlüssel zur Stärkung der technologischen
Leistungskraft Deutschlands

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Forschung, Entwicklung und Einsatz von Nanotechnologien haben in Deutsch-
land ein hohes Niveau erreicht. Auf dem Gebiet der Nanowissenschaften und
-technologien nimmt Deutschland weltweit den zweiten Platz nach den USA
ein und gehört damit zu den Vorreitern auf diesem Gebiet. In der Umsetzung der
Ergebnisse in marktfähige Produkte und Anwendungen liegt Deutschland aller-
dings hinter den USA und Japan zurück.

Es besteht durchaus die Gefahr, dass – wie bei vielen anderen Technologien, die
in Deutschland entwickelt worden sind – die herausragenden Forschungsergeb-
nisse aus der Grundlagenforschung und der anwendungsorientierten Forschung
bei uns nicht im erforderlichen Umfang in innovative Produkte einfließen und
damit die Wertschöpfung und die Schaffung von Arbeitsplätzen im Ausland er-
folgt.

Hierfür ist eine wirklich ressortübergreifende, konsistente Gesamtforschungs-,
Entwicklungs- und Markteinführungsstrategie für die Nanotechnologien not-

wendig. Die „Nano-Initiative – Aktionsplan 2010“, die die Bundesregierung im
Rahmen ihrer Hightech-Strategie auf den Weg gebracht hat, war dabei erst der
Anfang. Die Nanotechnologien sind keine Risikotechnologien.

Nanomaterialien versprechen in zunehmendem Maße dazu beizutragen, viele
Technologiefelder zu revolutionieren. In Aussicht steht, mit neuen Leittechno-
logien globale Märkte zu erschließen. So verstanden sind die Nanotechnologien
Querschnitttechnologien mit sehr verschiedenen Anwendungsbereichen, die

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von der Medizin, Chemie, Raumfahrt über die Optik bis hin zur Sensorik rei-
chen. Bereits in naher Zukunft wird es kaum noch einen Bereich geben, in dem
nicht Materialien in Nanogröße eine Rolle spielen.

Nanomaterialien könnten zu einer verbesserten und verträglichen Individualme-
dizin und somit zu einer verbesserten Diagnose und Therapie führen. Sie werden
Wirkstoffe von Medikamenten im menschlichen Körper zielgenau zum Ort der
Erkrankung transportieren und eine optimale Dauermedikation ermöglichen.

In der klinischen Forschung sind bereits Nanomaterialien mit magnetischen
Eigenschaften bekannt, die der gezielten nicht invasiven Tumorbekämpfung
dienen.

Nanomaterialien werden helfen, dass mit deutschen Höchsttechnologien das
Potenzial für zukunftssichere Arbeitsplätze, ein nachhaltiges ressourcenscho-
nendes Wachstum sowie eine bessere Gesundheitsvorsorge und -versorgung
ausgeschöpft wird.

Nanotechnologien bringen aber nicht nur ökonomische sondern auch ökolo-
gische Vorteile – das zeigt die dritte Studie „Nachhaltigkeitseffekte der Nano-
technologie“ des Instituts für ökologische Wirtschaftsforschung der Universität
Bremen. Die Ökobilanzen verschiedener Anwendungsbeispiele haben positive
Nachhaltigkeitseffekte durch den Einsatz der Nanotechnologien gezeigt. Be-
eindruckende Ergebnisse zeigen Lacke mit nanotechnologischen Komponenten,
deren Energie- und Schadstoffbilanz wesentlich besser als bei herkömmlichen
Verfahren ist. Ein weiteres Beispiel ist die lichtemittierende Diode (LED). Sie
ist schon heute energetisch günstiger als die herkömmliche Glühlampe, in den
Labors wird daran gearbeitet, ihre Lichtausbeute noch erheblich zu steigern.
Dann wird ihre Energiebilanz noch günstiger als bei Energiesparlampen sein.

Doch bei aller Technologiefreundlichkeit bedarf es einer begleitenden For-
schung, die der Früherkennung von möglichen Risiken dient. Die Nanofor-
schung muss dem Vorsorgeprinzip folgen. Es gilt demnach, potenzielle Auswir-
kungen ihrer Ergebnisse für Umwelt, Gesundheit und Sicherheit vorherzusehen
und notwendige Vorsorgemaßnahmen zu ergreifen.

Die EU-Kommission hat den Mitgliedstaaten einen Verhaltenskodex für die
Nanoforschung empfohlen. Er umfasst sieben allgemeine Grundsätze, die u. a.
Nachhaltigkeit, Vorsorge, Integration und Verantwortlichkeit betreffen. Es be-
stehen jedoch nach wie vor Wissenslücken bezüglich der Folgen dieser Techno-
logien für Umwelt und menschliche Gesundheit, außerdem Fragen im Bereich
der Ethik und der Achtung von Grundrechten.

Auch in neue Berufsbilder und in die Novellierung von Berufsausbildungs- und
Studienordnungen wird die Nanotechnologie ihren Einzug halten. Nur mit ent-
sprechender Fachkompetenz und einem gut ausgebildeten Berufsnachwuchs
sind die Vorsprünge Deutschlands in der Nanotechnologie zu halten.

Das schließt ein, dass zugleich die Lehreraus- und Lehrerweiterbildung auf diese
Entwicklung reagieren muss, um die junge Generation in die Lage zu versetzen,
wieder mehr nach den Chancen neuer Technologien zu fragen, ohne dabei den
kritischen Blick für die Risiken zu verstellen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. eine über alle heutigen Programme hinausgehende ressortübergreifende und
konsistente Nanotechnologiestrategie mit konkreten Förderschwerpunkten
vorzulegen;

2. die bestehenden Nano-Kompetenznetzwerke weiter auszubauen und ihnen

hierfür mehr Freiheit zur Selbstorganisation zu geben;

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3. die Bedingungen dafür zu schaffen, dass die Nanoforschung dem Vorsorge-
prinzip gerecht wird und potenzielle Auswirkungen ihrer Ergebnisse für Um-
welt, Gesundheit und Sicherheit von vornherein zu einem integralen Be-
standteil ihrer Forschungs- und Entwicklungsarbeit macht;

4. die Empfehlung der EU-Kommission an die Mitgliedstaaten zu unterstützen,
einen europäischen Verhaltenskodex für die Nanoforschung für alle Mit-
gliedstaaten verbindlich festzuschreiben, der allgemeine Grundsätze wie
Nachhaltigkeit, Vorsorge, Integration und Verantwortlichkeit betrifft;

5. für die Nanowissenschaften und Nanotechnologien keine Kontroll- und
Nachweispflichten einzufordern, die über das europarechtlich derzeit ge-
schuldete Ausmaß hinausgehen, um zu vermeiden, dass hierdurch Unterneh-
mensansiedlungen in Deutschland gegenüber anderen Standorten benachtei-
ligt werden;

6. gemeinsam mit den Wissenschaftsorganisationen und der Wirtschaft eine
Informationskampagne zu den Chancen und Potenzialen der Nanotechnolo-
gie durchzuführen;

7. den Aufbau einer Informationsplattform voranzutreiben, die mit Informa-
tionsangeboten der einzelnen Kompetenzzentren und anderen europäischen
Informationsportalen vernetzt werden soll;

8. bei der Entwicklung neuer Berufsbilder und der Novellierung von Berufs-
ausbildungsordnungen die Anforderungen der Nanowissenschaften und
-technologien zu berücksichtigen.

Berlin, den 12. Juni 2009

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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