BT-Drucksache 16/12502

Praxis der Bundesregierung im Umgang mit Ausfuhren in den Iran

Vom 25. März 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/12502
16. Wahlperiode 25. 03. 2009

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Elke Hoff, Jens Ackermann, Dr. Karl Addicks, Christian
Ahrendt, Uwe Barth, Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst, Ernst Burgbacher,
Patrick Döring, Jörg van Essen, Otto Fricke, Paul K. Friedhoff, Horst Friedrich
(Bayreuth), Dr. Edmund Peter Geisen, Hans-Michael Goldmann, Miriam Gruß,
Joachim Günther (Plauen), Dr. Christel Happach-Kasan, Heinz-Peter Haustein,
Birgit Homburger, Dr. Werner Hoyer, Hellmut Königshaus, Dr. Heinrich L. Kolb,
Gudrun Kopp, Dr. h. c. Jürgen Koppelin, Heinz Lanfermann, Sibylle Laurischk,
Harald Leibrecht, Ina Lenke, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Michael Link
(Heilbronn), Markus Löning, Dr. Erwin Lotter, Horst Meierhofer, Patrick Meinhardt,
Jan Mücke, Burkhardt Müller-Sönksen, Dirk Niebel, Hans-Joachim Otto
(Frankfurt), Detlef Parr, Cornelia Pieper, Gisela Piltz, Frank Schäffler, Dr. Konrad
Schily, Marina Schuster, Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Max Stadler, Dr. Rainer
Stinner, Carl-Ludwig Thiele, Florian Toncar, Dr. Daniel Volk, Christoph Waitz,
Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker Wissing, Hartfrid Wolff (Rems-Murr), Dr. Guido
Westerwelle und der Fraktion der FDP

Praxis der Bundesregierung im Umgang mit Ausfuhren in den Iran

Die internationale Gemeinschaft muss Sorge dafür tragen, dass mögliche
Ambitionen des Iran zur Entwicklung eines Nuklearwaffenprogramms mit
nichtmilitärischen Mitteln gestoppt werden. Eine atomare Bewaffnung des Iran
wäre eine Gefährdung für die Sicherheit und Stabilität des Nahen- und Mittle-
ren Ostens – und darüber hinaus. Grundlegende Voraussetzung dafür, dies zu
verhindern, ist die Geschlossenheit der internationalen Gemeinschaft bei Stra-
tegie und Umsetzung gemeinsam beschlossener Maßnahmen. Der Iran hat es
durch unzureichende Kooperation mit der Internationalen Atomenergiebehörde
(IAEO) bislang nicht vermocht, die Internationale Gemeinschaft vom fried-
lichen Charakter seines Nuklearprogramms zu überzeugen und die Bedenken
der IAEO und der EU3+3 Verhandlungsgruppe auszuräumen. Der Sicherheits-
rat der Vereinten Nationen hat den Iran aus diesem Grunde mit verschiedenen
Sanktionen belegt, um eine Fortentwicklung des iranischen Nuklearpro-
gramms, insbesondere den Ausbau der iranischen Anreicherungsaktivitäten, zu
verhindern, und den Iran wiederholt zur vollständigen und umfassenden Ko-
operation mit der IAEO aufgefordert. Eine Ratifizierung des Zusatzprotokolls

zum NPT (Nuclear Non-Proliferation Treaty) durch den Iran spielt eine ent-
scheidende Rolle hinsichtlich der Überprüfbarkeit der angeblich rein zivilen
Nuklearambitionen des Landes. Die derzeitigen Sanktionen der Vereinten Nati-
onen beziehen sich neben Reisebeschränkungen für Einzelpersonen primär auf
die Lieferung von Waren und Technologien, die das iranische Nuklearpro-
gramm fördern könnten und auf Einschränkungen des Finanzverkehrs, insbe-

Drucksache 16/12502 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

sondere das Einfrieren von Auslandskonten von am Nuklearprogramm beteilig-
ten natürlichen und juristischen Personen. Die Europäische Union hat sich der
Sanktionsentscheidung des VN-Sicherheitsrates angeschlossen und ihrerseits
Sanktionen gegen den Iran verhängt, die teilweise den Rahmen der VN-Sank-
tionen noch überschreiten.

Rechtsgeschäfte mit dem Iran ohne jeden Bezug zum Atomprogramm sind
auch weiterhin legal und sollten ohne Einschränkungen möglich sein. Aus aktu-
ellen Presseberichten (u. a. Süddeutsche Zeitung vom 27. Januar 2009) geht zu-
dem hervor, dass Teile der Bundesregierung die Vergabe von Hermes-Bürg-
schaften für Geschäfte mit dem Iran insgesamt stoppen möchten sowie einen
Vorratsbeschluss über Sanktionen vorbereiten, falls die geplanten direkten Ge-
spräche zwischen USA und dem Iran über das Nuklearprogramm scheitern
sollten (siehe Der Spiegel vom 2. Februar 2009).

Des Weiteren fordert die Bundesregierung deutsche Unternehmen auf, auch bei
Geschäften im Iran, die ausdrücklich nicht dem Sanktionsregime unterliegen,
sich selbst zu beschränken. Immer wieder heißt es, die Bundesregierung wolle
deutsche Unternehmen entmutigen, weiterhin Geschäfte im Iran zu tätigen.
Dies verunsichert zahlreiche deutsche Unternehmen, die über Jahrzehnte wich-
tige Handelspartner des Iran waren. Die deutschen Handelspartner im Iran sind
zumeist nicht dem politischen Regime zuzurechnen. Unternehmen, die es sich
auch in Anbetracht der schweren Rezession nicht leisten können, ihre gewach-
senen Geschäftsbeziehungen aufzugeben, berichten davon, dass beantragte
Ausfuhrgenehmigungen statt wie üblich innerhalb von drei bis vier Wochen in-
zwischen in der Regel nach sechs bis zwölf Monaten beschieden werden. Dabei
handelt es sich sowohl um Ausfuhrgenehmigungen als auch um die Erteilung
so genannter Nullbescheide, also die rechtsverbindliche Mitteilung, dass es für
das betreffende Rechtsgeschäft keiner Ausfuhrgenehmigung bedarf, weil das
Geschäft in jeder Hinsicht unbedenklich ist. Derartige Geschäfte könnten legal
ohne Antrag an das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA)
durchgeführt werden. Dem Vernehmen nach gibt es aber inzwischen Weisun-
gen an die deutschen Zollbehörden, Lieferungen nur mit Nullbescheiden oder
Ausfuhrgenehmigungen passieren zu lassen.

Am 20. März 2009 hat sich US-Präsident Barack Obama mit einer Videobot-
schaft an den Iran gewendet, in der er die Bereitschaft zu einem Neubeginn in
den Beziehungen der USA zum Iran deutlich gemacht hat. Damit nimmt der auf
eine Politik der ausgestreckten Hand setzende Ansatz in der US-amerikani-
schen Iran-Politik erstmals konkrete Formen an. Eine enge Abstimmung zwi-
schen den USA und seinen europäischen Partnern, insbesondere jenen, die wie
die Bundesrepublik Deutschland Teil der EU3+3-Verhandlungen waren, ist vor
diesem Hintergrund wichtiger denn je, damit von der Politik des Westens keine
unterschiedlichen und damit kontraproduktiven Signale ausgehen. In diesem
Sinne muss auch die deutsche und europäische Sanktionspolitik mit den ameri-
kanischen Überlegungen zu möglichen direkten Gesprächen mit dem Iran koor-
diniert werden.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Aus welchen Gründen hält die Bundesregierung es für ratsam, den US-ame-
rikanischen Dialogansatz gegenüber dem Iran unmittelbar mit der Drohung
neuer Sanktionen zu verbinden?

2. Inwieweit ist dieser Ansatz mit der neuen US-amerikanischen Administra-
tion abgestimmt?

3. Ist der „policy review“-Prozess der USA hinsichtlich der Iran-Frage bereits
abgeschlossen, und wenn ja, welche Ergebnisse sind der Bundesregierung

hierüber bekannt?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/12502

4. Was hat die Bundesregierung veranlasst, zusätzlich zu den VN- und EU-
Sanktionen weiter gehende nationale Sanktionsmaßnahmen zu verhängen?

5. Welche Bereiche umfassen diese weiter gehenden nationalen Sanktions-
maßnahmen?

6. Welches Ressort der Bundesregierung hat den Vorschlag unterbreitet,
deutsche Unternehmen „entmutigen“ zu wollen, ihre Geschäftsbeziehun-
gen mit dem Iran aufrechterhalten zu wollen?

7. Inwieweit umfasst die „Entmutigung“ auch Geschäftsbereiche, die aus-
drücklich nicht dem Sanktionsregime unterliegen?

8. Wieviele Unternehmen oder Industrieverbände/Kammern wurden von der
Bundesregierung diesbezüglich schriftlich oder mündlich kontaktiert?

9. Wie lange dauert derzeit die Bearbeitung von Nullbescheiden?

10. Wie lange dauert derzeit die Bearbeitung von Ausfuhrgenehmigungen?

11. Wie viele Anträge, aufgeschlüsselt nach Nullbescheiden und Ausfuhrge-
nehmigungen, wurden im Jahr 2008 gestellt, und wie wurden diese be-
schieden?

12. Wie viele Anträge wurden nach sechs, neun, zwölf Monaten oder noch län-
gerer Bearbeitungszeit beschieden?

13. Warum und auf welcher Rechtsgrundlage werden die Anträge nach deren
Einreichung beim BAFA und positiver Einstufung als nicht ausfuhrgeneh-
migungspflichtig anschließend durch das Bundesministerium für Wirt-
schaft und Technologie, das Auswärtige Amt, das Bundeskanzleramt und
andere Bundesbehörden geleitet?

14. Trifft es zu, dass deutsche Zollbehörden Ausfuhren in den Iran nur nach Er-
teilung von Nullbescheiden oder Ausfuhrgenehmigungen passieren lassen?

15. Wenn ja, auf welcher Rechtsgrundlage basiert dieses Vorgehen?

16. Rechnet die Bundesregierung mit rechtlichen Schritten der betroffenen Un-
ternehmen, und nimmt sie diese in Kauf?

17. Welche rechtlichen Konsequenzen hat eine Bearbeitungsdauer von sechs
bis zwölf Monaten bei Anträgen auf Erteilung von Ausfuhrgenehmigungen
und Nullbescheiden?

18. Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um die aufgelaufenen Anträge
von in Zeiten einer tiefgreifenden Rezession mehr denn je auf den Export
angewiesenen deutschen Unternehmen schnell zu bearbeiten und neue An-
träge in der zumutbaren Frist von drei bis vier Wochen zu bearbeiten?

19. Ist es Absicht der Bundesregierung, die bisherige Praxis aufrechtzuerhal-
ten, und damit bei weiteren Projekten ausländischen Wettbewerbern auf-
grund zu langer Bearbeitungszeiten Wettbewerbsvorteile zu verschaffen,
wie dies beispielsweise bei einer Raffinerie in Isfahan geschehen ist?

20. Welchen Auftragseingang (Neugeschäft) haben deutsche Unternehmen
2008 im Iran akquiriert?

21. Welchen Auftragseingang (Neugeschäft) erwartet die Bundesregierung für
deutsche Unternehmen im Iran?

22. Wie beurteilt die Bundesregierung die Neustrukturierung des Zahlungsver-
kehrs mit iranischen Unternehmen durch China und Russland, bei der
Öleinnahmen bei chinesischen und russischen Banken verbleiben und für
die Bezahlung iranischer Importe verwendet werden?

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23. Sind der Bundesregierung konkrete Fälle bekannt, in denen sich die Fort-
führung von Geschäftsbeziehungen deutscher Unternehmen im Iran nach-
teilig auf deren amerikanische Geschäftsbeziehungen ausgewirkt haben?

24. Was ist der Bundesregierung über „Umgehungsgeschäfte“ amerikanischer
Unternehmen, europäischer und insbesondere deutscher Unternehmen mit
dem Iran über die Vereinigten Arabischen Emirate und/oder andere Staaten
bekannt?

25. Wie haben sich jeweils die Export- und Importvolumina (absolut, Euro)
des Iran mit Deutschland, Russland, China, Frankreich, Italien, Portugal,
Finnland, Österreich und der Schweiz in den Jahren 2004, 2005, 2006,
2007 und 2008 entwickelt?

26. Wie haben sich jeweils die Neugeschäftszusagen für Projekte im Iran seitens
der Deutschen Investitions- und Entwicklungsgesellschaft mbH (DEG), der
Société de Promotion et de Participation pour la Coopération Economique
(PROPARCO) und der Società Italiana per le Imprese all’Estero (SIMEST
S.p.A.) in den Jahren 2006, 2007 und 2008 entwickelt?

27. Wie hoch waren jeweils für die Bundesrepublik Deutschland, Italien und
Frankreich die amtlichen Official Development Assistance (ODA)-Kenn-
zahlen für Entwicklungshilfe an den Iran für die Jahre 2004, 2005, 2006,
2007 und 2008?

28. Welche Anstrengungen zum Schutz der Gläubigerinteressen von deutschen
Unternehmen unternimmt die Bundesregierung?

29. Trifft es zu, dass es innerhalb der Bundesregierung Gespräche über einen
EU-Vorratsbeschluss für Sanktion gegen den Iran gibt?

30. Wenn ja, welche zusätzlichen Sanktionsmaßnahmen soll dieser Vorrats-
beschluss umfassen?

31. Welche der beteiligten Ressorts haben sich bislang für bzw. gegen einen
vollständige Sperre neuer Hermes-Deckungen ausgesprochen?

Berlin, den 25. März 2009

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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