BT-Drucksache 16/12285

Notleidenden Unternehmen Sanierungschancen durch effizientere Gestaltung der gesetzlichen Regelungen im Insolvenzplanverfahren geben

Vom 18. März 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/12285
16. Wahlperiode 18. 03. 2009

Antrag
der Abgeordneten Christian Ahrendt, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger,
Dr. Hermann Otto Solms, Jens Ackermann, Dr. Karl Addicks, Rainer Brüderle,
Angelika Brunkhorst, Ernst Burgbacher, Patrick Döring, Mechthild Dyckmans,
Jörg van Essen, Ulrike Flach, Otto Fricke, Paul K. Friedhoff, Horst Friedrich
(Bayreuth), Dr. Edmund Peter Geisen, Hans-Michael Goldmann, Miriam Gruß,
Heinz-Peter Haustein, Elke Hoff, Hellmut Königshaus, Dr. Heinrich L. Kolb,
Gudrun Kopp, Dr. h. c. Jürgen Koppelin, Heinz Lanfermann, Sibylle Laurischk,
Harald Leibrecht, Ina Lenke, Michael Link (Heilbronn), Horst Meierhofer, Patrick
Meinhardt, Jan Mücke, Burkhardt Müller-Sönksen, Dirk Niebel, Hans-Joachim Otto
(Frankfurt), Detlef Parr, Cornelia Pieper, Gisela Piltz, Frank Schäffler, Dr. Konrad
Schily, Marina Schuster, Dr. Max Stadler, Carl-Ludwig Thiele, Florian Toncar,
Dr. Daniel Volk, Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker Wissing, Hartfrid Wolff
(Rems-Murr), Dr. Guido Westerwelle und der Fraktion der FDP

Notleidenden Unternehmen Sanierungschancen durch effizientere Gestaltung
der gesetzlichen Regelungen im Insolvenzplanverfahren geben

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Gerade in Krisenzeiten ist es angezeigt, bewährte Instrumente des geltenden
Rechts zu verwenden, die sich in der Praxis erfolgreich behauptet haben. Dras-
tische Maßnahmen, wie die Enteignung, die mit dem Finanzmarktstabilisie-
rungsergänzungsgesetz ermöglicht werden soll, sind daher abzulehnen. Dieser
Weg verkennt die vorhandenen rechtlichen Möglichkeiten einer ordnungspoli-
tisch vertretbaren und den Steuerzahler geringer belastenden Lösung.

Schon jetzt zeigt sich, dass staatliche Hilfen in Höhe von 102 Mrd. Euro die
Hypo Real Estate Holding AG nicht zu stabilisieren vermochten. Der Enteig-
nung liegt kein Plan zugrunde, der eine Auskunft darüber gibt, wie die Bank
restrukturiert werden soll und welche Kosten damit verbunden sind. Dem
Steuerzahler ist nach Finanzhilfen dieser Größenordnung nicht zumutbar, den
Aktionären und Gläubigern der Bank ihre Risiken abzunehmen.

Das Insolvenzplanrecht bietet jetzt schon die Chance zur schnellen und konse-
quenten Sanierung eines notleidenden Unternehmens und stellt somit ein sehr

effektives Mittel zur Unternehmensrestrukturierung dar. Es gibt praktische Bei-
spiele dafür, dass ein Insolvenzplanverfahren innerhalb eines solch kurzen Zeit-
raumes erfolgreich abzuwickeln ist. Bekanntestes Beispiel hierfür ist die Insol-
venz des Berliner Herlitz-Konzerns. Die Insolvenzpläne des Unternehmens
wurden im Sommer 2002 nach einer Verfahrensdauer von sechs Wochen be-
schlossen, bestätigt und nach Aufhebung der Insolvenzverfahren ordnungsge-
mäß eingehalten.

Drucksache 16/12285 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

In der Praxis gibt es bereits seit langem konkrete Forderungen, Rechtsänderun-
gen im Insolvenzplanverfahren herbeizuführen, um es noch flexibler und effi-
zienter zu gestalten. In Anbetracht der Finanz- und Wirtschaftskrise ist es daher
zwingend geboten, das geltende Insolvenzplanrecht derart zu modifizieren, dass
es ein rechtssichereres Instrument wird, um Unternehmensrestrukturierungen
erfolgreich zu ermöglichen. Aktuell könnte dies insbesondere der Hypo Real
Estate Holding AG, der Adam Opel GmbH und der Schaeffler KG helfen.

Der Deutsche Bundestag ist sich auch der Zügigkeit und der Gestaltungsmög-
lichkeiten bewusst. Ein Insolvenzplanverfahren kann in kurzer Zeit abgewickelt
werden, Forderungsverluste vermeiden, eine nachhaltige Restrukturierung vor-
bereiten und Vertrauen sinnvoll begründen. Zwischen der Eröffnung des Insol-
venzverfahrens und der Anhörung sowie Abstimmung eines auf die Restruktu-
rierung der Wirtschaftseinheit gerichteten Insolvenzplanverfahrens muss nur die
gesetzliche Mindestfrist von sechs Wochen verstreichen.

Der Deutsche Bundestag betont, dass die Enteignung im Wirtschaftssystem der
sozialen Marktwirtschaft keine Ultima Ratio staatlichen Handelns ist. Einzig der
Insolvenzordnung fällt in unserer Rechts- und Wirtschaftsverfassung die Auf-
gabe zu, den Marktaustritt oder den finanziellen Umbau am Markt versagender
Wirtschaftseinheiten zu organisieren. Nach der erklärten Absicht des Gesetzge-
bers der geltenden Insolvenzordnung sollte das Insolvenzrecht ohne Bruch in die
vorhandene Rechts- und Wirtschaftsordnung eingefügt werden. Insofern basiert
die Insolvenzordnung auf der zentralen Erkenntnis, dass die Insolvenz eines
Marktteilnehmers keine Veranlassung gibt, die Marktmechanismen durch ho-
heitliche Wirtschaftsregulierung zu verdrängen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

einen Gesetzentwurf nach Maßgabe folgender Gesichtspunkte vorzulegen:

– Das Insolvenzplanrecht ist so auszugestalten, dass es erforderlichenfalls auch
einen Eingriff in Aktionärs- oder Gesellschafterstellungen ermöglicht.

– Es sind Korrekturen des Insolvenzplanrechts herbeizuführen, um durchgrei-
fende Sanierungen zu ermöglichen, ohne dass die Insolvenz auf die Unter-
nehmenstöchter durchschlägt oder Unternehmenstöchter ihrerseits in die
Insolvenz gehen müssen, um ihre Sanierung zu ermöglichen.

– Sanierungsgewinne sind steuerfrei zu stellen.

– Es sind Möglichkeiten zu schaffen, bestehende Beratungsprogramme zur
Krisenprävention auch zur Sanierungsunterstützung nutzen zu können.

– Die Insolvenzordnung ist derart zu ändern, dass die Rechte der Massegläubi-
ger eingeschränkt werden dürfen.

– Die Vorschrift des § 258 Abs. 2 der Insolvenzordnung (InsO) ist zu modifi-
zieren.

– Die Formvorschriften sind als Soll-Vorschriften auszugestalten.

Berlin, den 17. März 2009

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/12285

Begründung

Insolvenzpläne müssen erforderlichenfalls einen Eingriff in Aktionärs- oder
Gesellschafterstellungen ermöglichen. Hierzu bedarf es einer gesetzlichen Klar-
stellung in den §§ 221, 227 und 254 InsO. Die Verfügung über Aktien- oder
Geschäftsanteile im gestaltenden Teil des Insolvenzplans stellt keinen Verstoß
gegen Artikel 14 des Grundgesetzes dar, weil die Aktie oder der Geschäftsanteil
wertlos geworden ist, Aktionäre und Gesellschafter ihrer Finanzierungsverant-
wortung für das insolvente Unternehmen nicht mehr nachkommen oder nicht
mehr nachkommen können.

Da sich das Insolvenzverfahren nur auf das Vermögen eines der Schuldner
bezieht und Unternehmensverträge zwischen herrschender und beherrschter Ge-
sellschaft mit Verfahrenseröffnung enden, kann nach bislang geltendem Recht
eine Sanierung von Tochterunternehmen nur erfolgen, wenn auch über diese
Vermögen Insolvenzen eröffnet werden. Damit geht auch die Konzernleistungs-
macht verloren. Hier bedarf es Korrekturen des Insolvenzplanrechts, um durch-
greifende Sanierungen zu ermöglichen, ohne dass die Insolvenz auf die Unter-
nehmenstöchter durchschlägt oder Unternehmenstöchter ihrerseits in die Insol-
venz gehen müssen, um ihre Sanierung zu ermöglichen.

Die bei der Sanierung eintretende Vermögensmehrung kann zu einer Steuerver-
pflichtung der Masse bzw. des Insolvenzschuldners führen. Sanierungsgewinne
sind deswegen steuerfrei zu stellen. Eine neuerliche Insolvenz wegen des Anfal-
lens von Ertragsteuern auf Sanierungsgewinne ist weder sachgerecht noch gibt
es dafür ein fiskalisches Interesse.

Generell sollten ergänzend hierzu die bestehenden Beratungsprogramme zur
Krisenprävention auch zur Sanierungsunterstützung genutzt werden können.
Die Wirtschafts- und Förderpolitik richtet ihr Hauptinteresse auf Unterneh-
mensgründungen und wachsende Unternehmen. Unterstützungsmaßnahmen im
Sanierungsfall werden hingegen nur ausnahmsweise gewährt. Die Beratungs-
programme des Staates erteilen Hilfen zur Krisenprävention im vorinsolvenz-
lichen Stadium. Der Fokus der Unterstützungsprogramme sollte daher zumin-
dest in Krisenzeiten auf die Insolvenzplanerstellung zur Unternehmenssanie-
rung verlagert werden.

Gemäß § 53 InsO sind aus der Insolvenzmasse Kosten des Insolvenzverfahrens
und sonstige Masseverbindlichkeiten vorweg zu berichtigen. Diese vorwegge-
nommene Befriedigung kann im Insolvenzplanverfahren nur im Einvernehmen
der Massegläubiger abweichend geregelt werden. Die Rechte der Massegläubi-
ger sollte jedoch auch eingeschränkt werden dürfen.

Sobald die Bestätigung des Insolvenzplans rechtskräftig geworden ist, erfolgt
die Aufhebung des Insolvenzverfahrens durch das Insolvenzgericht, wenn zuvor
der Verwalter die Masseverbindlichkeiten berichtigt hat (§ 258 Abs. 1 und 2
InsO). Dies bereitet jedoch erhebliche praktische Schwierigkeiten, weil im Falle
der Fortführung dauernd neue Verbindlichkeiten entstehen.

Die Vorschriften des Insolvenzplanverfahrens sind als zwingendes Recht ausge-
staltet. Um die Flexibilität und Effizienz zu steigern, bieten sich Formvorschrif-
ten als Soll-Vorschriften an. Dies mindert das Risiko von Rechtsmitteln in Ab-
stimmungen unterlegener Gläubiger allein wegen der Verletzung von Formvor-
schriften.

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