BT-Drucksache 16/127

Lage der Kommunen dokumentieren und verbessern

Vom 1. Dezember 2005


Deutscher Bundestag Drucksache 16/127
16. Wahlperiode 01. 12. 2005

Antrag
der Abgeordneten Gisela Piltz, Dr. Max Josef Stadler, Ina Lenke, Ulrike Flach,
Dr. Christel Happach-Kasan, Horst Meierhofer, Patrick Meinhardt, Frank Schäffler,
Christoph Waitz, Heinz Lanfermann, Hans-Michael Goldmann, Gudrun Kopp,
Dr. Volker Wissing, Otto Fricke, Ernst Burgbacher, Jens Ackermann, Christian
Ahrendt, Uwe Barth, Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst, Patrick Döring,
Mechthild Dyckmans, Jörg van Essen, Paul K. Friedhoff, Horst Friedrich
(Bayreuth), Dr. Edmund Peter Geisen, Miriam Gruß, Joachim Günther (Plauen),
Heinz-Peter Haustein, Birgit Homburger, Dr. Werner Hoyer, Michael Kauch,
Dr. Heinrich L. Kolb, Jürgen Koppelin, Sibylle Laurischk, Sabine Leutheusser-
Schnarrenberger, Jan Mücke, Dirk Niebel, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Detlef
Parr, Jörg Rohde, Marina Schuster, Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Rainer Stinner,
Carl-Ludwig Thiele, Florian Toncar, Dr. Claudia Winterstein, Hartfrid Wolff (Rems-
Murr), Martin Zeil, Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der FDP

Lage der Kommunen dokumentieren und verbessern

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Lage der Kommunen hat sich in den letzten Jahren extrem zugespitzt. Das
gilt vor allem für die finanzielle Situation. Durch die ständig steigende Zahl
übertragener Aufgaben von Bund und Ländern auf die Kommunen werden die-
sen zunehmend Leistungen ohne einen entsprechenden finanziellen Ausgleich
abverlangt. Trotz teilweise höherer Gewerbesteuereinnahmen bleibt bei den
Kommunen ein erhebliches Defizit. Die kommunalen Kassenkredite sind laut
dem Statistischen Bundesamt im ersten Halbjahr 2005 auf über 23,3 Mrd. Euro
angewachsen. Vielen Kommunen bleibt nur die Möglichkeit des Schuldenma-
chens.

Diese Entwicklung hinterlässt deutliche Spuren. Das gilt für die Kommunen
selbst, betroffen sind aber auch die Bürgerinnen und Bürger sowie Unterneh-
men. Die Kommunen leben zunehmend von der Substanz. Notwendige Neu-
investitionen unterbleiben und dringende Instandhaltungsaufgaben können
nicht erledigt werden. Weitere Folgen sind die Schließung kommunaler Büche-
reien, Schwimmbäder, Museen und Theater und vieler sonstiger Einrichtungen.
Das bedeutet zugleich eine Gefahr für die kommunale Selbstverwaltung, wie sie
in Artikel 28 Abs. 2 des Grundgesetzes (GG) garantiert ist.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

bis zum 30. April 2006 einen Bericht zur Lage der Kommunen vorzulegen.

Drucksache 16/127 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Mit diesem Bericht soll die Bundesregierung die Situation der kommunalen
Selbstverwaltung (Artikel 28 GG) insgesamt und im Besonderen die finanzielle
Lage der Kommunen in Deutschland darstellen. Die Bundesregierung soll dar-
stellen, inwieweit die Kommunen ihr verfassungsgemäßes Recht, alle Angele-
genheiten des örtlichen Wirkungskreises zu regeln, tatsächlich noch wahrneh-
men können. Sie soll dabei unter anderem die von ihr den Kommunen nach Ar-
tikel 84 GG auferlegten Aufgaben im Einzelnen benennen und den von ihr ge-
leisteten finanziellen Ausgleichszahlungen an die Kommunen sowie den
tatsächlich getätigten Ausgaben der Kommunen gegenüberstellen.

Weiter soll sie die Haushaltsituation der Städte und Gemeinden dokumentieren.
Darüber hinaus soll der Bericht aufzeigen, wie eine weitere Belastung für die
Kommunen durch den Bund vermieden und damit die kommunale Selbstver-
waltung gestärkt werden kann.

Berlin, den 30. November 2005

Begründung

Die finanzielle Lage der Kommunen wird von Jahr zu Jahr dramatischer. Im ers-
ten Halbjahr 2005 sind die Kassenkredite um über 25 Prozent gegenüber dem
Vorjahreszeitraum angestiegen. Kernproblem der finanziellen Krise ist das Weg-
brechen der Einnahmen und das Ansteigen der Ausgaben. Die Handlungsfähig-
keit der Gemeinden ist nicht mehr gewährleistet.

Die in der letzten Legislaturperiode eingesetzte Kommission zur Reform der
Gemeindefinanzen ist gescheitert. Eine Gemeindefinanzreform ist unterblieben.

Gisela Piltz
Dr. Max Stadler
Ina Lenke
Ulrike Flach
Dr. Christel Happach-Kasan
Horst Meierhofer
Patrick Meinhardt
Frank Schäffler
Christoph Waitz
Heinz Langfermann
Hans-Michael Goldmann
Gudrun Kopp
Dr. Volker Wissing
Otto Fricke
Ernst Burgbacher
Jens Ackermann
Christian Ahrendt
Uwe Barth
Rainer Brüderle
Angelika Brunkhorst
Patrick Döring
Mechthild Dyckmans
Jörg van Essen
Paul K. Friedhoff
Horst Friedrich (Bayreuth)

Dr. Edmund Peter Geisen
Miriam Gruß
Joachim Günther (Plauen)
Heinz-Peter Haustein
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Michael Kauch
Dr. Heinrich L. Kolb
Jürgen Koppelin
Sibylle Laurischk
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
Jan Mücke
Dirk Niebel
Hans-Joachim Otto (Frankfurt)
Detlef Parr
Jörg Rohde
Marina Schuster
Dr. Hermann Otto Solms
Dr. Rainer Stinner
Carl-Ludwig Thiele
Florian Toncar
Dr. Claudia Winterstein
Hartfrid Wolff (Rems-Murr)
Martin Zeil
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/127

Die Ausgaben der Kommunen steigen durch die immer stärkere Aufgabenver-
lagerung des Staates auf die Kommunen weiter an.

Die Zuständigkeit der Kommunen für die Verwaltung und Ausschüttung sozia-
ler Leistungen ist richtig. Dazu müssen den Kommunen ausreichende finanzielle
Mittel aus ihren Einnahmen verbleiben. Bund und Länder aber, die diese Auf-
gabenübertragungen beschlossen haben, lassen die Kommunen bei der Finan-
zierung weitgehend allein oder ersetzen die notwendigen Auslagen erst sehr viel
später. Eine flexible Kostenerstattung ist in der Regel nicht vorgesehen.

Die kommunalen Investitionen sind in den letzten Jahren radikal eingebrochen.
Dagegen sind die Ausgaben für soziale Leistungen seit 1992 um rund ein Drittel
gestiegen. Beispielsweise sind die Ausgaben für die Eingliederung behinderter
Menschen seit 1994 um sechs Milliarden Euro gestiegen und haben sich so
nahezu verdoppelt. Für die nächsten zehn bis 15 Jahren wird prognostiziert, dass
sich auch die Zahl der Betroffenen verdoppeln wird. Das ist von den Kommunen
ohne entsprechenden finanziellen Ausgleich nicht mehr zu tragen.

Reformvorschläge liegen vor. Die FDP-Bundestagsfraktion hat bereits in der
letzten Legislaturperiode mit dem Gesetzentwurf zur kommunalen Finanz-
reform (Bundestagsdrucksache 15/3232) grundlegende Reformvorschläge in
den Deutschen Bundestag eingebracht.

Die Auswirkungen mangelnden Reformwillens sind fatal und müssen schnells-
tens behoben werden. Sie haben erhebliche negative Folgen für Kommunen,
Bürger und Unternehmen. Viele Städte und Gemeinden sind seit Jahren nicht
mehr in der Lage, die grundlegenden Aufgaben für die Menschen vor Ort zu
erfüllen. Damit wird die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung unmittel-
bar in Frage gestellt. Die kommunale Selbstverwaltung aber stellt einen Grund-
pfeiler unserer Verfassung und unserer Staatsorganisation dar.

Die Bundesregierung und der Deutsche Bundestag müssen sich im Interesse
eines demokratischen, funktionsfähigen und lebenswerten Deutschlands ihrer
Verantwortung für die verfassungsmäßigen Rechte der Kommunen stellen.
Dazu bedarf es zunächst einer umfassenden Darstellung der Situation der
kommunalen Selbstverwaltung und im Besonderen der finanziellen Lage der
Kommunen.

Antrag
Lage der Kommunen dokumentieren und verbessern

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