BT-Drucksache 16/12398

Speicherung von Unionsbürgerinnen und Unionsbürgern im Ausländerzentralregister

Vom 23. März 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/12398
16. Wahlperiode 23. 03. 2009

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Josef Philip Winkler, Monika Lazar, Jerzy Montag,
Silke Stokar von Neuforn und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Speicherung von Unionsbürgerinnen und Unionsbürgern im
Ausländerzentralregister

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat am 16. Dezember 2008 ein Urteil
über die Rechtsmäßigkeit der Speicherung von personenbezogenen Daten von
Unionsbürgerinnen und Unionsbürgern im deutschen Ausländerzentralregister
(AZR) gefällt (Aktenzeichen C- 524/06).

Die Erfassung solcher Daten von Unionsbürgerinnen und Unionsbürgern im
AZR sei zwar – so der EuGH – „zur Unterstützung der mit der Anwendung
aufenthaltsrechtlicher Vorschriften betrauten Behörden grundsätzlich legitim“
(a. a. O., Rn. 58).

Allerdings kam der EuGH zu folgenden Schlussfolgerungen:

Ein System zur Verarbeitung personenbezogener Daten von Unionsbürgerinnen
und Unionsbürgern im AZR entspricht nur dann dem Erforderlichkeitsgebot
der Datenschutzrichtlinie aus dem Jahr 1995, wenn es Daten enthält, die für die
Anwendung aufenthaltsrechtlicher Vorschriften durch die hierfür zuständigen
Behörden erforderlich sind und wenn die mit dem AZR verbundene zentra-
lisierte Speicherung dieser personenbezogenen Daten effizienter sei als eine
Speicherung z. B. im Einwohnermelderegister.

Die bisherige Praxis in Deutschland, personenbezogene Daten von Unionsbür-
gerinnen und Unionsbürgern im AZR u. a. auch zu statistischen Zwecken zu
speichern bzw. zu verarbeiten, entspräche jedoch nicht – so der EuGH – dem
Erforderlichkeitsgebot im Sinne der o. g. Datenschutzrichtlinie.

Zudem verstoße die Nutzung der im AZR enthaltenen Daten zur Bekämpfung
der Kriminalität deswegen gegen das europäische Antidiskriminierungsrecht
(und damit gegen das Gemeinschaftsrecht), weil im AZR zwar Daten von
Unionsbürgerinnen und Unionsbürgern (sowie von Drittstaatsangehörigen),
aber keine Daten von Deutschen erfasst würden.

Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI)
hat in einer Pressemitteilung vom 16. Dezember 2008 die Erwartung an die
Bundesregierung geäußert, die Vorgaben des EuGH umgehend umzusetzen:

„Die Daten der EU-Bürger/innen müssen unverzüglich dahingehend geprüft
werden, ob sie gespeichert bleiben dürfen, falls sie z. B. zur Durchführung auf-
enthaltsrechtlicher Maßnahmen erforderlich sind. Im übrigen sind die Daten
unverzüglich zu löschen. Sollte eine Löschung aus technisch-organisatorischen
Gründen kurzfristig nicht möglich sein, müssen die Daten zumindest gesperrt
werden, um unzulässige Verwendungen auszuschließen.“

Drucksache 16/12398 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie viele Unionsbürgerinnen und Unionsbürger sind derzeit im Ausländer-
zentralregister erfasst?

Wie viele davon haben derzeit tatsächlich in Deutschland ihren melderecht-
lichen Wohnsitz?

2. Hat die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und
Integration Dr. Maria Böhmer (die ja auch für die Belange von in Deutsch-
land lebenden Unionsbürgerinnen und Unionsbürgern zuständig ist) das
o. g. EuGH-Urteil kommentiert bzw. inhaltliche Erwartungen im Hinblick
auf die Umsetzung dieses Urteils geäußert?

Wenn ja, wie hat sich die Beauftragte der Bundesregierung für Migration,
Flüchtlinge und Integration diesbezüglich eingelassen, und wie bewertet die
Bundesregierung ihre Vorschläge?

Wenn nein, warum nicht?

3. Wie bewertet die Bundesregierung die diesbezüglichen Empfehlungen des
Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit vom
16. Dezember 2008?

4. Sind die AZR-Daten von Unionsbürgerinnen und Unionsbürgern – wie vom
BfDI gefordert – inzwischen dahingehend geprüft worden, ob sie gespeichert
bleiben dürfen?

Wenn ja, wie viele dieser Datensätze dürfen zur Durchführung aufenthalts-
rechtlicher Maßnahmen auch weiterhin im AZR gespeichert bleiben?

Wenn nein, warum nicht?

5. Hat die Bundesregierung – wie vom BfDI vorgeschlagen – eine Sperrung
der AZR-Daten von Unionsbürgerinnen und Unionsbürgern veranlasst (um
eine unzulässige Verwendungen auszuschließen), und wenn nein, warum
nicht?

6. Wie nimmt die Bundesregierung Stellung zu dem Hinweis des EuGH, dass
eine Speicherung personenbezogener Daten von Unionsbürgerinnen und
Unionsbürgern im AZR nur dann zu rechtfertigen sei, wenn die damit ver-
bundene zentralisierte Datenspeicherung eine „effizientere Anwendung
[aufenthaltsrechtlicher] Vorschriften in Bezug auf das Aufenthaltsrecht von
Unionsbürgern erlaubt“ als z. B. eine Speicherung im Einwohnermelde-
register (EuGH-Urteil, Aktenzeichen C-524/06 Rn. 66, zweiter Anstrich)?

7. Welche Maßnahmen plant die die Bundesregierung, um das o. g. Urteil des
EuGH umzusetzen?

8. Wann ist mit dieser Urteilsumsetzung zu rechnen?

Berlin, den 23. März 2009

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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