BT-Drucksache 16/12504

Maßnahmen gegen das Aalsterben, verbesserte Bedingungen für die Aalwanderung

Vom 25. März 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/12504
16. Wahlperiode 25. 03. 2009

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Christel Happach-Kasan, Horst Meierhofer, Hans-Michael
Goldmann, Dr. Edmund Peter Geisen, Jens Ackermann, Dr. Karl Addicks, Rainer
Brüderle, Angelika Brunkhorst, Ernst Burgbacher, Jörg van Essen, Otto Fricke,
Horst Friedrich (Bayreuth), Joachim Günther (Plauen), Heinz-Peter Haustein, Elke
Hoff, Michael Kauch, Hellmut Königshaus, Gudrun Kopp, Heinz Lanfermann,
Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht, Ina Lenke, Markus Löning, Patrick Meinhardt,
Burkhardt Müller-Sönksen, Dirk Niebel, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Detlef
Parr, Cornelia Pieper, Marina Schuster, Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Max Stadler,
Carl-Ludwig Thiele, Florian Toncar, Christoph Waitz, Dr. Volker Wissing,
Dr. Guido Westerwelle und der Fraktion der FDP

Maßnahmen gegen das Aalsterben, verbesserte Bedingungen
für die Aalwanderung

Unter der deutschen Ratspräsidentschaft in der EU wurde die „Verordnung
mit Maßnahmen zur Wiederauffüllung des Bestands des Europäischen Aals“,
(EG Nr. 1100/2007) verabschiedet. Mit dieser Verordnung werden Rahmenbe-
dingungen sowohl für den Schutz des Aals als auch seine nachhaltige Nutzung
festgelegt. Dazu gehört, die anthropogene Mortalität zu verringern und „die
Abwanderung von 40 Prozent derjenigen Biomasse an Blankaalen ins Meer
zuzulassen, die gemäß der bestmöglichen Schätzung ohne Beeinflussung des
Bestands durch anthropogene Einflüsse ins Meer abgewandert wären“. Um
dies zu gewährleisten, sollen alle EU-Mitgliedstaaten künftig für die relevan-
ten Gewässer Aalbewirtschaftungspläne vorlegen oder den Fischereiaufwand
um 50 Prozent verringern. Diese Pläne sollen sich nach Möglichkeit auf die
Flussgebietseinheiten beziehen, die im Rahmen der Umsetzung der Euro-
päischen Wasserrahmenrichtlinie (RL 2000/60/EG) festgelegt wurden.

Aale gehören zu den wandernden Fischarten. Der Aal lebt 8 bis 12 Jahre in un-
seren Flüssen und Seen und wächst dabei auf 200 bis 1 000 g heran. Als Blank-
aal wandern die ausgewachsenen Tiere die Flüsse herab, um eine 5 000 km
weite Wanderung durch den Atlantik bis zur Sargassosee anzutreten. Hier legen
die Aalweibchen 4 bis 5 Millionen Eier in etwa 700 m Meerestiefe ab, die an-
schließend von den Männchen befruchtet werden; daraufhin sterben die Eltern-
tiere ab. Aus den Eiern schlüpfen weidenblattförmige Leptocephalus-Larven,
welche etwa 3 Jahre lang passiv mit dem Golfstrom in Richtung europäische
und nordafrikanische Küste treiben. Hier angekommen, entwickeln sich die
Larven zu kleinen, durchsichtigen, etwa 0,5 g schweren, nun aber schon aal-
förmigen Fischen, den so genannten Glasaalen. Die Glasaale wandern zumeist
in größeren Schwärmen, nun schon dunkel gezeichnet, als Steigaale fluss-
aufwärts, um sich hier wiederum zu adulten Tieren zu entwickeln.

Drucksache 16/12504 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Der Bestand des Europäischen Aals (Anguilla anguilla) ist seit mehr als 20 Jah-
ren stark rückläufig. Das Glasaalaufkommen hat sich seit 1970 auf unter 5 Pro-
zent verringert. In den 90er Jahren wurden in der EU jährlich etwa 30 000 Ton-
nen gefangen mit einem Erstverkaufswert von 200 Mio. Euro. Die Bundes-
republik Deutschland ist einer der Hauptabsatzmärkte. Nach Einschätzung der
Fischereiforscher sind umfassende Maßnahmen zur Verbesserung aller Aal-
lebensräume sowie die Verringerung der Mortalitätsfaktoren sowohl im Bin-
nenland wie auch im Meer notwendig. Mögliche Ursachen für den Rückgang
des Aals liegen in dem komplexen Entwicklungszyklus dieser katadromen
Fischart und insbesondere dem Verbau der Gewässer beispielsweise durch
Wasserkraftanlagen, die seine Wanderungen behindern, teilweise unmöglich
machen und zu hohen Verlusten führen. Auch der Fraßdruck durch Kormorane
führt zu erheblichen Verlusten beim Europäischen Aal, wie aus der Antwort der
Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP „Zukunft von
Aalzucht und Aalfischerei in Deutschland“, (Bundestagsdrucksache 15/2929)
hervorgeht.

Die EU-Kommission schlägt zum Schutz des Aals eine Reihe von Maßnahmen
vor, die in allen EU-Mitgliedstaaten einheitlich eingeführt werden sollen. Diese
Maßnahmen garantieren nach Auffassung der EU-Kommissare das Überleben
und die Wanderung des Aals in allen Lebensabschnitten und Lebensräumen.
Um den Bestand des Europäischen Aals nachhaltig sichern zu können, sollen
künftig alle notwendigen Maßnahmen in den EU-Staaten länderübergreifend
koordiniert werden. Das europäische Aalprogramm fördert Maßnahmen zum
Aufbau von Laicherbeständen in Fließgewässern.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Maßnahmen wurden bisher von der Bundesregierung im Zusam-
menhang mit der oben genannten EU-Aalverordnung ergriffen?

2. Für welche Flussgebietseinheiten hat die Bundesrepublik Deutschland bis-
her Aalbewirtschaftungspläne entsprechend Artikel 4 der Verordnung der
EU-Kommission zur Genehmigung vorgelegt, für welche Flussgebietsein-
heiten sollen Aalbewirtschaftungspläne eingereicht werden?

3. Wer stellt die Aalbewirtschaftungspläne auf, und in welcher Weise werden
bei ihrer Erstellung die Berufsfischer, Angler und Naturschützer eingebun-
den?

4. Wie hat sich das Glasaalaufkommen in der Bundesrepublik Deutschland und
Europa in den letzten zehn Jahren entwickelt?

5. Welcher Anteil der Glasaale wird für den Besatz in die europäischen Fluss-
systeme genutzt, welcher Anteil wird nach Fernost zur Aufzucht in Aal-
farmen exportiert, welcher Anteil wird gegessen, und welcher Anteil
wandert natürlich die Flüsse flussaufwärts?

6. Wie hoch ist der derzeitige Preis für ein Kilogramm Glasaal, und wie verlief
die Preisentwicklung beim Glasaal währen der letzten zehn Jahre?

7. Welchen Stellenwert misst die Bundesregierung den zum Erhalt der Aal-
bestände in der Bundesrepublik Deutschland jährlich durchgeführten Aal-
besatzmaßnahmen zu, die im Wesentlichen von der Sport- und Berufsfische-
rei organisiert und finanziert werden?

8. Sieht die Bundesregierung Möglichkeiten, Besatzmaßnahmen im Rahmen
des europäischen Aalprogramms finanziell zu unterstützen, und wenn ja, in
welchem Umfang, und in welchen Flussgebietseinheiten?

9. Welche Finanzmittel werden von der Bundesregierung derzeit zum Aufbau
der Aalbestände jährlich insgesamt eingesetzt?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/12504

10. Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, ungenutzte Mittel aus
dem Europäischen Fischereifond (EFF) zugunsten von Aalbesatz umzu-
widmen?

11. Welchen Einfluss nimmt die Bundesregierung auf die EU-Kommission, um
den Handel mit Glasaal in Nicht-EU-Staaten und insbesondere nach Fern-
ost einzuschränken und im Stufenprogramm ganz zu unterbinden?

12. Wie wirkt sich die Aufnahme des Aals in das CITES-Abkommen (Conven-
tion on International Trade in Endangered Species of Wild Fauna and
Flora) auf die Minderung der Exporte von Glasaalen nach Asien aus?

13. Welchen Einfluss nimmt die Bundesregierung auf die EU-Kommission,
den Verzehr von Glasaal in den Mitgliedsländern der EU einzuschränken
und im Stufenprogramm ganz zu verbieten?

14. In welcher Weise sollten nach den Vorstellungen der Bundesregierung die
Blankaalverluste an bestehenden Wasserkraftanlagen reduziert werden?

15. Wie bewertet die Bundesregierung die Aussicht, durch die in der Bundes-
republik Deutschland getätigten Maßnahmen den Abstieg von 40 Prozent
der Blankaale entsprechend der Zielsetzung der EU-Verordnung sicherzu-
stellen?

16. Wie viele Wasserkraftanlagen existieren nach Kenntnis der Bundesregie-
rung in der Bundesrepublik Deutschland, wie hat sich ihre Anzahl in den
letzten zehn Jahren entwickelt, wie viele dieser Anlagen haben eine Leis-
tung von über 1 MW, und welchen Anteil der durch Wasserkraft erzeugten
Energiemenge bringen diese größeren Anlagen?

17. Wie bewertet die Bundesregierung den Nutzen der kleinen Wasserkraft für
die Versorgung mit regenerativer Energie im Vergleich zum ökologischen
Schaden, den sie für die Fischfauna verursacht?

18. Hält es die Bundesregierung für notwendig, auf der Grundlage der erwiese-
nen Schäden insbesondere in den kleinen Wasserkraftanlagen die Förde-
rung durch das EEG für derartige Anlagen zu überdenken, und wenn nein,
warum nicht?

19. Gibt es Bestrebungen in der Bundesregierung einen Grenzwert festzulegen,
der die Menge an Biomasse bestimmt, die bei der Erzeugung von Elektrizi-
tät aus Wasserkraft pro Kilowattstunde als Kollateralschaden entstehen
darf, und wenn ja, wie hoch wird der Grenzwert sein, und nach welchen
Kriterien (Fischart, Menge) soll er erstellt werden?

20. Wie bewertet die Bundesregierung unter dem Aspekt der Aalgefährdung
die Errichtung neuer Wasserkraftanlagen, insbesondere im Unterlauf grö-
ßerer Flüsse (wie z. B. an der Weser in Bremen-Hemelingen), im Blick auf
die Erfüllung der Vorgaben, die sich beispielsweise aus der Europäischen
Wasserrahmenrichtlinie in Bezug auf die Durchgängigkeit und die Struk-
turgüte der Fließgewässer sowie der Verordnung (EG) 1100/2007 ergeben?

21. Wie groß ist die Mortalität der absteigenden Blankaale in Wasserkraftanla-
gen?

22. Welche technischen Möglichkeiten gibt es, durch Schutzvorrichtungen an
Wasserkraftanlagen die Sterblichkeit für abwandernde Gelb- und Blank-
aale zu verringern bzw. völlig auszuschließen, und wie bewertet die Bun-
desregierung deren Wirksamkeit?

23. Wie bewertet die Bundesregierung die Wirksamkeit von Fischtreppen für
absteigende Blankaale?

Drucksache 16/12504 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
24. Trifft es nach Einschätzung der Bundesregierung zu, dass beispielsweise in
Kanada schon heute der Stand der Technik bei den Fischschutzeinrichtun-
gen an großtechnischen Wasserentnahmen weiterentwickelt und wirksamer
ist als dies bei Anlagen in der Bundesrepublik Deutschland der Fall ist, und
wenn ja, worauf ist dies zurückzuführen?

25. Sind bei nachweislichen Beeinträchtigungen der Fischfauna, insbesondere
bei Schädigungen wandernder Gelb- und Blankaale durch Kühlwasser-
entnahme, entsprechende Ausgleichsmaßnahmen vorgesehen?

26. Welche Maßnahmen zum Schutz des Europäischen Aals werden nach
Kenntnis der Bundesregierung an Pumpwerken zur Wasserstandsregulie-
rung angewendet?

27. In welcher Form unterstützt die Bundesregierung die Bemühungen, in
internationalen Flusseinzugsgebieten (z. B. Elbe, Oder, Rhein) einheitliche
Regelungen für Besatz, Fang, Vermarktung etc. von Gelb- und Blankaalen
unter den Anrainerstaaten durchzusetzen?

28. In welchen Institutionen in der Bundesrepublik Deutschland wird Aal-
forschung betrieben, welche Zielsetzung wird verfolgt, welche Projekte
stehen im Vordergrund, und wie ist der Stand der Forschung insbesondere
im Vergleich zur Forschung in Dänemark und Japan?

29. Inwieweit fördert die Bundesregierung wissenschaftliche Studien im Be-
reich der Kleinen Wasserkraft (z. B. die Entwicklung fischfreundlicher
Turbinen, ein angepasstes Turbinenmanagement, Bypass-Lösungen, effek-
tive und ökonomisch tragbare Rechen- und Scheuchanlagen etc.)?

30. Wie beurteilt die Bundesregierung bisherige Ergebnisse eines Pilotprojek-
tes zum Feinrechensystem: „Circulating Rake“ (Projektleitung: Universität
Karlsruhe, Wasserwirtschaft), welches im Bereich von Wasserkraftanlagen
die stromab gerichteten Fischwanderungen künftig begünstigen soll?

31. Wie bewertet die Bundesregierung den Ansatz, laichfähige Blankaale in
Aquakulturanlagen zu erzeugen, um sie später zur Abwanderung in die
Flussmündungen auszusetzen?

Berlin, den 25. März 2009

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.