BT-Drucksache 16/12519

Folgen der internationalen Drogenprohibition und Fehlen von Ansätzen der Schadensminderung (Harm-Reduction)

Vom 26. März 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/12519
16. Wahlperiode 26. 03. 2009

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Harald Terpe, Volker Beck (Köln), Elisabeth Scharfenberg,
Ute Koczy, Markus Kurth, Irmingard Schewe-Gerigk und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Folgen der internationalen Drogenprohibition und Fehlen von Ansätzen der
Schadensminderung (Harm-Reduction)

Die internationale Drogenpolitik beruht ganz wesentlich auf den Beschlüssen
der 20. Sonder-Vollversammlung (UNGASS 1998) sowie auf deren Fortschrei-
bung durch die 52. Sitzung der CND (Commission on Narcotic Drugs) Mitte
März 2009 in Wien. Die Ziele für die Drogenbekämpfung lauten dabei insbe-
sondere: Nachfragereduzierung, Reduzierung des Anbaus, Bekämpfung der
Grundstoffherstellung, Bekämpfung synthetischer Drogen, Bekämpfung der
Geldwäsche, verstärkte Zusammenarbeit der Strafverfolgungsbehörden. Ob-
wohl die Produktion von Kokain, Opium und Cannabis sich im Vergleich zu
1998 weiter deutlich erhöht hat, zog das ODC (UN-Office on Drugs and Crime)
2008 eine positive Bilanz. Die Drogenkontrolle habe gegriffen, das „Drogen-
problem“ habe sich stabilisiert, so das ODC im Weltdrogenbericht 2008. Mitte
März 2009 in Wien wurde diese Position durch die ODC erneut bekräftigt.
Diese Einschätzung wird von vielen nationalen und internationalen Wissen-
schaftlern und Praktikern so zum Beispiel anlässlich einer Tagung von Caritas
International im Januar 2009 kritisiert. Alternative Ansätze zur Prävention,
Hilfe und Schadensminderung vor allem bei Menschen mit intravenösem
Drogengebrauch fehlten nach wie vor in vielen Ländern oder seien nicht be-
darfsgerecht ausgebaut. Die Folgen dieser Politik, nicht nur in den so genann-
ten Anbau- und Transitländern, wie die Entstehung von Schwarzmärkten, die
Ausbreitung von HIV und Hepatitis bis hin zur Einschränkung der Menschen-
rechte werden vielfach verschwiegen.

Zwar gelang es der deutschen Delegation sowie 25 weiteren vorwiegend euro-
päischen Staaten durch eine Protokollnotiz zur Abschlusserklärung der 52. Ses-
sion der CND schadensmindernde Maßnahmen unter dem Begriff „drug related
support services“ zu interpretieren, eine umfassende Verankerung schadens-
mindernder Ansätze in der internationalen Drogenpolitik wurde jedoch nicht
erreicht.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Hält die Bundesregierung eine Lösung des „globalen Drogenproblems“ im
Sinne einer weitgehend drogenfreien Welt für möglich?

Wenn ja, wann, und mit welchen Instrumenten will sie zur Erreichung dieses
Ziels beitragen?

Drucksache 16/12519 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
2. Welche wissenschaftlichen Belege sieht die Bundesregierung für die Wirk-
samkeit (Reduzierung von Angebot und Nachfrage) des von den maßgeb-
lichen internationalen Institutionen verfolgten Ansatzes der Drogenprohibi-
tion im Hinblick auf Cannabis, Opiate und Kokain?

3. Teilt die Bundesregierung die Auffassung zum Beispiel von Caritas Inter-
national, dass die Null-Toleranz-Doktrin in der derzeit betriebenen Drogen-
politik gescheitert bzw. sogar kontraproduktiv sei?

Wenn nein, warum nicht?

Wenn ja, welche Schlüsse zieht die Bundesregierung daraus?

4. Hält die Bundesregierung den Schutz der Menschenrechte insbesondere von
Kleinbauern in den Anbauländern, Drogenkonsumentinnen und -konsumen-
ten sowie Abhängigen für hinreichend gewahrt?

Wenn nein, auf welche Weise will sie künftig auf einen besseren Schutz der
Menschenrechte hinwirken?

5. Sieht die Bundesregierung den Ansatz der Schadensminderung (Harm-
Reduction) in der internationalen Drogenpolitik vor dem Hintergrund der
genannten Erklärung und des Aktionsplanes in der internationalen Drogen-
politik als ausreichend verankert an, und wenn nein, auf welche Weise will sie
künftig auf eine stärkere Implementierung dieses Ansatzes in der inter-
nationalen Drogenpolitik hinwirken?

6. Welche Möglichkeiten im Hinblick auf eine stärkere Verankerung schadens-
mindernder Aspekte in der internationalen Drogenpolitik eröffnet aus Sicht
der Bundesregierung das gemeinsame Aktionsprogramm von UNODC und
WHO (World Health Organization) zur Bekämpfung der Drogenabhängig-
keit für den Zeitraum 2009 bis 2013 („Joint UNODC-WHO Action Pro-
gramme On Drug Dependence Treatment“)?

7. Sieht die Bundesregierung den Ansatz der Schadensminderung in der natio-
nalen Drogenpolitik hinreichend verankert?

Wenn ja, durch welche Instrumente wird dieser Ansatz aus Sicht der Bun-
desregierung repräsentiert?

Wenn nein, welche weiteren Schritte will die Bundesregierung unterneh-
men, um diesen Ansatz zu stärken?

8. Inwieweit sieht die Bundesregierung einen Widerspruch zwischen dem An-
satz der Schadensminderung und dem im § 10a Absatz 4 des Betäubungs-
mittelgesetzes (BtMG) enthaltenen Verbots der Drogenhilfe und der Sub-
stanzanalyse (Drug-Checking)?

Berlin, den 26. März 2009

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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