BT-Drucksache 16/12151

Gleichstellung im Berufsleben - Umsetzung der Forderungen der Allianz von Frauenorganisationen Deutschlands zum 6. CEDAW-Bericht der Bundesregierung

Vom 3. März 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/12151
16. Wahlperiode 03. 03. 2009

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann, Karin Binder, Sevim Dag˘delen,
Dr. Dagmar Enkelmann, Diana Golze, Katrin Kunert, Kornelia Möller, Elke Reinke,
Dr. Petra Sitte und der Fraktion DIE LINKE.

Gleichstellung im Berufsleben – Umsetzung der Forderungen der Allianz von
Frauenorganisationen Deutschlands zum 6. CEDAW-Bericht der Bundesregierung

Am 18. Dezember 1979 verabschiedete die Generalversammlung der UNO die
Resolution 54/4 zum Übereinkommen der VN zur Beseitigung jeder Form der
Diskriminierung von Frauen (CEDAW), das am 10. Juli 1984 von der Bundes-
republik Deutschland ratifiziert wurde. Am 14. September 2007 übergab die
Bundesregierung dem CEDAW-Ausschuss den 6. Staatenbericht zur Umsetzung
des Abkommens. Diese Übergabe gab den Anstoß dafür, dass sich 28 Frauen-
verbände, -organisationen und -initiativen zusammenschlossen, um mit einem
Alternativbericht diesen Bericht zu kommentieren, kritisch zu bewerten und zu
ergänzen. Zusammenfassend wurde festgestellt, dass die Bundesregierung offen-
sichtlich keine zielorientierte Gleichstellungspolitik verfolgt, sondern sich fast
ausschließlich auf die Familienpolitik konzentriert. Allerdings ist auch diese
Familienpolitik nicht durchgängig gleichstellungsorientiert und wirkt vor allem
für Geringverdienende retraditionalisierend. Weiterhin wird kritisiert, dass sich
Frauen auf dem Arbeitsmarkt eher in niedriger entlohnenden Branchen, in so-
zialpflegerischen Berufen, in Erziehungsberufen und haushaltsnahen Dienstleis-
tungen wiederfinden. Der Frauenanteil im Niedriglohnbereich ist demnach auf
69,6 Prozent gestiegen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. a) Welche Maßnahmen will die Bundesregierung ergreifen, um durch die
schnellstmögliche Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes Frauen-
armut zu vermeiden und in diesem Zusammenhang auch eine Beteiligung
von Frauen an den Sozialversicherungssystemen als Grundlage für exis-
tenzsichernde Ansprüche bei Arbeitslosigkeit, Krankheit, Alter und Pfle-
gebedürftigkeit zu gewährleisten?

b) Wenn keine, warum nicht?

2. a) Welche Maßnahmen will die Bundesregierung ergreifen, um sicherzu-
stellen, dass zur Beseitigung der Erwerbslosigkeit von Menschen mit

Behinderungen gesonderte und geschlechtersensible Programme auf
Landes- und Bundesebene eingeführt werden?

b) Wenn keine, warum nicht?

Drucksache 16/12151 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

3. a) Welche Schritte will die Bundesregierung unternehmen, um gesetzliche
Regelungen auf mittelbare Diskriminierung von Frauen hin zu untersu-
chen und aus Kann-Regelungen bezogen auf Qualifizierung und Weiter-
bildung einklagbare Rechtsansprüche zu formulieren?

b) Wenn keine, warum nicht?

4. a) Welche Maßnahmen will die Bundesregierung ergreifen, um endlich die
in ihrer Gemeinsamen Geschäftsordnung eingegangene Selbstverpflich-
tung umzusetzen, alle Gesetzesvorhaben auf ihre unterschiedlichen Aus-
wirkungen auf Frauen und Männer hin zu prüfen und entsprechend dif-
ferenziert zu gestalten sowie bereits beschlossene Gesetze entsprechend
nachzubessern?

b) Wenn keine, warum nicht?

5. a) Welche Maßnahmen will die Bundesregierung ergreifen, um Frauenver-
bände und andere betroffene Nichtregierungsorganisationen frühzeitig
und angemessen im Gesetzgebungsverfahren zu beteiligen?

b) Wenn keine, warum nicht?

6. a) Welche Maßnahmen will die Bundesregierung ergreifen, um das Kon-
strukt der Bedarfsgemeinschaft im Zweiten und Zwölften Buch Sozial-
gesetzbuch (SGB II/XII) dringend zu überprüfen und für die Nichtleis-
tungsbeziehenden einen Rechtsanspruch auf Arbeitsmarktförderung durch
Aktivierungsprogramme gesetzlich zu verankern?

b) Wenn keine, warum nicht?

7. a) Welche Maßnahmen will die Bundesregierung ergreifen, um durch Ge-
setzesänderung sicherzustellen, dass Mehrbedarfe, die durch besondere
Situationen entstehen oder bei Kindern und Jugendlichen wachstums-
bedingt sind, als einmalige Beihilfen finanziert und nicht aus den Regel-
leistungen erbracht werden müssen?

b) Wenn keine, warum nicht?

8. a) Welche Maßnahmen will die Bundesregierung ergreifen, um die Antrags-
verfahren zu vereinfachen und sicherzustellen, dass Frauen in besonderen
Lebenssituationen ein sachgerechtes und ausreichendes Beratungsange-
bot zur Verfügung steht?

b) Wenn keine, warum nicht?

9. a) Welche Schritte will die Bundesregierung unternehmen, um bei Häus-
licher Gewalt eine einheitliche Härtefallregelung zu schaffen, die allen
betroffenen Frauen bei Mittellosigkeit unabhängig von Herkunft, Alter,
Einkommen und Aufenthaltsstatus sofortige finanzielle Unterstützung
und freien Zugang zu Frauenunterstützungseinrichtungen ermöglicht?

b) Wenn keine, warum nicht?

10. a) Welche Maßnahmen will die Bundesregierung ergreifen, um gewalt-
betroffenen Frauen eine Schonfrist zuzubilligen, während der sie von der
Verpflichtung befreit sind, schnellstmöglich eine Arbeit aufnehmen zu
müssen?

b) Wenn keine, warum nicht?

11. a) Welche Maßnahmen will die Bundesregierung ergreifen, um sicherzu-
stellen, dass im Zusammenhang mit einer Geburt eine bedarfsgerechte
Erstausstattung bewilligt wird?

b) Wenn keine, warum nicht?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/12151

12. a) Welche Maßnahmen will die Bundesregierung ergreifen, um im Zu-
sammenhang mit Schwangerschaft und Mutterschaft die Sicherung des
Lebensunterhalts mit Beihilfen zu gewährleisten – auch für Auszubil-
dende und Studentinnen sowie für ausländische Studentinnen aus Nicht-
EU-Ländern im Rahmen der bei Geburt üblichen Urlaubssemester?

b) Wenn keine, warum nicht?

13. a) Welche Maßnahmen will die Bundesregierung ergreifen, um die Über-
nahme der Kosten für Sterilisationen und (zumindest für ärztlich verord-
nete) Kontrazeptiva wieder gesetzlich zu verankern, um einen sozialselek-
tiven Zugang auszuschließen?

b) Wenn keine, warum nicht?

14. a) Welche Maßnahmen will die Bundesregierung ergreifen, um eine durch-
gängig geschlechtsspezifisch differenzierte Erfassung aller für die Ar-
beitsmarktpolitik notwendigen Daten sicherzustellen?

b) Wenn keine, warum nicht?

15. a) Welche Schritte will die Bundesregierung unternehmen, um die Beschäf-
tigungschancen von Frauen in Männerdomänen weiter zu verbessern und
ihre Aufstiegschancen überall, selbst in Frauendomänen, weiter zu ver-
stärken?

b) Wenn keine, warum nicht?

16. a) Welche Maßnahmen will die Bundesregierung ergreifen, um die Zielför-
derquote für Frauen in den arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen konse-
quent und speziell in den tatsächlich qualifizierenden und zielführenden
(arbeitsmarktnahen) Maßnahmen einzuhalten, frauenspezifische Ange-
bote notwendigerweise zu entwickeln und zur Erfolgskontrolle Gender-
Budgeting einzuführen?

b) Wenn keine, warum nicht?

17. a) Welche Maßnahmen will die Bundesregierung ergreifen, um eine ge-
schlechtssensible Berufsberatung sicherzustellen und hierzu die aktive
Zusammenarbeit der Agenturen für Arbeit mit lokalen gleichstellungs-
politischen Akteuren zu fördern und zudem eine gendersensible Weiter-
qualifizierung der in der Beratung tätigen Mitarbeiter und Mitarbeiterin-
nen sowie die Optimierung der von der Berufsberatung herausgegebenen
Materialien sicherzustellen.

b) Wenn keine, warum nicht?

18. a) Welche Maßnahmen will die Bundesregierung ergreifen, um im Entgelt-
sektoreinediskriminierungsfreieArbeitsbewertungsicherzustellenundals
Gesetzgeber ihren Teil zur Durchsetzung einer geschlechtergerechten Ent-
geltfindung in tariflichen und betrieblichen Entgeltsystemen zu leisten?

b) Wenn keine, warum nicht?

19. a) Welche Schritte will die Bundesregierung unternehmen, damit die bisher
nicht vorhandenen Daten zu Vollzeit- und Teilzeitquoten für alle Bran-
chen geschlechterdifferenziert und nach Bundesländern unterteilt erho-
ben und regelmäßig veröffentlicht werden?

b) Wenn keine, warum nicht?

20. a) Welche Maßnahmen will die Bundesregierung ergreifen, um die beruf-
liche Förderung von Frauen in bislang überwiegend von Männern wahr-
genommenen Berufen weit mehr als bisher zu befördern?
b) Wenn keine, warum nicht?

Drucksache 16/12151 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
21. a) Welche Maßnahmen will die Bundesregierung ergreifen, um die weitere
Ausbreitung von Teilzeitbeschäftigung ohne existenzsichernde Einkom-
men zu verhindern und dafür Sorge zu tragen, dass das Abdrängen von
Frauen in atypische Arbeitsverhältnisse gestoppt wird?

b) Wenn keine, warum nicht?

22. a) Welche Maßnahmen will die Bundesregierung ergreifen, um Arbeitge-
bern und Arbeitgeberinnen, die eine Schwangere nach Ablauf der Befris-
tung nicht weiter beschäftigen, zum Nachweis zu verpflichten, dass die
Befristung sachlich gerechtfertigt war und sie zur Weiterbeschäftigung
zu verpflichten, wenn sie diesen Nachweis nicht führen können?

b) Wenn keine, warum nicht?

23. a) Welche Maßnahmen will die Bundesregierung ergreifen, um dem Ge-
setzgeber den Entwurf eines Gleichstellungsgesetzes für die Privatwirt-
schaft vorzulegen?

b) Wenn keine, warum nicht?

24. a) Welche Schritte will die Bundesregierung unternehmen, um dafür Sorge
zu tragen, dass eine gesetzliche Regelung für eine Quotierung der Vor-
stands- bzw. Aufsichtsratsmandate zugunsten von Frauen fest verankert
wird?

b) Wenn keine, warum nicht?

25. a) Welche Maßnahmen will die Bundesregierung ergreifen, um entspre-
chend den Abschließenden Bemerkungen des CEDAW-Ausschusses
(Ziffer 25) zum 5. Staatenbericht ihre Anstrengungen zur Förderung der
De-facto-Gleichstellung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt, einschließ-
lich ihres Zuganges zu Vollzeitbeschäftigung, zu verstärken?

b) Wenn keine, warum nicht?

26. a) Welche Maßnahmen will die Bundesregierung unternehmen, um eine
obligatorische Individualbesteuerung und obligatorische eigenständige
Absicherung in allen Zweigen der gesetzlichen Sozialversicherung ein-
zuführen, damit so der gesetzliche Rahmen für eine eigenständige exis-
tenzielle Absicherung für Männer und Frauen geschaffen wird?

b) Wenn keine, warum nicht?

27. a) Welche Maßnahmen will die Bundesregierung ergreifen, um eine grund-
legende Strukturreform der gesetzlichen Rentenversicherung einzuleiten,
die derzeit existierende Ungerechtigkeiten infolge frauentypischer Lebens-
läufe korrigiert?

b) Wenn keine, warum nicht?

Berlin, den 2. März 2009

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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