BT-Drucksache 16/12887

Wachstumsprogramm zur Überwindung der Rezession

Vom 6. Mai 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/12887
16. Wahlperiode 06. 05. 2009

Antrag
der Abgeordneten Dr. Hermann Otto Solms, Carl-Ludwig Thiele, Jens Ackermann,
Dr. Karl Addicks, Christian Ahrendt, Daniel Bahr (Münster), Uwe Barth, Rainer
Brüderle, Ernst Burgbacher, Patrick Döring, Mechthild Dyckmans, Ulrike Flach,
Otto Fricke, Paul K. Friedhoff, Hans-Michael Goldmann, Miriam Gruß, Joachim
Günther (Plauen), Dr. Christel Happach-Kasan, Heinz-Peter Haustein, Elke Hoff,
Birgit Homburger, Dr. Werner Hoyer, Michael Kauch, Hellmut Königshaus,
Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp, Dr. h. c. Jürgen Koppelin, Heinz Lanfermann,
Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht, Ina Lenke, Horst Meierhofer, Patrick
Meinhardt, Jan Mücke, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr, Cornelia Pieper,
Gisela Piltz, Marina Schuster, Dr. Max Stadler, Florian Toncar, Dr. Daniel Volk,
Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker Wissing, Hartfrid Wolff (Rems-Murr), Dr. Guido
Westerwelle und der Fraktion der FDP

Wachstumsprogramm zur Überwindung der Rezession

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Der Deutsche Bundestag fordert strukturelle Maßnahmen, die schnell in Kraft
treten und ohne Neuverschuldung eine dauerhafte Entlastungswirkung haben,
um den konjunkturellen Abschwung aufzuhalten. Zentrales Ziel ist die Siche-
rung und die Schaffung von Arbeitsplätzen. Erst wenn Bürger und Unternehmen
davon überzeugt sind, dass sie nicht nur befristet entlastet werden, sondern mit
dauerhaft steigendem verfügbarem Einkommen rechnen können, kehrt ihr Ver-
trauen in die wirtschaftliche Entwicklung und damit ihre Bereitschaft zu Kon-
sum und Investitionen zurück.

Um die Binnenkonjunktur zu stärken, sollte der Staat geplante Investitionen vor-
ziehen. Er muss dafür sorgen, dass Investitionshemmnisse wo immer möglich
beseitigt und private Investitionen erleichtert werden. Das ist wichtig, um bei ge-
steigertem Investitionsvolumen die Staatsquote möglichst niedrig zu halten, da-
mit sich ein konjunktureller Aufschwung durch die Kraft des Privatsektors und
die Freisetzung der Marktkräfte entfalten kann.

Der Deutsche Bundestag gibt das Ziel der Haushaltskonsolidierung nicht auf,
sondern fordert eine wirksame Schuldenbremse im Grundgesetz und einen ver-
bindlichen Schuldentilgungsplan, um die Belastung kommender Generationen
nicht noch weiter ansteigen zu lassen. Viele der jetzt notwendigen Maßnahmen

erhöhen zunächst den Finanzbedarf des Staates und damit die Neuverschuldung.
Bei Wiederanspringen der Konjunktur hat ein ausgeglichener Haushalt oberste
Priorität. Jetzt rächt sich, dass in den letzten Jahren mit guter Konjunktur die
Verschuldung nicht abgebaut, sondern weiter erhöht worden ist.

Drucksache 16/12887 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

II. Der Deutsche Bundestag wolle beschließen:

1. Der Deutsche Bundestag hält eine grundlegende Steuerreform mit niedrige-
ren, einfacheren und gerechteren Steuern für unumgänglich.

2. Die schlimmsten Auswirkungen der Unternehmensteuerreform werden we-
gen der den Abschwung beschleunigenden prozyklischen Wirkung und zur
Entlastung insbesondere der mittelständischen Wirtschaft (Korrektur der
Zinsschranke, der Neuregelung der Verlustverrechnung auch beim Mantel-
kauf, der Besteuerung von Funktionsverlagerungen, der Hinzurechnungen
bei der Gewerbesteuer) zurückgenommen.

3. Die Aufwendungen für Forschung und Entwicklung werden besser steuer-
lich berücksichtigt.

4. Die Befristung der degressiven Abschreibung wird dauerhaft, die für ge-
ringwertige Wirtschaftsgüter in der ursprünglichen Form wieder eingeführt.

5. Bei der Umsatzsteuererhebung wird zur Verbesserung der Liquidität gerade
kleinerer Unternehmen und Handwerksbetriebe auf die Istversteuerung um-
gestellt.

6. Die Bankenkrise ist nach wie vor nicht bewältigt, das Vertrauen der Banken
untereinander fehlt immer noch. Die Bundesregierung wird aufgefordert,
weitere Maßnahmen einzuleiten, die den Geldkreislauf wiederbeleben mit
dem Ziel, die Kreditversorgung der Wirtschaft zu sichern.

7. Bei den deutschen Flughäfen stehen 20 Mrd. Euro für Modernisierungs- und
Erweiterungsinvestitionen bereit. Um diese Summe zügig auftragswirksam
werden zu lassen, wird das Flughafenkonzept unverzüglich verabschiedet
und mit einer deutlichen Straffung der Planfeststellungsverfahren verbun-
den.

8. Die Bundesregierung wird aufgefordert, die nationalen Interessen für einen
modernen und umweltfreundlichen konventionellen Kraftwerkspark und
den Ausbau erneuerbarer Energien energisch und erfolgreich zu vertreten.
Die deutsche Klima- und Energiepolitik muss zum Ziel haben, dass die
deutsche Energiewirtschaft die Investitionen in Höhe von 40 Mrd. Euro in
einen modernen und klimafreundlichen Kraftwerkspark in Deutschland in-
vestiert und nicht im Ausland. Konjunkturfeindliche politische Hinhalte-
manöver auf Landesebene, wie beim Kraftwerk Hamburg-Moorburg (In-
vestitionsvolumen rund 2 Mrd. Euro) müssen unterbunden werden.

9. Die von den Energieversorgern ebenfalls beabsichtigte Modernisierung und
Ertüchtigung der Stromnetze mit einem Investitionsvolumen von bis zu
40 Mrd. Euro wird gezielt durch verkürzte Planfeststellungsverfahren im
Energiewirtschaftsgesetz ermöglicht.

10. Um Infrastrukturinvestitionen zur Standortverbesserung aus dem laufenden
Bedarfsplan (Neubauvolumen 57 Mrd. Euro), insbesondere für vernetzende
Projekte der Verkehrsträger Schiene, Straße, Wasserstrassen und Häfen
(z. B. Hafenanbindung) vorziehen zu können, reichen die Vorschriften des
2006 verabschiedeten Planungsbeschleunigungsgesetzes nicht aus. Die Ver-
fahren müssen weiter deutlich gestrafft werden. Auch für Investitionen der
Privatwirtschaft und für kommunale Investitionsprogramme müssen die
Planungsverfahren drastisch verkürzt werden.

11. Für alle öffentlichen Investitionen in Infrastruktur und Bildung werden pri-
vate Unternehmen verstärkt bei Planung, Durchführung und Betrieb der
Projekte einbezogen. Die PPP-Projekte (PPP: Public Private Partnership) im
Bereich der Verkehrsinfrastruktur werden nach dem Vorbild des dreispuri-

gen Ausbaus der Autobahn 1 zwischen Bremen und Hamburg zügig um-
gesetzt.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/12887

12. Zu einer leistungsfähigen und den Standort stärkenden Infrastruktur gehört
der ungehinderte Zugang zur Breitbandkommunikation. Viele Regionen in
ländlichen Gebieten sind von dieser Entwicklung immer noch abgeschnit-
ten. Der Staat muss wie in anderen Infrastrukturbereichen auch die für den
flächendeckenden Breitbandausbau erforderlichen Daten erheben und für
Investoren bereitstellen.

13. Die Ziele der Bundesregierung zum Bürokratieabbau müssen auf Bundes-
ebene und auf der europäischen Ebene ehrgeiziger gefasst und korrigiert
werden. Ein Drittel der Vorschriften und der Berichts- und Meldepflichten
ist überflüssig und zu streichen. Das Entlastungspotenzial beträgt auf Bun-
desebene 7,5 Mrd. Euro und für den Abbau von EU-Bürokratie weitere
8,3 Mrd. Euro.

14. Um auch in unsicheren Zeiten Neueinstellungen zu erleichtern und zugleich
positive konjunkturelle Entwicklungen rascher am Arbeitsmarkt ankommen
zu lassen, ist es notwendig, das Arbeitsrecht zu flexibilisieren und beschäf-
tigungs- und mittelstandsfreundlicher auszugestalten.

15. Das europäische und das nationale Vergaberecht müssen weiter flexibilisiert
und entbürokratisiert werden. Zeitlich befristet werden die Möglichkeiten
der freihändigen Vergabe ausgeweitet und dadurch die Ausschreibungsfris-
ten weiter verkürzt. Die Grenzen, ab der öffentliche Aufträge europaweit
ausgeschrieben werden müssen, werden angehoben.

16. Die Zahlungsziele der öffentlichen Hand als größter Auftraggeber für die
private Wirtschaft werden radikal verkürzt. Dadurch fließt ein zweistelliger
Milliardenbetrag früher in die Wirtschaft. Das verbessert die ohnehin ange-
spannte Liquiditätslage der mittelständischen Unternehmen.

Berlin, den 6. Mai 2009

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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