BT-Drucksache 16/13101

a) zu Antrag der Abgeordneten Mechthild Dyckmans, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Jörg van Essen, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP -16/12733- Vorschlag für einen Rahmenbeschluss des Rates über die Europäische Überwachungsanordnung in Ermittlungsverfahren innerhalb der Europäischen Union (Ratsdok. 17002/08) b) zu dem Antrag der Abgeordneten Jerzy Montag, Volker Beck (Köln), Ekin Deligöz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN -16/12856(neu)- Europäische Überwachungsanordnung rechtsstaatlich absichern - Stellungnahme gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes

Vom 20. Mai 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/13101
16. Wahlperiode 20. 05. 2009

Beschlussempfehlung und Bericht
des Rechtsausschusses (6. Ausschuss)

a) zu dem Antrag der Abgeordneten Mechthild Dyckmans, Sabine Leutheusser-
Schnarrenberger, Jörg van Essen, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der FDP
– Drucksache 16/12733 –

Vorschlag für einen Rahmenbeschluss des Rates über die Europäische
Überwachungsanordnung in Ermittlungsverfahren innerhalb der Europäischen
Union (Ratsdok. 17002/08)

b) zu dem Antrag der Abgeordneten Jerzy Montag, Volker Beck (Köln), Ekin
Deligöz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 16/12856(neu) –

Europäische Überwachungsanordnung rechtsstaatlich absichern –
Stellungnahme gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes

A. Problem

Zu den Buchstaben a und b

Mit dem Vorschlag der Europäischen Kommission für einen Rahmenbeschluss
des Rates über die Europäische Überwachungsanordnung in Ermittlungsverfah-
ren innerhalb der Europäischen Union, KOM(2006) 468 endgültig, sollen Re-
geln festgelegt werden, nach denen ein Mitgliedstaat eine in einem anderen Mit-
gliedstaat als Alternative zur Untersuchungshaft erlassene Entscheidung über
Überwachungsmaßnahmen anerkennt, überwacht und die betreffende Person bei
Verstößen gegen diese Maßnahmen dem Anordnungsstaat übergibt.

Die Antragsteller zu den Buchstaben a und b heben hervor, gemäß Artikel 14 Ab-
satz 1 des Vorschlags führe die Einschlägigkeit einer der in dieser Vorschrift auf-
gelisteten 32 Deliktsgruppen zur Anerkennung der Entscheidung über Überwa-
chungsmaßnahmen im Vollstreckungsmitgliedstaat, ohne dass das Vorliegen der

beiderseitigen Strafbarkeit geprüft werde. Dem Vollstreckungsmitgliedstaat sei
es dadurch verwehrt, die Anerkennung und Vollstreckung der Überwachungs-
maßnahme selbst in den Fällen abzulehnen, in denen der den strafrechtlichen
Ermittlungen zugrunde liegende Sachverhalt nach seinem Recht nicht strafbar
wäre. Bei allen anderen Straftaten, die nicht zu den genannten Deliktsgruppen
gehörten, könne sich der Vollstreckungsmitgliedstaat hingegen gemäß Absatz 3
der Vorschrift auf den Grundsatz der beiderseitigen Strafbarkeit berufen.

Drucksache 16/13101 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

In Artikel 14 Absatz 1 des Rahmenbeschlussentwurfs befänden sich Delikts-
gruppen wie Terrorismus, Cyberkriminalität, Rassismus und Fremdenfeindlich-
keit, Sabotage, Erpressung und Schutzgelderpressung sowie Betrug. Angesichts
der nach wie vor beträchtlichen Unterschiede zwischen den Strafrechtsordnun-
gen der verschiedenen Mitgliedstaaten einerseits und der Unbestimmtheit eini-
ger dieser Deliktgruppen andererseits begegne eine Anerkennung ohne Prüfung
der beiderseitigen Strafbarkeit verfassungsrechtlichen Bedenken im Hinblick
auf den Bestimmtheitsgrundsatz.

Die Bundesrepublik Deutschland solle deshalb von der Regelung des Artikels 14
Absatz 4 des Vorschlags Gebrauch machen, wonach Mitgliedstaaten aus verfas-
sungsrechtlichen Gründen bei der Annahme des Rahmenbeschlusses in einer Er-
klärung mitteilen könnten, dass sie Artikel 14 Absatz 1 in Bezug auf einige oder
alle der dort genannten Straftaten nicht anwenden würden. Die Abgabe einer ent-
sprechenden Erklärung stehe in Einklang mit dem Verhalten der Bundesrepublik
Deutschland im Zusammenhang mit der Vollstreckung europäischer Beweisan-
ordnungen bei den genannten Deliktsgruppen. Deutschland habe sich bereits
nach Artikel 24 Absatz 4 des Rahmenbeschlusses 2008/978/JI des Rates vom
18. Dezember 2008 über die Europäische Beweisanordnung wegen verfassungs-
rechtlicher Bedenken im Hinblick auf die Einhaltung des Bestimmtheitsgrund-
satzes durch Erklärung das Recht vorbehalten, die Vollstreckung von der Über-
prüfung der beiderseitigen Strafbarkeit abhängig zu machen.

Die Antragsteller zu Buchstabe a stellen weiterhin die Regelung des Artikels 21
des Rahmenbeschlussentwurfs in den Mittelpunkt der Betrachtung. Verstoße der
Beschuldigte gegen die Überwachungsmaßnahme, habe der Vollstreckungs-
mitgliedstaat den Mitgliedstaat, der die Maßnahme angeordnet habe, gemäß
Artikel 19 Absatz 3 des Vorschlags unverzüglich zu informieren. Dieser könne
gegebenenfalls Haftbefehl erlassen. Gemäß Artikel 21 Absatz 1 des Vorschlags
müsse der Vollstreckungsmitgliedstaat diesen nach den Regeln anerkennen und
vollstrecken, die der Rahmenbeschluss 2002/584/JI des Rates vom 13. Juni 2002
über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den
Mitgliedstaaten vorsehe. Anders als im Rahmenbeschluss über den Europäi-
schen Haftbefehl vorgesehen, sei die Übergabe gemäß Artikel 21 Absatz 2 des
Vorschlags jedoch nicht davon abhängig, dass der dem Beschuldigten vorgewor-
fene Sachverhalt nach den Rechtsvorschriften des Ausstellungsmitgliedstaats
mit einer Freiheitsstrafe oder einer freiheitsentziehenden Maßregel der Siche-
rung im Höchstmaß von mindestens zwölf Monaten bedroht sei. Nach Artikel 21
Absatz 3 des Vorschlags könne aber jeder Mitgliedstaat erklären, die Übergabe
des Beschuldigten vom Erreichen dieser im Rahmenbeschluss über den Europäi-
schen Haftbefehl vorgesehenen Erheblichkeitsschwelle abhängig zu machen.

Nach den Antragstellern zu Buchstabe a solle der Deutsche Bundestag die Bun-
desregierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 Satz 1 des Grundgesetzes auffordern,

1. zur Wahrung des verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatzes – zumin-
dest bis das Ziel einer Präzisierung der Deliktsgruppen erreicht wurde – die
Erklärung nach Artikel 14 Absatz 4 sowie

2. die Erklärung nach Artikel 21 Absatz 3 des Vorschlags für einen Rahmenbe-
schluss des Rates über die Europäische Überwachungsanordnung in Ermitt-
lungsverfahren innerhalb der Europäischen Union

abzugeben.

Nach den Antragstellern zu Buchstabe b solle der Deutsche Bundestag die Bun-
desregierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 Satz 1 des Grundgesetzes auffordern,

1. bei der Annahme des oben bezeichneten Rahmenbeschlussentwurfes eine

Erklärung gemäß Artikel 14 Absatz 4 des Rahmenbeschlusses mindestens in
Bezug auf die Deliktsgruppen „Terrorismus“, „Cyberkriminalität“, „Rassis-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/13101

mus und Fremdenfeindlichkeit“, „Sabotage“, „Erpressung und Schutzgeld-
erpressung“ sowie „Betrug“ abzugeben und

2. zu prüfen, zu welchen weiteren Deliktsgruppen bei Annahme des Rahmenbe-
schlussentwurfes eine derartige Erklärung abzugeben ist, wobei Maßstab der
Prüfung die tatsächliche und rechtliche Vergleichbarkeit der Rechtsordnun-
gen in den übrigen EU-Mitgliedstaaten sein sollte.

B. Lösung

Zu Buchstabe a

Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD
und DIE LINKE. gegen die Stimmen der Fraktionen FDP und BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Zu Buchstabe b

Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU
und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen FDP und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion DIE LINKE.

C. Alternativen

Keine

D. Kosten

Wurden im Ausschuss nicht erörtert.

Drucksache 16/13101 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

a) den Antrag auf Drucksache 16/12733 abzulehnen,

b) den Antrag auf Drucksache 16/12856(neu) abzulehnen.

Berlin, den 13. Mai 2009

Der Rechtsausschuss

Andreas Schmidt (Mülheim)
Vorsitzender

Siegfried Kauder
(Villingen-Schwenningen)
Berichterstatter

Dr. Carl-Christian Dressel
Berichterstatter

Mechthild Dyckmans
Berichterstatterin

Sevim Dag ˘delen
Berichterstatterin

Jerzy Montag
Berichterstatter

beschlossen zu empfehlen, den Antrag abzulehnen.

Der Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Union hat die Vorlage in seiner 85. Sitzung am 13. Mai 2009
beraten und mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU
und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen FDP und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der
Fraktion DIE LINKE. beschlossen zu empfehlen, den Antrag
abzulehnen.

Zu Buchstabe b

Der Innenausschuss hat die Vorlage auf Drucksache
16/12856(neu) in seiner 95. Sitzung am 13. Mai 2009 bera-
ten und mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und

12733 in seiner 141. Sitzung am 13. Mai 2009 beraten und
mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD und DIE
LINKE. gegen die Stimmen der Fraktionen FDP und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN beschlossen zu empfehlen,
den Antrag abzulehnen.

Zu Buchstabe b

Der Rechtsausschuss hat die Vorlage auf Drucksache
16/12856(neu) in seiner 141. Sitzung am 13. Mai 2009
beraten und mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU
und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen FDP und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenhaltung der Frak-
tion DIE LINKE. beschlossen zu empfehlen, den Antrag
abzulehnen.

Berlin, den 13. Mai 2009

Siegfried Kauder
(Villingen-Schwenningen)
Berichterstatter

Dr. Carl-Christian Dressel
Berichterstatter

Mechthild Dyckmans
Berichterstatterin

Sevim Dag ˘delen
Berichterstatterin

Jerzy Montag
Berichterstatter
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/13101

Bericht der Abgeordneten Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen), Dr. Carl-
Christian Dressel, Mechthild Dyckmans, Sevim Dag˘delen und Jerzy Montag

I. Überweisung

Der Deutsche Bundestag hat die Vorlagen auf Drucksachen
16/12733 und 16/12856(neu) in seiner 219. Sitzung am
6. Mai 2009 beraten und an den Rechtsausschuss zur feder-
führenden Beratung sowie an den Innenausschuss und den
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
zur Mitberatung überwiesen.

II. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse

Zu Buchstabe a

Der Innenausschuss hat die Vorlage auf Drucksache
16/12733 in seiner 95. Sitzung am 13. Mai 2009 beraten und
mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD ge-
gen die Stimmen der Fraktionen FDP und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion DIE LINKE.

SPD gegen die Stimmen der Fraktionen FDP und BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion DIE
LINKE. beschlossen zu empfehlen, den Antrag abzulehnen.

Der Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Union hat die Vorlage in seiner 85. Sitzung am 13. Mai 2009
beraten und mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU
und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE.
und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der
Fraktion der FDP beschlossen zu empfehlen, den Antrag ab-
zulehnen.

III. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse
im federführenden Ausschuss

Zu Buchstabe a

Der Rechtsausschuss hat die Vorlage auf Drucksache 16/

x

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