BT-Drucksache 16/12996

Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Wettbewerbskonformität von Maßnahmen zur Stabilisierung des Finanzmarktes

Vom 13. Mai 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/12996
16. Wahlperiode 13. 05. 2009

Gesetzentwurf
der Abgeordneten Florian Toncar, Frank Schäffler, Jens Ackermann,
Dr. Karl Addicks, Christian Ahrendt, Uwe Barth, Rainer Brüderle,
Ernst Burgbacher, Patrick Döring, Mechthild Dyckmans, Jörg van Essen,
Ulrike Flach, Otto Fricke, Paul K. Friedhoff, Dr. Edmund Peter Geisen,
Hans-Michael Goldmann, Miriam Gruß, Joachim Günther (Plauen), Dr. Christel
Happach-Kasan, Heinz-Peter Haustein, Birgit Homburger, Hellmut Königshaus,
Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp, Dr. h. c. Jürgen Koppelin, Heinz Lanfermann,
Harald Leibrecht, Ina Lenke, Michael Link (Heilbronn), Horst Meierhofer, Patrick
Meinhardt, Jan Mücke, Burkhardt Müller-Sönksen, Dirk Niebel, Hans-Joachim Otto
(Frankfurt), Cornelia Pieper, Gisela Piltz, Marina Schuster, Dr. Hermann Otto Solms,
Dr. Max Stadler, Carl-Ludwig Thiele, Dr. Daniel Volk, Dr. Claudia Winterstein,
Dr. Volker Wissing, Hartfrid Wolff (Rems-Murr), Dr. Guido Westerwelle
und der Fraktion der FDP

Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Wettbewerbskonformität
von Maßnahmen zur Stabilisierung des Finanzmarktes

A. Problem

Die konsequente Anwendung des wettbewerblichen Ordnungsrahmens im Kon-
text der Finanzmarktstabilisierungsmaßnahmen ist die Grundlage für eine dau-
erhafte Sicherung und Stärkung des deutschen Finanzsystems. Die bislang über
§ 10 Absatz 2 Nummer 7 des Finanzmarktstabilisierungsgesetzes formulierte
Option zur Festlegung von Maßnahmen zur Vermeidung respektive Minimie-
rung von Wettbewerbsverzerrungen hat sich als unzureichend erwiesen. Hierfür
sprechen teilweise langwierige und rechtsunsichere Beihilfeprüfungen durch die
Europäische Kommission. Zudem wurde von Vertretern des privaten, genossen-
schaftlichen und öffentlich-rechtlichen Finanzsektors wiederholt auf bestehende
Wettbewerbsverzerrungen hingewiesen. Zukünftig müssen daher institutionelle
Voraussetzungen geschaffen werden, die einen stärkeren Bezug kurzfristiger
Stabilisierungsmaßnahmen zur langfristigen Wettbewerbsentwicklung im Fi-
nanzsektor einfordern.

B. Lösung

Die Entscheidungsgrundsätze über vom Finanzmarktstabilisierungsfonds ge-
mäß den §§ 6 bis 8 des Finanzmarktstabilisierungsgesetzes vorzunehmenden
Stabilisierungsmaßnahmen werden sachdienlich um einen Wettbewerbsbezug
erweitert. Zukünftig ist auch der jeweilige Grad der Verfälschungen des Wettbe-
werbs zu berücksichtigen, wodurch dem europarechtlich gebotenen Beihilfe-
grundsatz stärker Rechnung getragen wird.

Drucksache 16/12996 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Als Kompetenzträger für das europäische und nationale Wettbewerbsrecht wird
das Bundeskartellamt zukünftig beratend in den Lenkungsausschuss eingebun-
den und so der Deutschen Bundesbank gleichgestellt. Dadurch wird sicherge-
stellt, dass bereits bei der Gewährung von Stabilisierungsmaßnahmen gegebe-
nenfalls notwendige Auflagen zur Vermeidung respektive Minimierung von
Wettbewerbsverzerrungen durch den Fonds berücksichtigt werden. Dies trägt
zur zeitnahen Erlangung einer beihilferechtlichen Freigabe und damit zur Ver-
meidung von destabilisierender Rechtsunsicherheit bei.

Die Monopolkommission wird beauftragt, die langfristigen Auswirkungen
kurzfristiger Stabilisierungsmaßnahmen auf die Wettbewerbsintensität kontinu-
ierlich zu begutachten. Hierdurch wird die Entscheidungs- und Überwachungs-
kompetenz des exekutiv zuständigen Lenkungsausschusses und des Parlamenta-
rischen Kontrollgremiums nachhaltig gestärkt.

C. Alternativen

Keine

D. Kosten

Die Maßnahmen verursachen keine zusätzlichen Kosten für Wirtschaft und Ver-
waltung. Auswirkungen auf Einzelpreise und das Preisniveau, insbesondere das
Verbraucherpreisniveau, sind nicht zu erwarten.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/12996

Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Wettbewerbskonformität
von Maßnahmen zur Stabilisierung des Finanzmarktes

Vom …

Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das
folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1

Änderung des Gesetzes zur Errichtung eines
Finanzmarktstabilisierungsfonds

Das Gesetz zur Errichtung eines Finanzmarktstabili-
sierungsfonds vom 17. Oktober 2008 (BGBl. I S. 1982), zu-
letzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 7. April
2009 (BGBl. I S. 725), wird wie folgt geändert:

1. § 4 wird wie folgt geändert:

a) In Absatz 1 Satz 1 werden nach den Wörtern „die
Finanzmarktstabilität,“ die Wörter „der Verfälschun-
gen des Wettbewerbs,“ eingefügt.

b) Absatz 3 Satz 2 wird wie folgt gefasst:

„Dem Lenkungsausschuss gehören als weitere Mit-
glieder jeweils ein Vertreter der Deutschen Bundes-
bank und des Bundeskartellamts beratend an.“

2. Nach § 11 wird folgender § 11a eingefügt:

㤠11a
Monopolkommission

(1) Die Monopolkommission wird gemäß § 44 Absatz 1
des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen beauf-
tragt, jährlich ein Gutachten über Auswirkungen von Sta-
bilisierungsmaßnahmen des Fonds nach den §§ 6 bis 8
dieses Gesetzes auf den Wettbewerb zu erstellen. Die

§§ 44 bis 47 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschrän-
kungen finden Anwendung.

(2) Die Monopolkommission kann Einsicht in die von
der Finanzmartktstabilisierungsanstalt geführten Akten
einschließlich Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen und
personenbezogenen Daten nehmen, soweit dies zur ord-
nungsgemäßen Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich
ist.“

Artikel 2

Änderung des Gesetzes zur Beschleunigung und
Vereinfachung des Erwerbs von Anteilen an sowie

Risikopositionen von Unternehmen des Finanz-
sektors durch den Fonds „Finanzmarktstabilisie-

rungsfonds – FMS“

§ 17 des Gesetzes zur Beschleunigung und Vereinfachung
des Erwerbs von Anteilen an sowie Risikopositionen von
Unternehmen des Finanzsektors durch den Fonds „Finanz-
marktstabilisierungsfonds – FMS“ vom 17. Oktober 2008
(BGBl. I S. 1982, 1986), zuletzt geändert durch Artikel 1 des
Gesetzes vom 7. April 2009 (BGBl. I S. 725), wird aufge-
hoben.

Artikel 3

Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft.

Berlin, den 13. Mai 2009

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

Drucksache 16/12996 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Begründung

A. Allgemeines

Die soziale Marktwirtschaft in Deutschland und die wirt-
schaftspolitische Ordnung in Europa entwickelten sich aus
einer grundlegenden Gewissheit in die positiven Effekte
eines auf Handlungsfreiheiten beruhenden und gegen struk-
turelle Bedrohungen gesicherten Marktgeschehens. Der
Wettbewerb als Entdeckungsverfahren ist demnach als sol-
cher zu schützen. Als dynamischer Prozess des Aufbaus und
der Eliminierung von Marktmacht (temporäre Vorsprungs-
gewinne) ist Wettbewerb das wirkungsvollste Entmach-
tungsinstrument und dient damit dem Schutzbedürfnis Ein-
zelner vor der wirtschaftlichen Macht anderer. Dieser fördert
zugleich den Verbraucherschutz dadurch, dass er die Interes-
sen der Verbraucher an der Sicherung einer günstigen Ver-
sorgung mit den von ihnen begehrten Produkten gewährleis-
tet.

Wettbewerb fordert zugleich abstrakte offene Regeln ge-
rechten Verhaltens, unabhängig von überindividuellen Zwe-
cken. Das europäische und deutsche Wettbewerbsrecht
bildet deshalb unseren marktwirtschaftlichen Ordnungsrah-
men. Er schützt den Wettbewerb vor wettbewerbswidrigem
Verhalten Einzelner. Der Missbrauch einer marktbeherr-
schenden Stellung und die Ausnutzung einer Monopol- oder
Kartellsituation sind rechtswidrig und werden durch die ent-
sprechenden Wettbewerbsbehörden geahndet. Im Rahmen
der Zusammenschlusskontrolle soll die Entstehung oder Ver-
schärfung marktschädigender Strukturen verhindert werden.
Allzu exzessive Begünstigungen einzelner Unternehmen
oder Produktionszweige durch staatliche Interventionen zu
Lasten anderer Marktteilnehmer werden durch das europäi-
sche Beihilferecht unterbunden.

Die konsequente Anwendung des wettbewerblichen Ord-
nungsrahmens im Kontext der Finanzmarktstabilisierungs-
maßnahmen ist die Grundlage für eine dauerhafte Sicherung
und Stärkung des deutschen Finanzsystems. Die Verfesti-
gung gegenwärtiger Strukturen zu Lasten des Wettbewerbs
kann zu Fehlallokation und der Herausbildung neuer
Problemfelder führen. Verzerrungen des internationalen
Wettbewerbs zwischen gestützten und solide wirtschaften-
den Instituten können letztlich nicht ausgeschlossen werden.
Daher ist eine Eingrenzung der operativen Stabilisierungs-
maßnahmen mit dem Ziel der Begrenzung der Wettbewerbs-
schädigung unerlässlich.

Die Maßnahmen zur Finanzmarktstabilisierung sind daher
grundsätzlich notifizierungspflichtig gegenüber der Europäi-
schen Kommission. Beeinträchtigen staatliche Beihilfen des
Finanzmarktstabilisierungsfonds die Funktionsweise des
Binnenmarktes, können nach dem Vertrag zur Gründung der
Europäischen Gemeinschaft (EGV) kompensatorische Maß-
nahmen zur Vermeidung oder Minimierung von Wettbe-
werbsverzerrungen eingefordert werden. Die konsequente
Anwendung dieses wettbewerblichen Ordnungsrahmens
sichert die Herausbildung langfristig stabiler und ertrags-
kräftiger Finanzmarktstrukturen. Gleichwohl zeigen bisheri-
ge Erfahrungen zur beihilferechtlichen Prüfung durch den
Fonds gewährter Stabilisierungsmaßnahmen, dass langwie-

rige Prüfprozesse mit unsicheren Genehmigungsauflagen
den Stabilisierungszielen entgegenstehen können.

Der bislang über § 10 Absatz 2 Nummer 7 des Finanzmarkt-
stabilisierungsfondsgesetzes formulierte Ermächtigungs-
grundsatz zur Festlegung von Maßnahmen zur Vermeidung
von Wettbewerbsverzerrungen hat sich vor diesem Hinter-
grund als unzureichend erwiesen. Zukünftig müssen daher
institutionelle Voraussetzungen geschaffen werden, die
einen stärkeren Bezug kurzfristiger Stabilisierungsmaßnah-
men zur langfristigen Wettbewerbsentwicklung im Finanz-
sektor einfordern.

B. Einzelbegründung

Zu Artikel 1 (Änderung des Gesetzes zur Errichtung
eines Finanzmarktstabilisierungsfonds)

Zu Nummer 1

Die Entscheidungsgrundsätze über vorzunehmende Stabili-
sierungsmaßnahmen werden sachdienlich um einen Wett-
bewerbsbezug erweitert. Dieser tritt gleichrangig zur Bedeu-
tung des jeweils von der Stabilisierungsmaßnahme erfassten
Unternehmens des Finanzsektors für die Finanzmarktstabili-
tät, der Dringlichkeit und des Grundsatzes des möglichst
effektiven und wirtschaftlichen Einsatzes der Mittel des
Fonds. Zukünftig ist auch der jeweilige Grad der Verfäl-
schungen des Wettbewerbs zu berücksichtigen, wodurch
dem europarechtlich gebotenen Beihilfegrundsatz stärker
Rechnung getragen wird. Hiernach ist bereits im Rahmen der
Maßnahmengewährung zu prüfen, ob und gegebenenfalls in
welchem Umfang die aus staatlichen Mitteln gewährten
Beihilfen gleich welcher Art den Wettbewerb verfälschen
oder zu verfälschen drohen. Entsprechend ist die gemäß § 10
Absatz 2 Nummer 7 des Gesetzes formulierte Option zur
Festlegung von Maßnahmen zur Vermeidung respektive
Minimierung von Wettbewerbsverzerrungen konsequenter
anzuwenden. Bereits zum Zeitpunkt der Stützung müssen
gegebenenfalls zum Schutz des Wettbewerbs notwendige
kompensatorische Maßnahmen auferlegbar sein. Ein bloßes
Werbeverbot reicht nicht aus. Dies trägt zur zeitnahen Erlan-
gung einer beihilferechtlichen Freigabe und damit zur Ver-
meidung von destabilisierender Rechtsunsicherheit bei.

Als Kompetenzträger für das europäische und nationale
Wettbewerbsrecht wird das Bundeskartellamt zukünftig be-
ratend in den Lenkungsausschuss eingebunden und so der
Deutschen Bundesbank gleichgestellt. Dadurch wird sicher-
gestellt, dass bereits bei der Gewährung von Stabilisierungs-
maßnahmen gegebenenfalls notwendige Auflagen zur Ver-
meidung respektive Minimierung von Wettbewerbsverzer-
rungen durch den Fonds berücksichtigt werden. Dies trägt
zur zeitnahen Erlangung einer beihilferechtlichen Freigabe
und damit zur Vermeidung von destabilisierender Rechtsun-
sicherheit bei.

Bislang hat sich zudem gezeigt, dass der Lenkungsausschuss
über unzureichende Kompetenzen und Ressourcen zur Beur-
teilung wettbewerbsrechtlich notwendiger Maßnahmen zur

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/12996

Vermeidung respektive Minimierung von Wettbewerbsver-
zerrungen verfügt. Die Einbindung des Bundeskartellamts
trägt somit maßgeblich zur Verbesserung der Entscheidungs-
qualität des zuständigen Organs bei.

Zu Nummer 2

Als unabhängiges Beratungsgremium leistet die Monopol-
kommission seit Jahren einen essentiellen Beitrag zur Beur-
teilung der Wettbewerbsentwicklung in der Bundesrepublik
Deutschland. Grundlage hierfür ist insbesondere das alle
zwei Jahre zu erstellende Hauptgutachten, in dem der Stand
und die absehbare Entwicklung der Unternehmenskonzent-
ration beurteilt, die Anwendung der Vorschriften über die
Zusammenschlusskontrolle gewürdigt sowie zu sonstigen
aktuellen wettbewerbspolitischen Fragen Stellung genom-
men wird.

Zudem kann die Bundesregierung die Monopolkommission
nach § 44 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen
mit der Erstattung zusätzlicher Gutachten beauftragen. Mit
der vorliegenden gesetzlichen Festlegung wird diese Option
aufgegriffen und bis zur Abwicklung des Finanzmarktstabi-
lisierungsfonds ein jährliches Gutachten eingefordert. Die
bewährten Verfahren, Kompetenzen und Zuständigkeiten für
die Erstellung wettbewerbspolitischer Gutachten finden ent-
sprechend Anwendung. Zudem erhält die zur Verschwiegen-
heit verpflichtete Monopolkommission ein sachdienliches
Akteneinsichtsrecht bei der Finanzmarktstabilisierungsan-
stalt. Dadurch wird eine vollständige und qualitativ hoch-
wertige Aufgabenerfüllung gewährleistet. Das jährliche
Sondergutachten zur Beurteilung der Auswirkungen von
Stabilisierungsmaßnahmen des Fonds nach den §§ 6 bis 8
dieses Gesetzes auf den Wettbewerb ermöglicht gegebenen-
falls notwendige Korrekturmaßnahmen.

Zu Artikel 2 (Änderung des Gesetzes zur Beschleu-
nigung und Vereinfachung des Erwerbs
von Anteilen an sowie Risikopositionen
von Unternehmen des Finanzsektors
durch den Fonds „Finanzmarktstabili-
sierungsfonds – FMS“)

Es ist gesetzlich sicherzustellen, dass die Bestimmungen des
Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen nicht durch
Nutzung des Finanzmarktstabilisierungsfonds unterlaufen
werden können. Die Ausnahmeregelung wird daher sach-
dienlich aufgehoben.

Zu Artikel 3 (Inkrafttreten)

Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten des Gesetzes.

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